Programmie-Markt: TV-Zeitschriften suchen digitalen Anschluss

Den TV-Zeitschriften wird schon lange prophezeit an Bedeutung, Reichweite und Existenzkraft zu verlieren. Tatsächlich sind sie das vertriebsstärkste Magazinsegment. Dennoch: Die Verlage müssen Schritt halten mit den digitalen Veränderungen.
Die rückläufige Auflage zeigt, dass der Kauf einer Programmzeitschrift nicht mehr selbstverständlich ist. Wie können Verlage da gegensteuern? (© Fotolia 2015)

Von Roland Karle

Nur mal so zur optischen Verdeutlichung: Stapelte man „Instyle“, „Glamour“, „Cosmopolitan“ und all die anderen monatlichen Frauenzeitschriften – sie sind nach Auflage  das fünftstärkste Magazinsegment – der Länge nach, dann ließe sich damit eine 1 500 Kilometer lange Strecke von Freiburg nach Kiel und zurück belegen. Das gleiche Experiment mit sämtlichen TV-Programmzeitschriften, die im Laufe eines Monats über die Theke gehen, würde Grenzen sprengen: Es führte auf andere Kontinente, etwa von Freiburg in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires. Luftliniengetreu sind das gut 11 000 Kilometer.

Quartalszahlen der Programmies 2014

Sven Dams, Verlagsgeschäftsführer der Bauer Programm KG, braucht also kaum Widerspruch zu fürchten, wenn er behauptet: „Deutschland ist und bleibt ein Programmzeitschriften-Land.“ Die schiere Menge an abgesetzten Heften und die dadurch erzielte Reichweite ist gewaltig. Von den zehn auflagenstärksten deutschen Kaufzeitschriften gehören neun zur Kategorie der Programmies – und fünf davon sind Absatzmillionäre.

Mit knapp 2,4 Millionen Exemplaren in II/2014 ist „TV 14“ die klare Nummer eins vor „TV Digital“ (1,8 Millionen) und „TV Movie“ (1,2 Millionen). Lediglich „Hörzu“ als Vierte im Bunde kommt wöchentlich, gefolgt von „TV Direkt“, deren beider Auflagen jeweils rund 1,16 Millionen liegen. Den Zeitschriften-Großmarkt teilen sich vier Verlage: Bauer, Funke, Burda und Klambt. Bekanntlich haben sich die Eigentumsverhältnisse verändert, weil Axel Springer den Großteil seiner Zeitschriften an die Funke Mediengruppe abgegeben hat. Klambt, zuvor nur stiller Beobachter des Segments, ist mit nun zehn Titeln (unter anderem „Super TV“, „Funk Uhr“) ein gewichtiger Mitspieler geworden. Das Bundeskartellamt hatte den Springer-Funke-Deal nur unter der Maßgabe von Veräußerungsverpflichtungen gestattet, um eine noch höhere Marktkonzentration zu verhindern.

Im 4. Quartal 2014 steht wie gehabt ein Programmie-Quintett:„TV 14“ führt vor„TV Digital“ , „TV Movie“ , der„Hörzu“ und„TV direkt“. 2014 brachten es die 30 in der IVW gelisteten TV-Magazine auf einen durchschnittlichen Gesamtverkauf von 15 Millionen Stück pro Erscheinen, im Jahr zuvor waren es rund 660 000 mehr. Das Minus von 4,2 Prozent liegt im Rahmen der allgemeinen Entwicklung: Alle Publikumsmagazine haben vergangenes Jahr im Schnitt 4,05 Prozent an Auflage eingebüßt.

