Wachsende Mittelschicht kurbelt Luxusmarkt an

Luxusmarken boomen wieder. Nach einem Umsatzrückgang von 13 Prozent im Jahr 2009 konnte die Luxusbranche 2010 ein weltweites Wachstum von über 15 Prozent erzielen. Das Marktvolumen stieg auf knapp eine Billion Euro, wie die internationale Managementberatung Boston Consulting Group (BCG) im Rahmen ihrer Studie „The New World of Luxury“ ermittelt hat. Die größte Herausforderung für die Branche sehen die Experten in der Wahrung von Exklusivität und Qualität.

Verantwortlich für die rasche Erholung sei zum einen die wachsende Nachfrage nach Luxusgütern durch Mittelschicht-Haushalte; denn ihr Anteil am Gesamtumsatz mit Luxusprodukten machte im vergangenen Jahr 54 Prozent aus. Zum anderen nehme auch im Luxussegment die Bedeutung der BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien und China) zu. Bereits heute hätten diese Staaten einen Anteil von über 35 Prozent an der weltweiten Nachfrage nach Luxusgütern. China werde schon bald zum weltweit größten Luxusmarkt aufsteigen. „Die Unternehmen laufen Gefahr, den Lockrufen des Massenmarktes nachzugeben und sich auf diese Art selbst zu banalisieren“, sagt Dr. Antonella Mei-Pochtler, Senior Partnerin bei der Boston Consulting Group. Eine Expansion in die neuen Märkte sei nur dann erfolgreich, wenn dabei die Exklusivität der Marke bewahrt werde – durch qualitativ hochwertige Produkte, einen dosierten Ausbau der Kundensegmente und den Erhalt der eigenen Begehrtheit.

Längst stammten die Käufer klassischer Luxuswaren nicht mehr ausschließlich aus betuchten Haushalten: In den sechs Hauptmärkten Europa, USA, Russland, Japan, China und Brasilien erwarben Angehörige der Mittelschicht der Studie zufolge im vergangenen Jahr Luxusgüter im Wert von 80 bis 90 Milliarden Euro – und gaben damit mindestens zehn Milliarden Euro mehr aus als die etablierten Luxuskäufer. Die Studie definiert fünf Gruppen von Luxuskonsumenten, die sich in ihren Produktpräferenzen und Kaufmotivationen unterscheiden. Auch wenn die etablierten Luxusverbraucher – unterteilt in die Segmente „Old Money“ (1 Million Haushalte) und „Beyond Money“ (0,6 Millionen Haushalte) – nur zwölf Prozent der Produktumsätze im traditionellen Luxussegment ausmachten, seien sie für die Unternehmen nach wie vor eine hoch relevante Käufergruppe, denn sie adelten und veredelten die Marken. Die kaufkräftigste luxusaffine Käuferschicht sei allerdings die Konsumentengruppe „New Money“ (6 Millionen Haushalte; mehr als 725 000 Euro Vermögen), die mit 36 Prozent auch das größte Verbrauchersegment darstelle.

Bei der Mittelschicht unterscheidet die BCG-Studie zwischen Haushalten mit einem jährlichen Einkommen von mindestens 55 000 Euro (115 Millionen Haushalte weltweit), die für „Masse“ sorgten, und einer aufstrebenden Mittelschicht (25 Millionen Haushalte) mit einem rund doppelt so hohen Jahreseinkommen. Der Anteil der ersten Gruppe am weltweiten Luxusumsatz betrage 30 Prozent, wobei der Kauf von Parfüm und Kosmetika überwiege (60 Prozent ihrer Ausgaben für Luxusartikel). Die kleinere, aber finanzstärkere Fraktion der Mittelschicht verantworte 24 Prozent der globalen Luxusumsätze und sei „Großabnehmer“ von Designermode und Accessoires. Rund 55 Prozent ihres Luxusbudgets gäben sie dafür aus. „Luxushersteller müssen sich künftig auf beide Zielgruppen einstellen: die Stammklientel und die jungen Luxusabnehmer. Das ist eine Herausforderung – bei der Produktgestaltung, aber auch für das Marketing und das Markenselbstverständnis“, erklärt Studienautorin Mei-Pochtler.

Die Einstellung und das Kaufverhalten der westlichen Luxuskäufer hätten sich gewandelt. Es werde weniger geprotzt und mehr Wert auf wahre Exklusivität gelegt – durch ausgefallenes Design und handwerkliche Raffinesse. Gleichzeitig sei eine Verschiebung der Nachfrage hin zu „erlebbarem Luxus“ feststellbar. Die Umsätze mit Produkten und Dienstleistungen, die den Konsumenten einzigartige Erfahrungen versprechen, etwa Reisen oder Wellness-Anwendungen, betrügen weltweit rund 750 Milliarden Euro. Gefördert werde die Nachfrage nach erlebbarem Luxus auch durch die alternde Gesellschaft. Die am schnellsten wachsende Gruppe der Luxusverbraucher ist der Untersuchung zufolge die Generation 60 plus, die in Industrieländern beheimatet ist. Diese Konsumenten verfügten längst über die finanziellen Mittel und die Zeit, Luxus umfassend zu genießen. Dem Trend des erlebbaren Luxus versuchten Hersteller nicht nur bei der Produktentwicklung, sondern auch mit der Präsentation ihrer Marke gerecht zu werden. Sie investierten zunehmend in den Ausbau ihrer eigenen Verkaufsgeschäfte, die die gesamte Markenwelt verkörpern und erlebbar machen sollen.

Während sich der Luxusmarkt früher auf klassische „Hard-Luxury“-Produkte wie Uhren und Schmuck sowie „Soft-Luxury“-Produkte wie Kleidung konzentriert habe, sei er inzwischen deutlich weiter gefasst. Für Konsumenten beschreibe „Luxus“ heute hochwertige Autos ebenso wie exquisite Nahrungsmittel und Alkoholika, Wellness-Aufenthalte oder Reisen. Während die klassischen Hard- und Soft-Luxury-Segmente gemeinsam auf ein Volumen von rund 230 Milliarden Euro kämen, belaufe sich der weiter gefasste Luxusmarkt auf rund 960 Milliarden Euro. Den größten Anteil an diesem globalen Luxusmarkt hätten Reisen und Hotels, gefolgt von Autos der Premiumklasse und hochwertigen technischen Produkten wie Smartphones. Erst dann folgten die traditionellen Segmente Uhren und Schmuck sowie Mode und Lederwaren.

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