Testanfragen offenbaren mangelhafte Vertriebsprozesse in Speditionen

In der Speditionsbranche ist es kaum möglich, sich über das Kernprodukt zu differenzieren. Die Dienstleistung der Spediteure ist aufgrund der Vielzahl an Anbietern austauschbar und somit ein Commodity-Produkt. Zusätzlich herrscht im fragmentierten Speditionsmarkt hoher Wettbewerbsdruck. Um diesen standzuhalten, bieten viele Spediteure zusätzliche Dienstleistungen an. So entwickeln sie sich zu breit aufgestellten Logistikdienstleistern. Die „Global Forwarding Mystery Shopping Study“ der Strategieberatung Simon, Kucher und Partners zeigt, dass sich Spediteure im reinen Verkaufsprozess noch deutlich verbessern können. Bei acht führenden Speditionen in neun unterschiedlichen Ländern wurden im Rahmen der Studie Testanfragen durchgeführt. Ergebnis: Über die Hälfte der Aktivitäten werden als mangelhaft bewertet. Bei vier von den sechs Aktivitäten ist in Sachen Differenzierung noch viel Luft nach oben.

Zwar haben alle kontaktierten Spediteure die Informationen zu den Sendungen aufgenommen, allerdings zeigten sich Unterschiede in der Vorgehensweise. In den meisten Fällen wurde der Tester gebeten, die Sendungsdetails schriftlich an den Vertriebsmitarbeiter zu schicken. Das Telefonat diente der Spedition also nur zur ersten Kontaktaufnahme und der Übermittlung der E-Mail-Adresse. „Die Chance, direkt ein aktives Verkaufsgespräch zu führen, ist so vertan“, sagt Studienleiter Frank Hälsig. Gut abgeschnitten haben die meisten Speditionen in Bezug auf aktives Cross-Selling der Luft- und Seefracht. So war es bei jeder Anfrage möglich, die kombinierte Angebotsanfrage für beide Frachtwege an den gleichen Vertriebsmitarbeiter abzugeben. Allerdings versandten später einige Speditionen das Luft- und Seefrachtangebot kombiniert, andere schickten separate Angebote. Im schlechtesten Fall wurden getrennte Dokumente von verschiedenen Ansprechpartnern gesandt.

Des Weiteren wurde beurteilt, ob die Speditionen während des telefonischen Kontaktes auch einen Schritt weiter gehen und die Kundenbedürfnisse aktiv berücksichtigen. Nur in rund einem Drittel der Telefonate wurde nach den Bedürfnissen und Wünschen des Kunden gefragt. Ein weiteres Indiz dafür, dass in den meisten Fällen keine Verkaufsgespräche geführt werden. Auch bei den folgenden drei Aktivitäten spielt dieser zentrale Schwachpunkt eine große Rolle. Hier wurde überprüft, welche konkreten Leistungen und Werte die Spediteure verkaufen. Betont der Anbieter seine Vorzüge? Stellt er alternative Produkte vor? Offeriert er höherwertige Produkte? Nur in jedem achten Telefonat wurde etwas zu diesen Produkten erläutert. Noch seltener wurde das Premiumprodukt angeboten oder die Vorteile der Spedition und ihrer Produkte gegenüber dem Wettbewerb hervorgehoben. „Leider nutzen Spediteure hier wieder ihre Möglichkeiten nicht. Dabei können sie insbesondere bei diesen Aktivitäten für eine positive Wahrnehmung ihrer Dienstleistung sorgen“, sagt Hälsig.

Philipp Biermann, Partner bei Simon-Kucher, fasst die Ergebnisse der Studie wie folgt zusammen: „Viel zu häufig bleibt jegliche Möglichkeit der Kundenberatung vollkommen außen vor, da das Kundengespräch nicht gesucht wird, sondern im Gegenteil vom Vertriebsmitarbeiter eher möglichst zügig beendet wird.“ Die Speditionen könnten dieses Verhalten sehr einfach ändern und Vertriebsprozesse und -kompetenzen optimieren. Durch die Betonung der Rolle des Vertriebs in der Unternehmenskultur sowie Schulungen des Personals und finanzielle Anreize könne der Vertrieb für die genannten Value Selling-Aktivitäten sensibilisiert werden. Diese Investitionen lohnen sich nach Überzeugung der Unternehmensberater: Spediteure können sich so viel klarer vom Wettbewerb abgrenzen.

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