Verkaufsspezialist, Vertriebsleiter oder selbstständig?

High Potentials in Vertrieb und Verkauf sind selten mit dem Erreichten zufrieden und suchen die neue Herausforderung. Doch in welche Richtung soll der Karriereweg gehen?

Von Helmut Seßler

Topverkäufern, die in ihrem Bereich exzellente Leistungen aufweisen, sich aber dennoch beruflich und menschlich weiterentwickeln wollen, stehen grundsätzlich mehrere Möglichkeiten offen:

  • durch ständige Weiterbildungen und Verbesserungen im Verkaufsbereich verbreitern sie ihren Expertenstatus,
  • sie bilden sich zum Vertriebsleiter fort und übernehmen Führungsverantwortung oder
  • sie wagen den Sprung in die selbstständige Existenz und machen sich als Verkaufstrainer selbstständig.

Jeder der Karrierewege bietet große Chancen, jedoch auch Risiken und Stolpersteine.

Weg 1: Vom Topverkäufer zum Sales Profi
Für keine andere Zielgruppe werden so viele und qualitativ hochwertige Weiterbildungen angeboten wie für die Verkäufer. Kein Wunder: So gut wie jedes Unternehmen benötigt einen florierenden Vertrieb, und der Spruch, „im Vertrieb werden die Gehälter verdient“, besitzt nach wie vor Gültigkeit.

Die erschlagende Fülle an Weiterbildungsangeboten wirkt zuweilen lähmend. Der Topverkäufer sollte sich Ziele setzen, die er im beruflichen Bereich verfolgt – so hat er ein Kriterium an der Hand, das ihn bei der Entscheidung für ein Weiterbildungsangebot leitet. Ein weiteres ergibt sich aus der Fragestellung, ob er eher eine Stärke stärken oder eine Schwäche schwächen will. Was also ist wichtiger:

  • Der Topverkäufer baut die Kompetenz, ein Verkaufsgespräch professionell zu führen, noch weiter aus.
  • Er arbeitet in einem Intensivcoaching an seinen Schwächen bei der Neukundenakquisition.

Individuelles Coaching besser als Standardseminar
Zu empfehlen ist, bei der Auswahl der Weiterbildungsform Wert auf Individualität zu legen. Auf einem traditionellen offenen Seminar mit zwölf Teilnehmern kann der Topverkäufer in aller Regel nicht mehr viel lernen – besser ist es, er besucht eine Veranstaltung, in der auf seine individuellen Weiterbildungswünsche eingegangen werden kann und in der die Aspekte Nachhaltigkeit, Messbarkeit und Überprüfbarkeit der Weiterbildungsergebnisse im Vordergrund stehen. Das unternehmensinterne Seminar mit der Möglichkeit, das Gelernte sofort und noch während der Maßnahme im Kundenkontakt einzusetzen, ist dem Besuch des externen und offenen Seminars vorzuziehen.

Ein intensives Einzelcoaching oder ein Maßnahme „Coaching on the job“, die mit der Vertriebsführungskraft abgesprochen wird, vergrößert die Chance, die Kompetenzen des Topverkäufers punktgenau auf den Bedarf des Unternehmens und der Vertriebsabteilung abzustimmen.

Die Kunst besteht darin, den goldenen Mittelweg zwischen Spezialisierung und Generalistentum zu finden. Der Verkäufer muss aufpassen, dass er durch die permanente Weiterqualifikation nicht zum „Fachidioten“ degeneriert oder von der Führungsetage als solcher disqualifiziert wird. Die Gefahr besteht darin, in der Sackgasse „überqualifizierter Verkäufer“ zu enden.

Mein persönlicher Strategie-Tipp: Der Topverkäufer muss gezielt an seiner Kompetenzentwicklung arbeiten und dabei eine langfristige und strategische Zielsetzung verfolgen. Falsch ist es, sich an Moden zu hängen, klug hingegen, gegen den Strom zu schwimmen – ein Beispiel: Während alle anderen auf der Hardselling-Modewelle schwimmen, eignet sich der Topverkäufer beide Kompetenzen an: Hardselling und Softselling, Abschlussorientierung und Beziehungsmanagement.

Weg 2: Auf die andere Seite des Schreibtischs wechseln
Will der Topverkäufer in eine Führungsposition hineinwachsen und sich als Vertriebsleiter etablieren, muss er unbedingt die „Kompetenz-Falle“ vermeiden: Als Führungskraft braucht er andere Fähigkeiten als die, die ihn zum High Potential im Verkauf gemacht haben.

