Virtual Reality: Buhlen um das Premium-Segment

Der Virtual Reality-Markt entwickelt sich gerade rasant und es wird Zeit, eine Schneise in den Dschungel der Unkenntnis zu schlagen: Das sind die Anbieter, die Zeitpläne und die Technologien, mit all ihren Problemen und Vorzügen

Die Oculus Rift kommt zu Mediamarkt. Es war ein Paukenschlag, mit dem die von Facebook gekaufte VR-Firma ihre Jünger Anfang des Jahres überraschte. Ursprünglich war man davon ausgegangen, dass die Oculus nur im Versandhandel erhältlich sei. Seit einem halben Jahr werden Vorbestellungen entgegen genommen und wer heute bestellt, muss sich auf einen Liefertermin im Juli einstellen. Und wie geht das zusammen mit einer Positionierung im stationären Handel? Tatsächlich war die Ankündigung von Oculus-Mitgründer Brendan Iribe nicht ganz eindeutig. Er wolle international mit dem Handel zusammenarbeiten und er wolle ab April den Handel beliefern. Ob tatsächlich deutsche Händler dabei sind, ist fraglich. „Da kommt man sich doch verarscht vor“, kommentiert ein Kunde, der online bestellt hat und dem ein Liefertermin im Juni angekündigt wurde. „Die sollen erstmal alle Leute beliefern die das Teil schon bestellt haben“.

Ein paar Firmen noch in der Entwicklungsphase

Die „Road to VR“ ist eine Geschichte voller Ankündigungen, Verschiebungen und Enttäuschungen. Zumindest, wenn man die beiden Platzhirsche HTC/Valve und Oculus betrachtet. Beide buhlen um das Premium-Segment. Die Brillen sollen in den USA zwischen 700 (Oculus Rift) und 800 (HTC Vive) Dollar kosten. Sie bieten die beste Bildqualität (2160 x 1200 Pixel) haben integrierte Kopfhörer die auch Sound räumlich darstellen können und sie verfügen über jede Menge Sensoren, die Bewegungen einfangen. Kopfbewegungen vor allem, aber auch die der Hände. Damit letzteres besser funktioniert, veröffentlichten beide Anbieter auch Controller, die komplexere Steuerungsprozesse erlauben. Bei HTC sind sie fertig, bei Oculus kommen sie im Sommer. Die Unterscheidung beider Brillen ist eher eine Glaubensfrage. Oculus wird dank der hohen Popularität vermutlich mehr Software- und Spieleentwickler hinter sich vereinen. HTC liefert sein Headset mit einer Kamera aus, die sowohl den Raum als auch Gesten erkennen kann. Das Feature war den Entwicklern so wichtig, dass im Herbst ein Produktionsstopp eingelegt wurde, um die Kamera in die Serie einzubauen. Hinter HTC/Valve und Oculus positioniert sich Sony mit seinem Projekt Morpheus. Heute firmiert die Brille unter Playstation VR und soll im Herbst in den Handel kommen. Sie hat eine geringere Auflösung und wird vorrausichtlich günstiger. Wo die Reise hingeht, zeigt eine Akquisition: Sony erwarb letzten Herbst mit SoftKinetic eine der besten Hightech-Schmieden in Sachen Gestenerkennung.

Aus Kanada gibt es mit Totem und deren Produkt Vrvana einen weiteren Wettbewerber, der ebenfalls in der Entwicklungsphase steckt. Das Headset bekommt gleich zwei HD-Kameras. Aus Japan kommt die Fove, ein Kickstarter-Projekt eines ehemaligen Sony-Ingenieurs. Das besondere Merkmal ist Eyetracking. Durch Feststellung des Fokuspunktes der Pupillen kann die Brille den restlichen Inhalt weniger scharf darstellen und dadurch Rechenleistung sparen. Und dann wäre da noch das ehrgeizig gestartet OpenSource Projekt OSVR. Hier gibt es bereits seit Oktober 2015 ein Entwickler-Kit zu bestellen und das für 300 Euro.

