Telekom-Marketer Schwingen ist Deutschlands bester CMO

Mit Hans-Christian Schwingen gewinnt ein Marketer die Auszeichnung, der in der Branche eher bescheiden auftritt – beim Markenumbau jedoch um so konsequenter vorgeht.
Hans-Christian Schwingen von der Telekom

Von Christine Mattauch

Den Schriftzug „T-Mobile“ auf dem rechtsrheinischen Bonner Hochhaus ließ er in einer Nacht- und Nebel-Aktion abmontieren. Da wussten seine Kollegen, dass er es ernst meint mit der Abschaffung der zahllosen Submarken, von T-Systems bis T-Home. Und der damaligen Deutschland-Chef Tim Höttges, heute Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, hatte seinen besten Champagner verwettet: Er hatte dem neuen Marketing-Chef den Logo-Abbau nicht zugetraut.

Telekom mit höchstem Marktwert

Seither hat Hans-Christian Schwingen bewiesen, dass er noch viel mehr kann als heimlich Kräne bestellen. Nicht von ungefähr hat die Telekom heute den höchsten Markenwert ihrer Geschichte. Beim Wettbewerb CMO of the Year wurde Schwingen in diesem Jahr als Sieger gekürt. Er warf damit die übrigen Top-Nominierten Ola Kälenius (Daimler), Stefan Magel (Penny), Adalbert Lechner (Lindt) und Uwe Hellmann (Commerzbank) aus dem Rennen.

Den Preis vergab die Münchner Agenturgruppe Serviceplan gestern zum dritten Mal im Rahmen ihres Innovationstages. „Vor acht Jahren wären wir nie auf die Idee gekommen, jemanden von der Telekom auf irgendeine Preisliste zu setzen“, hieß es intern in der Jurysitzung. Ein Image als verstaubter Beamtenladen, Markenwildwuchs und die zunehmende Komplexität einer Branche, in der die digitale Revolution für hohes Innovationstempo sorgt: Das war das, was Schwingen bei Jobantritt vorfand. Der Betriebswirt räumte auf. „Schwingen hat die Fähigkeit, aus strubbeligen Anfängen etwas Großes zu machen“, sagte Gruner+Jahr-Chefin Julia Jäkel in ihrer Laudatio im Kaisersaal der Münchner Residenz.

Weit mehr als klassische Telefonie

Er etablierte das „T“ als Erkennungsmerkmal und definierte den Markenkern neu. Nichts verdeutlicht den Wandel im Selbstverständnis besser als die Historie der Claims: Von „Ruf doch mal an“ (1990) über „Clever wählen“ (2003) zu dem von Schwingen etablierten „Life is for sharing“ („Erleben, was verbindet“). „Im Kern der Marke steht heute das menschliche Miteinander“, sagt er. „Erfahrungen aus dem Neuromarketing helfen uns bei der Analyse, ob wir das treffen.“ Für die Zukunft verordnet er dem Unternehmen, beim Service noch besser zu werden. Das Produkt umschließt heute weit über klassische Telefonie hinaus die gesamte Online-Palette, vom internetbasierten Fernsehen bis zur Smart-Home-Anbindung via Cloud. Neuerdings experimentiert Schwingen mit vernetzter Kleidung. „Es ist einer der wettbewerbsintensivsten Märkte, in dem ständig die Marke erneuert werden muss“, sagte Jurysprecher und FAZ-Geschäftsführer Thomas Lindner der Absatzwirtschaft. „Schwingen hat eine ganze Reihe Highlights gesetzt und trotzdem die Erkennbarkeit der Marke gesichert“.

„An seine Karriere sollte man unverkrampft gehen“

Zur Enttäuschung seiner Eltern, die sich einen Architekten gewünscht hätten, hatte sich der gebürtige Kempener zu einer Karriere als Werber entschieden. Bei der damaligen Hamburger Top-Agentur Springer& Jacoby war er bereits mit 32 Jahren Geschäftsführer. Dann wechselte er 1999 auf die Kundenseite, zu Audi, und verantwortete dessen Imagewandel von Garagenwagen zur sportlichen Edelkarosse, bis er 2007 bei Audi anfing. Nur drei Arbeitgeber in 25 Berufsjahren, das ist ungewöhnlich in der Branche, aber Schwingen steht dazu. „Es ist Unsinn zu glauben, man müsse alle zwei bis drei Jahre den nächsten Berufsschritt machen“, sagt er 2011 in einem Interview. „An seine Karriere sollte man unverkrampft gehen“.