Sicherlich: Menschenkenntnis, Kommunikationskompetenz und verkäuferisches Know-how benötigt er als Topverkäufer ebenso wie als Vertriebsleiter. Aber es ist etwas anderes, einen Kunden einzuschätzen, einem Typus zuzuordnen und dann kundenindividuell ins Beratungs- und Verkaufsgespräch einzusteigen, als Mitarbeiter zu motivieren, zu führen, zu coachen. Jetzt muss er Kritik-, Konflikt- und Motivationsgespräche mit Mitarbeitern führen, Personalentscheidungen treffen, die nicht jedem schmecken, seinem Vertriebsteam eine klare Richtung vorgeben und es zu Spitzenleistungen animieren.

Qualifizierte Ausbildung zum Vertriebsleiter
Damit der Topverkäufer nicht auf die Stufe seiner Inkompetenz befördert wird und auf dem Platz des Vertriebsleiters aufschlägt, ohne über die dafür notwendigen Qualifikationen zu verfügen, ist eine Ausbildung zum Vertriebsleiter empfehlenswert.
Der BDVT (Berufsverband der Verkaufsförderer und Trainer, Köln) hat mittlerweile das Berufsbild „Verkaufs-/Vertriebsleiter (BDVT)“ etabliert und mit dem Weiterbildungsabschluss „Geprüfte/r Verkaufs-/Vertriebsleiter/in (BDVT)“ Kriterien definiert, die Ausbildungen erfüllen müssen, wenn sie jenem Berufsbild entsprechen wollen. Der Abschluss darf nur von Weiterbildungsinstituten verliehen werden, die von dem Verband geprüft und vom Verbandspräsidenten dazu autorisiert wurden.

Das heißt: Es gibt nun einige Anbieter – darunter die INtem Gruppe –, die eine umfassende Vertriebsleiterausbildung nach allgemein anerkannten Qualitätsstandards anbieten.

Mein persönlicher Strategietipp: Wer sich für diese Weiterbildung entscheidet, sollte darauf achten, dass die folgenden Qualifikationen vermittelt werden:

  • „Menschenführung für Vertriebsleiter“
  • „Der Vertriebsleiter als Coach seiner Mitarbeiter“
  • „Vertriebssteuerung und Kennzahlen – So bekommen Sie Ihre Zahlen in den Griff“
  • „Marketing & Akquisition – Strategische Kundengewinnung“
  • „Auswahl der richtigen Mitarbeiter, Personalfragen und das Wichtigste zum Thema Recht“
  • „Präsentation, Rhetorik, Stimme, Kommunikation – Überzeugen Sie allein durch Ihr Auftreten“
  • „Zusammenarbeit Innen- und Außendienst, betriebswirtschaftliche Grundlagen, Messe“

Weg 3: Ab in die Selbstständigkeit als Verkaufstrainer
Der Konjunkturhimmel hellt sich immer weiter auf, der Aufschwung stabilisiert sich. Wer sich jetzt mit dem Gedanken trägt, eine selbstständige Existenz als Verkaufstrainer aufzubauen, findet günstige Rahmenbedingungen vor. Der Weg in die Selbstständigkeit ist dabei nicht nur eine Option für die Topverkäufer, sondern auch für erfolgreiche Vertriebsleiter.

Allerdings: Wichtig ist, sich vor dem Eintritt in die Selbstständigkeit zu verdeutlichen, dass die fachliche Kompetenz allein nicht ausreicht: Viele Verkäufer und Vertriebsleiter meinen, ihre langjährige Arbeit in Verkauf und Vertrieb genüge, um als Trainer erfolgreich zu sein. Sie müssen zumeist feststellen, dass ihnen die spezifischen Kompetenzen fehlen, die einen professionellen Verkaufstrainer auszeichnen. Hektisch versuchen sie, diese Qualifikationen durch die Teilnahme an eine Crashkurs auszugleichen. Die Folge: Es fehlt ihnen die Zeit, sich intensiv um das zu kümmern, was zu Beginn der Selbstständigkeit zu den bedeutendsten Aufgaben zählt: nämlich die Erstellung aussagekräftiger Akquisitions- und Marketingunterlagen, die der „Frischling“ benötigt, um sich am Markt zu positionieren.

