Social Media allein ist zum Markenaufbau ungeeignet

Es vergeht kaum ein Tag, an dem keine Sensationsmeldungen über Fanzahlen von Marken oder Prominenten verkündet werden. Doch welchen konkreten Nutzen hat die Marke davon? Die Social-Media-Studie „Beyond the Digital Hype“ der Managementberatung Brand Trust und des E-Commerce-Centers Handel zeigt wenig überzeugende Werte für die Kauf- und Weiterempfehlungsbereitschaft der Fans: Nur 32,5 Prozent der befragten Online-User würden bei entsprechendem Bedarf auf jeden Fall ein Produkt „ihrer“ Marke erwerben. Die „Auf-jeden-Fall“-Weiterempfehlungsrate der Marke an Freunde liegt bei schwachen 30,2 Prozent. Auch die Mehrzahl der von Brand Trust interviewten Experten (55 Prozent) attestiert der Fanzahl keine Aussagekraft über die Marke.

Was für Marken dagegen wirklich zählt, ist nach Überzeugung von Studien-Initiator und Brand Trust Geschäftsführer Klaus-Dieter Koch die echte Bereitschaft der User, ihre persönliche Reputation im Netz zu riskieren und eine Marke tatsächlich weiterzuempfehlen. „Mit dem Anklicken eines ‚Like’-Buttons ist dies längst nicht geschehen“, sagt Koch. Was viele Online-Protagonisten nicht gerne hören werden, belegt die Studie ebenfalls: Offline-Quellen geben noch immer den stärksten Kaufimpuls. Mit 76 Prozent steht die Beratung im Geschäft weiter an erster Stelle der präferierten Informationsquellen, die auch den Ausschlag für den Kaufakt liefern. Es folgen Empfehlungen von Freunden und Bekannten (72,3 Prozent). Auch der Blick in die Begründungen, warum User Fans von Marken und Unternehmen wurden, lässt den Schluss zu, dass Offline-Erfahrungen und Kontakte vorausgegangen sein müssen. „Online braucht Offline zum Markenaufbau“, betont Koch. Denn viele der Inhalte, über die online diskutiert oder gevotet wird, hätten offline stattgefunden. Hierzu gehörten Events genauso wie das Nutzungserlebnis von Produkten oder der Kaufakt selbst.

Bei der Frage nach der Vertrauenswürdigkeit von Informationsquellen kommen die Top-Nennungen aus der Offline-Welt: persönliche Empfehlungen (38,5 Prozent) und Testberichte in Zeitschriften (28,3 Prozent). Erst an dritter Stelle stehen unabhängige Testberichte in Online-Medien (22,5 Prozent). Facebook-Fanseiten von Marken und Unternehmen werden von nur 4,4 Prozent der Befragten als sehr vertrauenswürdig eingestuft. Sie nehmen damit einen ähnlichen Stellenwert wie TV-, Radio- oder Printwerbung ein (3,8 Prozent). Haupttreiber für aktive Beiträge sind der Studie zufolge positive Erlebnisse. Somit können Markenmanager durchatmen, die um den Kontrollverlust über ihre Marken fürchten. Zu Unrecht hatten 45 Prozent der befragten Berater, Online-Unternehmer sowie Social-Media-Verantwortlichen in Unternehmen vermutet, negative Erlebnisse oder Entschädigungswünsche sei die Hauptmotivation für das Veröffentlichen von Beiträgen. Dem ist laut Studie nicht so: Mit riesigem Abstand geben positive Markenerfahrungen, die man mitteilen möchte, den Impuls für die Erstellung eines Beitrags oder Kommentars in den sozialen Medien (68,1 Prozent). Es folgen Gewinnspiele (40,9 Prozent), Fragen zu Problemlösung (23,4 Prozent) und positives Feedback zu Marketingkampagnen (22,8 Prozent). Erst jetzt kommen die negativen Erfahrungen: Sie teilen sich den fünften Platz (21,9 Prozent) mit dem Motiv, die Verbundenheit mit der Marke ausdrücken zu wollen.

Der User nutzt Online-Kanäle selektiv und hat entsprechende Erwartungen: Auf die Frage „Wollen Sie, dass Marken über Social Media direkt mit Ihnen kommunizieren?“, sind 56,3 Prozent ablehnend. Allerdings wird von 45,7 Prozent erwartet, dass man Marken über Social Media direkt ansprechen kann. Und längst nicht jeder, der regelmäßig in Social-Media-Kanälen unterwegs ist, kommuniziert aktiv: 73,6 Prozent geben an, bisher keinerlei Beiträge veröffentlicht zu haben, darunter fallen Videos, Fotos und Statusmeldungen. Wenn der Bezug zu einer bestimmten Marke hergestellt wird, wächst die Zahl der Aktiven: 41 Prozent haben schon einmal einen Beitrag auf einer Social-Media-Plattform eines Unternehmens oder einer Marke kommentiert. Um größere Reichweite erzielen und virale Effekte nutzen zu können, muss der User vom passiven Leser zum Mitmacher aktiviert werden. „Der Social Media Nutzer erwartet Mehrwert in Form von relevanten Themen. Und die dürfen gerne schwarz oder weiß sein, denn über grauen Durchschnitt redet niemand – schon gar nicht im Netz“, kommentiert Markenexperte Koch.

Die Studie zeigt, dass Facebook und Google+ die mit Abstand aktivsten User haben. 83,9 Prozent geben an, die Kanäle regelmäßig aktiv zu nutzen. Überwiegend passive Nutzer verzeichnen Videoplattformen wie Youtube oder Myvideo (27,4Prozent aktiv, 76,2 Prozent passiv), sowie Foren wie Gutefrage.net und Chefkoch.de (24,3 Prozent aktiv, 65,6 Prozent passiv). Unter den Status „Angemeldet und nie genutzt“ fallen insbesondere Microblogs wie Twitter (11,9 Prozent aktiv, 22,1 Prozent passiv, 79 Prozent ungenutzt) oder Fotoplattformen à la Flickr (9,9 Prozent aktiv, 26,5 Prozent passiv, 75,2 Prozent ungenutzt).

Was aber motiviert Menschen, in Blogs, Foren oder sozialen Netzwerken über Marken zu lesen? Es ist laut Studie nicht die Marke an sich, die die höchste Anziehungskraft ausstrahlt. Im Fokus steht mit deutlichem Abstand das Thema (69 Prozent). Erst auf dem zweiten Rang folgt das Interesse an Marke oder Produkt (55,8 Prozent). Koch erklärt hierzu: „Social Media ist keine neue Religion, sondern ein zusätzlicher, spannender Beziehungs- und Verkaufskanal, der nicht nur für iPad-Verlosungen zur Fan-Gewinnung bespielt werden sollte.“ Die schlechten Vertrauenswerte zeigten, dass Markenverantwortliche die Forderung der User nach Transparenz und Offenheit noch nicht ausreichend erfüllen. Dass die Online- und Offline-Kanäle in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch enger miteinander verbunden sein werden, sagen fast 40 Prozent der für die Studie befragten Experten. Kochs Fazit: „Der umfassend authentische Auftritt einer Marke wird deshalb unumgänglich sein, um weiterhin glaubhaft zu bleiben.“

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