Unternehmen müssen stärker auf ältere und ausländische Führungskräfte setzen

Eine Studie zum demografisch bedingten Führungskräftemangel in deutschen Unternehmen legt die internationale Personalberatung Odgers Berndtson vor. Bis zum Jahr 2020 werden den Unternehmen 20 Prozent weniger Führungskräfte unter 50 Jahren zur Verfügung stehen als heute. Um diese Lücke zu schließen, haben die Unternehmen zwar den Wettbewerb um qualifizierte Nachwuchskräfte intensiviert und begonnen, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Deutsche Unternehmen müssen jedoch auch das Potenzial älterer und ausländischer Managerinnen und Manager gezielt nutzen, um ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, lautet das Fazit der Studie.

Auf Basis der Zahlen des IZA, Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit GmbH, zeigt die Untersuchung „Demografie 2020“, dass die demografische Lücke bei Führungskräften spätestens ab dem Jahr 2020 deutlich zutage tritt. Während heute nur jede vierte Fach- und Führungskraft älter als 50 Jahre ist, wird dann jeder Dritte dieser Altersgruppe angehören. Gleichzeitig werden bei den unter 50-Jährigen rund 20 Prozent weniger Führungskräfte zur Verfügung stehen als heute. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Verantwortlichen in den Unternehmen zwar begonnen haben, sich mit dem demografisch bedingten Führungskräftemangel zu beschäftigen, die bisher ergriffenen Maßnahmen sind jedoch weder konsequent noch umfassend genug, um ihm wirkungsvoll zu begegnen“, sagt Claudia Scheuvens, Partner bei Odgers Berndtson. So sehen sich 70 Prozent der befragten Unternehmen aufgrund des demografischen Wandels mit personellen Problemen konfrontiert. Systematisch arbeitet dennoch nur ein geringer Teil daran, der wachsenden Lücke bei ihren Führungskräften entgegenzuwirken. „Viele sehen den Ausweg nach wie vor nur darin, den Wettbewerb um gut ausgebildete Nachwuchskräfte zu intensivieren. Diese Strategie wird allein jedoch nicht mehr aufgehen,“ erläutert Scheuvens.

Ergänzungen zur Nachwuchsförderung bestehen darin, das Potenzial von Frauen stärker als bisher zu nutzen, Ältere länger im Unternehmen zu beschäftigen und auf eine verstärkte Rekrutierung von ausländischen Führungskräften zu setzen. Während 34 Prozent der befragten Unternehmen den Anteil der weiblichen Führungskräfte mit Blick auf ihr Demografieproblem bereits systematisch ausbauen, werden gegenwärtig weder die verstärkte Rekrutierung ausländischer Führungskräfte noch die längere Beschäftigung älterer Experten als relevante Lösung erkannt und praktiziert. Nur fünf beziehungsweise zehn Prozent der Unternehmen haben hier entsprechende Maßnahmen etabliert. Rund ein Fünftel der Unternehmen sieht in den beiden Lösungswegen überhaupt keine Option für die Zukunft. Gemäß der Studie könnte die Gesamtzahl der Führungskräfte in Deutschland aber allein durch die bessere Ausschöpfung der beiden Lösungswege „Frauen“ und „Ältere“ deutlich erhöht und sogar bis zum Jahr 2045 auf dem heutigen Niveau gehalten werden.

Der Anteil der Führungskräfte 60-plus beträgt in den 500 größten Unternehmen aktuell neun Prozent. Derzeit werde das Potenzial dieser Gruppe mit ihrer Lebens- und Führungserfahrung, aber auch mit ihrem Netzwerk und ihrem Spezialwissen viel zu wenig anerkannt und zur Lösung des unternehmenseigenen Demografieproblems herangezogen, betonen die Personalberater. Dies liege vor allem an den vermeintlichen Nachteilen, die mit der verstärkten Rekrutierung und längeren Beschäftigung älterer Führungskräfte verbunden werden. So befürchten 39 Prozent der Befragten eine geringere Flexibilität Älterer, 29 Prozent sehen eine geringere körperliche und psychische Belastbarkeit als Hindernis. Eine geringere Innovationskraft und mögliche Teamkonflikte vermutet rund ein Siebtel der Unternehmen. Dass dies weitgehend Vorurteile sind, zeigen Unternehmen wie die Robert Bosch GmbH, die das Potenzial älterer Führungskräfte frühzeitig erkannt und für ihr Geschäft nutzbar gemacht haben.

Die Internationalisierung der deutschen Führungsebenen steckt ebenfalls noch in den Kinderschuhen. Die Mehrheit der Befragten gibt an, dass derzeit lediglich bis zu zehn Prozent der Führungspositionen in ihrem deutschen Geschäftsbereich mit Ausländern besetzt sind. Als Gründe hierfür werden vor allem sprachliche Probleme (44 Prozent), steuer- und sozialrechtliche Barrieren (39 Prozent), Unterschiede in der Arbeits- und Unternehmenskultur (34 Prozent) sowie die mangelnde Anerkennung von Abschlüssen (34 Prozent) genannt. „Um im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen zu können, brauchen die Unternehmen in Deutschland eine – auch politisch gewollte – Willkommenskultur für ausländische Führungskräfte“, fordert Scheuvens. Andernfalls würden sich zunehmend mehr Unternehmen dazu entschließen, ihre Managementstrukturen in andere Weltregionen zu verlagern.

Durch den gesellschaftspolitischen Rückenwind befindet sich der Lösungsweg „Frauen“ dagegen laut Studie stärker im Fokus der Unternehmen. Der Anteil weiblicher Führungskräfte in den größten 500 Unternehmen beträgt derzeit 22 Prozent und ist damit von der gesetzlich diskutierten Frauenquote von 30 Prozent nicht allzu weit entfernt. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass der Anteil von Frauen auf der Top-Ebene mit rund drei Prozent noch immer sehr niedrig ist. Bei dem weiteren Ausbau ihres Frauenanteils setzen die Unternehmen weniger auf frauenspezifische Förderungen wie Mentoring, Coaching oder Netzwerke für Frauen, sondern vielmehr auf praktische Unterstützungsmaßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie zum Beispiel flexible Arbeitszeitmodelle, Hilfe bei der Haushalts- und Kinderbetreuung sowie Home-Office-Regelungen.

Im Rahmen der Studie wurden die – gemessen an der Anzahl ihrer Mitarbeiter – 500 größten deutschen Unternehmen von der GfK SE danach befragt, wie sie auf den demografischen Wandel und dessen Auswirkungen auf ihre Führungskräftesituation vorbereitet sind und welche Maßnahmen sie bereits ergriffen haben. Die vollständigen Ergebnisse stehen als PDF-Download unter dem folgenden Link zur Verfügung:

www.odgersberndtson.de/Demografie-2020.pdf