Alles selbst machen – oder einen starken Partner suchen
Natürlich gibt es Verkaufstrainer, die es zu Beginn ihrer Selbstständigkeit verstehen, ihre Akquisitionsunterlagen so zu gestalten, dass sie die ersten Kunden überzeugen können. Doch Broschüre, Flyer, Info-CD, Homepage und all die anderen Marketing- und Werbeunterlagen – sie kosten. Die Alternative: der Zusammenschluss mit einem starken Partner, der neben der Verkaufstrainerausbildung Unterstützung bei der Finanzierung der Selbstständigkeit und vor allem in der ersten Akquisitionsphase bietet. Der Verkaufstrainer kann zum Beispiel die professionell gestalteten Werbemittel des Partners auf seine Bedürfnisse anpassen und einsetzen.

Des Weiteren ist eine genaue Positionierung notwendig. Denn es gibt viele Verkaufstrainer. Ein erfolgreicher Trainer ist selten das „Mädchen für alles“, sondern hat sich spezialisiert: auf eine bestimmte Branche, auf ein Thema, auf eine Zielgruppe, auf eine didaktische Methode. Wer am Markt mit seinem Namen als absoluter Könner für ein spezielles Thema steht, hat besonders gute Karten.

Gefragt sind auf Unternehmensseite Vertriebskonzepte und Weiterbildungsmaßnahmen, die einen messbaren Erfolg nach sich ziehen – und zwar möglichst rasch. Nur derjenige Verkaufstrainer hat eine Chance, der dem Unternehmen individuelle Weiterbildungskonzepte bietet, durch die sich sofort Umsätze generieren lassen. Bei der Wahl des Ausbildungsinstituts muss der Verkaufstrainer in spe dieses Kriterium heranziehen.

Ist die Positionierungsidee auf ihre Markttauglichkeit hin überprüft, steht eine Vielzahl an Einzelentscheidungen an, die den Expertenstatus des Trainers oft nur am Rande berühren:

  • Wie kann die kreative Geschäftsidee permanent weiter entwickelt werden?
  • Welche Akquisitionsstrategien helfen, kontinuierlich potenzielle Neukunden anzusprechen?
  • Welche Marketing- und Werbeaktionen steigern den Bekanntheitsgrad?
  • Wie lässt sich das Konzept des kundenorientierten Denkens, Handelns und Trainierens verwirklichen?
  • Wie baut der Verkaufstrainer kaufmännischen Sachverstand auf? Finanzierungs-, Steuer-, Versicherungs- und Rechtsfragen spielen schon eine Rolle.

Mein persönlicher Strategie-Tipp: Es gibt auf dem Weiterbildungsmarkt einige wenige Institute, die – angelehnt an das Franchisingsystem – nicht nur die Übernahme eines am Markt etablierten Trainingskonzeptes anbieten, sondern zudem ein kostengünstiges Akquisitionspaket, das der junge Existenzgründer nutzen und auf seine spezifischen Bedürfnisse anpassen kann. Topverkäufer und Vertriebsleiter, die sich selbstständig machen wollen, sollten bei diesen Instituten genaue Informationen einholen.

Die richtige Entscheidung treffen
Welcher Weg nun ist der richtige und angemessene? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten – entscheidend ist der Einzelfall. Fest steht: Die Rundum-Information ist unerlässlich. Und die folgenden Fragen bieten einen ersten Anhalt:

  • Welcher Lebensplan wird verfolgt?
  • Wie lautet die langfristige berufliche Zielsetzung? Das heißt: Berufliche und private Ziele fließen in die Entscheidung ein. Der Sprung in die Selbstständigkeit etwa kann großen Einfluss auf das Privatleben nehmen.
  • Mit wem können die Entscheidungsoptionen diskutiert werden? Zum Beispiel mit Familie, Freunden, Kollegen, Verbänden, Netzwerken?
  • Welche weiteren Informationsquellen gibt es?
  • Welche Möglichkeiten der Realisierung des Ziels stehen zur Verfügung?

Hilfreich ist der Erfahrungsaustausch mit Betroffenen, die vor einer ähnlichen Entscheidung standen und sich zum Beispiel zum Vertriebsleiter fortgebildet oder die Existenzgründung als Verkaufstrainer gewagt haben.

Der Autor
Helmut Seßler gründete 1989 die INtem Trainergruppe Seßler & Partner mit Sitz in Mannheim. Auf der diesjährigen didacta in Köln erhielt INtem vom Bund Deutscher Verkaufsförderer und Trainer (BDVT) den Internationalen Deutschen Trainings-Preis in Silber für das Konzept „Tandem-Training und Coaching für die Unternehmensnachfolge“. Das Institut bildet sowohl zum Verkaufstrainer aus als auch zum „Geprüften Verkaufs-/Vertriebsleiter (BDVT)“.

www.intem.de