Verknüpfung von Webshop und Warenwirtschaft

Der Einfluss von E-Commerce und Mobile Commerce auf traditionellere Vertriebsmodelle wird weiter anhalten. Wer unter diesen Bedingungen heute in zukunftssichere Software investieren möchte, sollte darauf achten, dass dynamisches Wachstum und Erweiterungen der Geschäftsaktivitäten, insbesondere im Onlinevertrieb, auf effiziente Weise mit den ausgewählten System möglich sind. Dabei gilt es für Warenwirtschaft und Shopsystem unterschiedliche Kriterien zu beachten.
Miniature shoppers with shopping carts on a laptop touch pad mouse. Online shopping concept.

Von Johannes W. Klinger

Die Auswahl eines Warenwirtschaftssystems orientiert sich stark an der Branche und den unternehmensspezifischen Prozessen, beispielsweise, welche Produktdaten erfasst werden müssen. So müssen bei Kleidungsstücken die Merkmale Größe und Farbe hinterlegt werden, die bei anderen Artikeln keine Rolle spielen. Darüber hinaus variiert die Art und Anzahl der zu erfassenden Lagerbedingungen je nachdem, ob der Händler einen kleinen Webshop oder ein voll ausgeprägtes Multichannel-Geschäft betreibt.

Das Shopsystem sollte die technische Möglichkeit bieten, Multichannel-Ansätze oder mehrsprachige Shops für internationalen E-Commerce einzubinden, selbst wenn mit der Umsetzung entsprechender Ansätze erst in mehreren Jahren zu rechnen ist. Denn der Wechsel des Shopsystems im laufenden Betrieb ist stets mit hohen Kosten und Ausfallrisiken verbunden.

Bedeutung von Schnittstellen

Neben den Anforderungen an die einzelnen Systeme sind funktionierende Schnittstellen zwischen Shopsystem und Warenwirtschaft von zentraler Bedeutung. Um professionellen E-Commerce betreiben zu können, sind zumindest vier Schnittstellen nötig, die kontinuierlich und ohne Wartungsaufwand einen lückenlosen Datenaustausch gewährleisten müssen: je eine für die Übertragung von Produkt-, Adress- und Bestandsdaten aus der Warenwirtschaft in den Shop und eine weitere für die Übertragung der Bestelldaten aus dem Shop in die Warenwirtschaft.

Diese scheinbare Selbstverständlichkeit verdient durchaus Erwähnung. Denn unter den zahllosen Warenwirtschaftssystemen auf dem deutschen Markt gibt es viele kleinere Lösungen, bei denen Online-Bestellungen nur händisch in die Warenwirtschaft eingepflegt werden können. Andere Lösungen sind so veraltet, dass sie die Möglichkeit eines Exports von Daten, etwa in einen Onlineshop, überhaupt nicht vorsehen. Umgekehrt bieten einfache Miet- oder Javascript-Shops oft gar keine Schnittstellen an. In anderen Fällen sind die Schnittstellen so rudimentär, dass der Shopbetreiber sie mit immensem Kostenaufwand selbst entwickeln lassen muss. Am Ende steht im schlechtesten Fall eine faktische Shop-Eigenentwicklung, die nicht mehr an den Updates der Basis-Software partizipieren kann – eine Gefahr, die vor allem bei Open-Source-Shops droht.

Weitere Schnittstellen können den Benutzungskomfort für den Shopkunden erhöhen. Ein solches Komfort-Feature ist etwa die Möglichkeit für den Kunden, sich aus dem Shop heraus die Rechnungen seiner früheren Bestellungen abzurufen. Diese Daten im Shop selbst zu speichern, wäre ineffizient, da sie in der Warenwirtschaft ohnehin hinterlegt sind. Von dort werden sie bei Abfrage durch den Kunden über eine entsprechende Schnittstelle in den Shop importiert.

Andere optionale Schnittstellen zwischen Warenwirtschaft und Shopsystem geben dem Shopbetreiber zusätzliche Instrumente für das Marketing und die Förderung der Kundenbindung an die Hand. So kann die Warenwirtschaft den Shop so steuern, dass beispielsweise ein Kunde mit guter Zahlungsmoral „zur Belohnung“ im Shop zusätzliche Zahlungsarten angeboten bekommt, zum Beispiel die beliebte Zahlung auf Rechnung. Dies begünstigt zahlreichen Studien zufolge die Entscheidung für einen Kauf (Konversion).

