… und am Ende verschwindet der Fahrer

Die Revolution im städtischen Verkehr hat begonnen. Im Jahr 2030 wird sich das Auto technologisch stark weiterentwickelt haben. Es wird mitdenken – und am Ende wird es wohlmöglich keinen Fahrer mehr brauchen.

Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Die Anziehungskraft von Spielzeugautos und Pferden auf Kinder, die Freude kleiner Mädchen, die zum ersten Mal Fahrrad fahren, oder die Begeisterung erwachsener Männer, wenn sie mit dem neuen Wagen den ersten Wochenendausflug machen – all das zeigt, wie wichtig persönliche Mobilität in unserem Leben ist. Der persönliche Kontakt mit der Familie und mit Freunden, ein Tag am Strand und ein Abendessen im neuen Trendlokal der Stadt werden 2030 genauso essenziell sein wie heute. Das gilt ebenso für die Fahrt zur Arbeit.

Das Auto wird sich im Jahr 2030 technologisch weiterentwickelt haben, Verbesserungen hinsichtlich Sicherheit, Komfort, Leistung und Zuverlässigkeit bieten und gleichzeitig umweltfreundlicher sein. Da künftig ein Großteil der Weltbevölkerung in die Stadt zieht, werden Fahrzeuge, die in erster Linie für lange Autobahnfahrten entwickelt wurden, durch kleinere und leichtere ersetzt, die sich quasi an die Stadt anpassen.

Kleine Elektrofahrzeuge für die lokale Mobilität sind bereits erhältlich, und die Automobilindustrie entwickelt und verkauft neue Modelle in diesem Marktsegment. Das sind wichtige Fortschritte. Doch sie werden wohl kaum das Verhalten von Fahrzeugbesitzern drastisch verändern. Dies ist eher von anderen technischen Fortschritten zu erwarten, beispielsweise von selbstfahrenden Autos.

Das Auto denkt künftig mit. Das Automobil wird zunehmend intelligenter. Die Ausstattung umfasst neuartige Navigations- und Umgebungserkennungssensoren, Funkgeräte für die Kommunikation mit anderen Fahrzeugen und mit der Straßeninfrastruktur sowie Computer für das Erstellen durchdachter Echtzeitplanungen und Steuerungsalgorithmen. Bereits heute gibt es Autos mit automatischem Abstandsregler (ACC), mit Einparkhilfe und Warnsystemen, die den Fahrer vor drohenden Kollisionen warnen und vor Unfällen schützen.

Autos, die unbemannt und ohne persönliche Kontrolle sicher und zuverlässig fahren, sind keine Zukunftsvision mehr. Ganz im Gegenteil! Die entsprechende Technologie ist bereits vorhanden und entwickelt sich rapide weiter – teilweise durch vom Militär geförderte Forschungs- und Entwicklungsprogramme. Eine Reihe von Unternehmen und Universitäten entwickelt kontinuierlich Fahrzeuge, die sich unbemannt im Straßenverkehr bewegen können oder im Konvoi von Menschenhand gesteuerten Fahrzeugen folgen, mit dem Ziel, die Auslastung bestehender Verkehrswege zu optimieren.

Autonomes Fahren ist in der Tat eine transformative Technologie. Sie hat das Potenzial, den Transport von Personen und die Einsatzmöglichkeiten von Fahrzeugen in der Stadt drastisch neu zu definieren. In fast allen Industrieländern basiert persönliche Mobilität derzeit auf Privat-Pkws, die im Besitz von Einzelpersonen sind und je nach Terminplan und Lebensstil zum Einsatz kommen. Das ist mit hohen Kosten verbunden: In Gegenden mit einer hohen Bevölkerungsdichte, etwa in modernen Metropolen, gehören Probleme aufgrund von Verkehrsstaus zum schmerzlichen Alltag. Ein Großteil der Bevölkerung verbringt täglich viele Stunden im stockenden Verkehr.

Carsharing muss attraktiver werden

Ist man endlich am Ziel, gestaltet sich die Suche nach einem Parkplatz häufig langwieriger als die Anreise. Die Auswirkungen von Verkehrsstaus auf Umwelt und Produktivität sind gravierend. Der Bedarf an Parkplätzen in den Stadtzentren hat das Gesicht vieler Städte auf der ganzen Welt verändert, da der Raum, der ursprünglich für die Freizeitaktivitäten der Bewohner gedacht war, nun für Parkmöglichkeiten verwendet wird.

Carsharing muss attraktiver werden. Seit einiger Zeit wird weltweit in größeren Städten das sogenannte Carsharing angeboten. Fahrzeuge können stundenweise gemietet werden. Dieser Service ist inzwischen weit verbreitet, da es viele Leihstationen gibt und man problemlos reservieren kann, beispielsweise online oder via Handy. Jedoch ist diese Dienstleistung für Reisen und Besorgungsfahrten, die nicht an einem Abholort in der Nähe beginnen oder enden, eher unpraktisch. Und sie sind teuer, da Fahrzeuge am Abholort zurückgegeben werden müssen.

Sogenannte One-Way-Mieten würden das Carsharing-Konzept wesentlich attraktiver machen. Das Fahrzeug könnte an einer nahe gelegenen Station abgeholt und an einer dem Zielort am nächsten liegenden Station abgegeben werden. Es existiert weltweit bereits eine Handvoll Unternehmen, die einen Service dieser Art anbieten. Allerdings gibt es aufgrund der unterschiedlichen raumzeitlichen Nachfrage Schwierigkeiten mit der Verfügbarkeit von Fahrzeugen.
So sammeln sich zum Beispiel im Laufe des Tages Fahrzeuge an den Stationen im Stadtzentrum an, während in den Vororten kaum Autos zur Verfügung stehen. In den Abendstunden wiederum verhält es sich genau andersherum. Die ideale Lösung für dieses Problem wären unbemannte Autos, die ein problemloses One-Way-Carsharing ermöglichen würden. Nachdem der Kunde am Ziel angekommen ist, wäre das Fahrzeug in der Lage, je nach Bedarf selbstständig zu einer stark frequentierten Station oder zur Abholung eines wartenden Kunden zu fahren.

Dieser könnte zum Beispiel über eine Smartphone-App ein Fahrzeug reservieren, seine Abholung an einer bestimmten Stelle zum gewünschten Zeitpunkt anfordern und es schließlich an seinem Reiseziel zurücklassen, ohne sich um die am nächsten liegende Rückgabestation kümmern zu müssen. Dieses System würde sowohl den Komfort und die Ungestörtheit eines Privatwagens als auch die Wirtschaftlichkeit und sozialen Vorteile von öffentlichen Verkehrsmitteln bieten.

von Emilio Frazzoli, Quelle: Handelsblatt