Wahlwerbung in den USA: Gefährliche Emotionen?

In losen Abständen kommentieren Redakteure der absatzwirtschaft aktuelle Momente aus der Markenwelt. Diesmal: Warum ist Donald Trump als Präsidentschaftskandidatbewerber so erfolgreich und was hat sein erster Wahlwerbespot damit zu tun?
Trump und die Emotionen

Ein Kommentar

Immer, wenn Donald Trump den Mund aufmacht, kommt man um eine Frage nicht herum: Hat er das jetzt wirklich gesagt? Egal, ob gegen Frauen, mexikanische Einwanderer oder Muslime – Trump hetzt auf eine Art und Weise, bei der es einem angst und bange werden kann oder aber einfach nur schlecht. Wenn er sich erst einmal in Rage geredet hat, wird der Kopf hochrot, der Zeigefinger sticht in die Luft und seine Stimmlage befindet sich in der Nähe eines schreienden Wutanfalls. Seine kruden Thesen und Forderungen profitieren davon, denn so werden sie authentisch. So wie Trump selbst. Den Amerikanern gefällt das – es passt zu dem Bild des Politikers, der einfach einmal sagt, wie es ist.

Nun hat Trump seinen ersten Wahlwerbespot veröffentlicht. In dem 30-Sekünder wiederholt der Sprecher die Forderungen nach einem Einreisestopp für Muslime und Mexikaner und kündigt an, Trump werde dem IS „den Kopf abschlagen“. Unterlegt wird das mit bedrohlichen Schwarz-weiß-Bildern und dramatischer Musik.

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Politik in den Vereinigten Staaten ist anders als in Deutschland: Auf Parteitagen fliegt unter frenetischem Applaus glitzerndes Konfetti von der Decke, Menschen stellen sich Schilder „ihres“ Kandidaten in den Vorgarten und brechen dann in Tränen aus, wenn der schließlich die Wahl gewinnt – oder eben nicht. All dem liegt etwas zugrunde: die Emotion. Und die ist beliebt: bei Wählern und Politikern.

Schnell einmal „gegoogelt“, findet sich bei Wikipedia für Emotion folgende Definition: „Eine Gemütsbewegung im Sinne eines Affektes“ – und genau das ist Fluch und Segen zugleich.

Emotion ist etwas wenig Rationales. Etwas, das keinen Filter zulässt und keine Norm. Freude, Zorn, Liebe oder Mitleid – sie kommen ungewollt und ungeplant. Emotion ist unempfänglich für Argumente. Sie entsteht im Affekt. In der Politik ist das gefährlich.

Auch da sind die USA anders: Das einzige, worüber Politiker hier scheinbar stolpern können, sind anzügliche Kurznachrichten, falsch versendete Nacktbilder auf Twitter oder ein Besuch bei einem/einer Horizontalgewerbler(in). Lust ist scheinbar die einzige Emotion, die man hier besser nicht öffentlich zeigt.

Wut und daraus resultierende Ausraster und Grenzüberschreitungen werden indes verziehen. Oder könnte ein deutscher Politiker die kritischen Fragen einer Journalistin auf ihre vermeintliche Periode zurückführen, ohne dass es innerhalb zweier Tage eine Rücktrittserklärung gäbe?

Nun sind Emotionen in der Politik aber nicht vollkommen schlecht – auch und gerade in der Werbung. Ein gutes Beispiel lieferte die demokratische Bewerberin Hillary Clinton Anfang des letzten Jahres.

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Denn der Einsatz von Emotion muss nicht immer falsch sein. Emotion macht „betroffen“ und führt zur Teilhabe, zum Diskutieren oder zum Aufregen. Das ist etwas, was Politik gebrauchen kann.

Deutsche Politiker und ihre Wahlwerbe-Monotonie könnten davon noch etwas lernen. Kampagnen zur Bundestagswahl sind meist so emotional wie ein Sonderangebotebeihefter. Wenn der Preis für Emotion allerdings Politiker wie Donald Trump sind, verzichten wir wohl besser darauf.