Engpässe vermeiden

Nicht zu unterschätzen bei der Auswahl geeigneter Systeme ist das Thema Verfügbarkeit. Der Nutzen einer sauberen webbasierten Schnittstelle zwischen Shop und Warenwirtschaft bleibt graue Theorie, wenn der Shop zwar Bestellungen entgegennimmt, diese aber nicht an die lokal beim Versandhändler installierte Warenwirtschaft übertragen kann, weil der Internetzugang des Händlers gerade unterbrochen ist.

Da bei Warenwirtschaftssystemen, anders als bei Shopsystemen, der Inhouse-Betrieb nach wie vor die Regel ist, fangen intelligente Shopsysteme solche Phasen ab, indem sie Bestellungen in einer Warteschlange ablegen. Sobald die Verbindung zur Warenwirtschaft wiederhergestellt ist, werden die aufgelaufenen Bestellungen übertragen. Bei jeder Bestellung eines Artikels zählt das Shopsystem zudem selbsttätig von der zuletzt aus der Warenwirtschaft erhaltenen Bestandszahl des Artikels abwärts. Fällt der Bestand auf Null, so setzt der Shop den Artikel ohne Zutun der Warenwirtschaft auf „derzeit nicht lieferbar“, um den Kunden Enttäuschungen und dem Händler mögliche Aufwände zu ersparen.

Spezialisierte Systeme

Wenn Shopsystem und Warenwirtschaft vom selben Hersteller kommen, sollten fehlende Schnittstellen theoretisch kein Problem sein. Dennoch hat sich das Geschäftsmodell „Alles aus einer Hand“ nicht durchgesetzt. Etliche Warenwirtschaftshersteller, die in den letzten Jahren zusätzlich auch Shopmodule auf den Markt gebracht hatten, haben sich aus diesem Bereich wieder zurückgezogen. Seit rund einem Jahrzehnt erfolgreich am Markt halten sich dagegen Lösungen, die auf der strategischen Partnerschaft von Unternehmen basieren, von denen ein Unternehmen die Shopsoftware, das andere eine Warenwirtschaft herstellt. In regelmäßigen Abständen werden dabei geplante neue Features und die dafür erforderlichen Schnittstellen aufeinander abgestimmt, um die Weiterentwicklung der Systeme möglichst synchron zu halten. Gleichzeitig behalten beide Spezialanbieter ein hohes Maß an Flexibilität in Bezug auf ihre Kernkompetenz.

Dieses Modell trägt der Erfahrung Rechnung, dass für die Entwicklung leistungsfähiger Systeme in beiden Bereichen Spezialisierung unerlässlich ist. Shopsystem und Warenwirtschaft stellen grundlegend andere Erfordernisse an die Architektur einer Software und an die Betriebsumgebung, müssen deshalb auch von Komplettanbietern als zwei separate Softwarepakete entwickelt und installiert werden. Entsprechend schwierig und meist ineffizient ist es für einen Hersteller, sich auf beide Bereiche gleichermaßen tief spezialisieren zu wollen. Bei einem Kooperationsmodell profitiert der Anwender hingegen, weil sich in seiner Gesamtlösung die unterschiedlichen Blickwinkel und Kompetenzen von Warenwirtschafts- und Shophersteller ergänzen können.

Auch auf der Ebene der Dienstleister, die seine Systeme betreuen, ist der Händler in der Regel besser bedient mit einem Netzwerk unterschiedlicher Spezialisten, von denen jeder das tut, was er am besten kann. Der IT-Dienstleister, der im Haus des Anwenders die Warenwirtschaft an den Shop anbindet, muss kein Shop-Designer sein – und sollte es auch gar nicht, da professioneller E-Commerce dafür längst zu komplex ist. Bei Gesprächen mit Anbietern von Warenwirtschafts- und Shopsystemen sollten Versandhändler daher frühzeitig abfragen, ob entsprechende Partnernetzwerke vorhanden sind.

Über den Autor: Johannes W. Klinger ist Vorstandsvorsitzender der Websale AG in Stein b. Nürnberg. Das Unternehmen entwickelt und betreibt seit 1996 Shopsoftware as a Service für mittelständische Versandhändler und Großunternehmen.