Dritte Quartalszahlen aus 2014

Dritte Quartalszahlen aus 2014, Grafik MEEDIA

Reichweite der TV-Magazine sinkt rapide

Im Fünf-Jahres-Zeitraum seit II/2010 ergibt sich für die Zeitschriften insgesamt ein Rückgang von zehn Prozent, für die Programmies von knapp elf Prozent. Das ist zu verkraften, so das Echo aus den Verlagen. Wahr ist aber auch: Die Reichweite speziell der wöchentlichen TV-Magazine ist erheblich gesunken. Laut AWA kamen sie 1995 auf eine Reichweite von satten 53 Prozent, während es 2005 nur noch 32 und aktuell 21 Prozent sind.

Wo es nötig war, haben Verlage ihre personellen und Ablauf-Strukturen angepasst, was bei TV-Magazinen – etwa durch Zulieferung des Programmteils aus einem zentralen Ressort – einfacher geht als beispielsweise bei aktuellen Zeitschriften. Weitere Vorteile: Gedruckte Fernsehmagazine „haben nach wie vor eine sehr treue und dadurch auch berechenbare Leserschaft, zudem werden einzelne Ausgaben häufig in die Hand genommen und intensiv genutzt“, sagt Mediaexperte Dirk Engel.

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Was Bauer-Verlagsgeschäftsführer Dams zuversichtlich stimmt: Keine andere Zeitschriftengattung habe eine höhere Verankerung im Alltag der Menschen als Programmies. „Die zunehmende Zahl der TV-Sender, das immer unübersichtlicher werdende TV-Angebot und das Gefühl, seine Lieblingssendung und echte Perlen jenseits des Mainstreams zu verpassen, verstärken das Bedürfnis nach journalistischer Aufbereitung, Einordnung und Empfehlung“, so Dams. Und weil Programmzeitschriften genau dies leisten, „wird ihre Relevanz eher noch weiter zunehmen“.

Der Trend sind digitale Programmzeitschriften

TvMovieStimmt nicht, widerspricht Mediafrau Ollech. „Warum bloß sollte man noch Geld für eine Programmzeitschrift ausgeben, bieten doch alle wichtigen Printmarken zusätzlich auch ein vielfältiges crossmediales Angebot – und das kostenlos und in Echtzeit?“, fragt sie. Die zunehmende Verbreitung von Smart-TV und digitalen Apps mache es möglich, Infos direkt und personalisiert abzurufen. Folglich werden „die Print-Flaggschiffe immer mehr unter Druck geraten“, sagt Ollech.

So unterschiedlich die Programmies nach Herkunft, Alter, Vertriebsweg und Erscheinungsfrequenz sind, so differenziert sei ihre Rolle als Werbeträger zu bewerten, betont Hannelore Deimel. Auch wenn tendenziell die Auflagen im Sinkflug seien, „entwickeln sich doch einige Titel stabil und die Programmzeitschriften haben als Werbeträger nicht an Bedeutung eingebüßt“, sagt der Head of Print der Agentur Mediaplus. Dass die Zahl der gedruckten TV-Lotsen noch immer so groß und deren Auflage erheblich ist, erstaunt Deimel kaum. „Von im Durchschnitt 82 empfangbaren Sendern werden etwa 15 regelmäßig genutzt. Das schafft eine starke Nachfrage nach Programminformation, um den Überblick zu behalten. Elektronische Guides können das nicht immer so übersichtlich leisten. Selbst von den unter 30-Jährigen nutzen erst 55 Prozent ausschließlich digitale Programmführer.“

Ein Befund, der nicht als Ruhekissen missverstanden werden sollte. „Die rückläufige Auflage zeigt, dass der Kauf einer Programmzeitschrift nicht mehr selbstverständlich ist“, sagt Dirk Engel. Videotext, elektronische Programmführer, Google, Websites – es gibt viele Alternativen. „Die Verlage müssen sich überlegen, was sie verkaufen: Altpapier oder den Service, mehr aus dem Fernsehprogramm herauszuholen. Zum Beispiel, indem sie durch kluge Apps den Zuschauern einen Mehrwert bieten“, so der Mediaexperte. Das Smartphone sei mittlerweile „eine Art zweite Fernbedienung geworden“.