Pseudo VR und Augmented Reality

Wortgewaltig hat sich OSVR auf die Fahne geschrieben, die Technologiewelten Virtual und Augmented Reality zu harmonisieren und vor allem Entwicklern die Zusatzarbeit der Portierung auf unterschiedliche Endgeräte zu ersparen. Ein schönes Ziel mit eher wenig Aussicht auf Erfolg. Die Hersteller werden sich ihre Entwicklungskosten versilbern wollen. Das mit der Harmonisierung von AR und VR geht aber voran. Sobald das Headset über eine Kamera verfügt ist auch mit einem echten VR-Kopfgeschirr (also den lichtdichten „Scheuklappen“) Augmented Reality möglich. Die reale Umgebung wird einfach von der Kamera erfasst, per Software angereichert und das gemischte Signal landet dann auf dem Bildschirm. Das kann zum Beispiel die mit 100 Euro günstige VROne von Zeiss. Sie hat kein eigenes Display sondern arbeitet mit einem Smartphone, dass vor optische Linsen geklemmt wird. Die Steuerung der Apps erfolgt durch eine Erkennung der Pupillenbewegung. Die Qualität der optischen Darstellung ist nur ein Baustein im komplexen Konstrukt VR. Ebenso wichtig für ein realistisches Benutzungsgefühl ist die verzögerungsfreie Erkennung von Bewegungen, zumindest von Kopfbewegungen. Das können die Smartphones alle nur mäßig, daher liefert Zeiss inzwischen einen zusätzlichen Bewegungssensor. Damit wird die Brille sogar teurer als die Konkurrenz Galaxy VR Gear von Samsung. Die hat bereits einen zusätzlichen Bewegungssensor an Bord und wird zur Zeit zusammen an Käufer des neuen Galaxy 7 verschenkt.

Unter diesen beiden Headsets tummeln sich noch eine Reihe weitere, die alle nur als Gestelle für Smartphones fungieren. Das beginnt bei der faltbaren Papp-Halterung von Google, dem CardBoard und geht bis zur Homido-Brille für rund 70 Euro. Dem Vernehmen nach arbeitet Google gerade selbst an einer Luxusvariante der Smartphonehalterung. Eine eigene VR-Abteilung hat man bereits aufgebaut.

Augmented-Reality-Ansatz von Microsoft

Davon klar zu unterscheiden ist der Augmented-Reality-Ansatz von Microsoft. Bei der HoloLens, die in diesen Tagen bei den ersten Entwicklern landen dürfte, handelt es sich um eine übergroße Sonnenbrille. Sie erlaubt den Blick auf die wirkliche Welt, kann aber auf dem Glas der Brille Zusatzinformationen anzeigen. Das reicht von einfachen Wetterdaten bis zum bildschirmfüllenden Video. All das eben, was bei Google Glass schon diskutiert wurde. Die relativ einfache Aufbereitung der Inhalte wird bei Augmented Reality dafür sorgen, dass das Marktwachstum schneller von statten geht, als bei VR. Experten erwarten hier auch mehr Potenzial für Monetarisierung. Immerhin kann jedes Smartphone ein wenig AR, dank Kamera-Display-Kombination. Ravensburger verkauft längst Puzzle mit AR-Erweiterung. Google hat angekündigt, eine der nächsten Android-Versionen grundlegend mit AR- und VR-Technik auszurüsten. Aus Sicht des Marketings stellt sich die spannende Frage, wie weit der Grad der Immersion geht, den eine Lösung wie die HoloLens erreichen kann. Immersion, also die Eintauchtiefe in virtuelle Inhalten und Welten, steht stellvertretend für das emotionale Potenzial des jeweiligen Systems. Und hier ist es ein Irrglaube zu denken, nur Virtual Reality kann einen hohen Grad an Immersion auslösen. Jeder, der mal bei einem Film oder einem Buch eine Träne verdrückt hat weiß, dass die Qualität der Story entscheidet, ob der Nutzer auf die Inhalte fokussiert und seine Umgebung ausblendet. Scheuklappen helfen, sind aber nicht unverzichtbar.

Und Microsoft hat verdammt starke Inhalte auf seiner Seite. Die AR-Demonstration vom Spielegiganten Minecraft lässt vermutlich kaum einen Jugendlichen unberührt. Und da die HoloLens auf Windows 10 aufsetzt, steht jetzt schon ein riesiges Arsenal an Anwendungen zur Verfügung. Aber auch die Windows-Company sieht sich einem großen Wettbewerber ausgesetzt. Der heißt Magic Leap, kommt aus Florida, wurde soeben von Alibaba, Google und anderen mit fast einer Milliarde neuen Wagniskapitals ausgestattet und glänzt vor allem durch Geheimhaltung. Die Demovideos von Walfischen, die durch Turnhallenböden brechen, sind so schön wie nichtssagend. Klar ist nur, dass es um Augmented Reality geht, dass man eine Fabrik gebaut hat, die Displays herstellen kann, und dass der Gründer Ronny Abovitz behauptet, man arbeite an einer Lösung, die Computerinhalte so präsentiert als wäre kein Computer da.

Vielleicht aber braucht man in naher Zukunft auch gar keine Brille mehr. Der Nachrichtendienst Mashable berichtet, dass Forschern in Australien ein Durchbruch gelungen sein bei der Entwicklung von Displays in Form von Kontaktlinsen. Die Stromspeisung erfolgt auf Grundlage einer chemischen Reaktion mit Tränenflüssigkeit, zitiert Mashable den verantwortlichen Forscher Drew Evans.