„Schaf“ nachgedacht: Eine abgegraste Idee für den EM-Spot von Burger King

Zur EM tischen die Werber von Grabarz und Partner für Restaurantkette Burger King mit dem "Mannschafts-Whopper" ein Stück Fußballgeschichte auf. Die pflanzlichen Zutaten für den limitierten Burger sind nämlich auf einem Stück des heiligen Rasens von Wembley gewachsen. Was bereits als Kreativ-Scoop gefeiert wird, riecht ideentechnisch allerdings ziemlich angegammelt. Denn das Konzept ist eine freche Kopie
Original und, ähm, Nachahmung: preisgekrönter Spot "Grazed on Greatness" von 2012 (re.) und die kreative Resteverwertung bei der Burger King-Werbung zur Fußball-EM

Gibt es eigentlich ein Verfallsdatum für Werbeideen? Und wie halten es Top-Werber (und ihre Kunden) mit dem Urheberrecht? Das verbreitete Vorurteil, wonach nirgends so viel und dreist „geklaut“ wird wie in der Werbung, dürfte jedenfalls durch den EM-Spot von Burger King neue Nahrung erhalten.

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Zur Fußball-Europameisterschaft haben sich die Werber von der Agentur Grabarz und Partner – vermeintlich – etwas ganz Verrücktes ausgedacht und – ebenfalls vermeintlich – einen genialen Social Media-Spot als Hommage an den Aberglauben der Fans kreiert. Mit dem Mannschafts-Whopper will der Burger-Brater ein ganz besonderes Genusserlebnis für Hardcore-Fans auf den Teller bringen: ein Stück EM-Geschichte. In Essex (den Namen haben sich die Werber nicht ausgedacht) in England hat die Agentur Dave Davis ausfindig gemacht, der das längst abgerissene Wembley-Stadion in seinem Garten am Leben hält, genauer gesagt: den heiligen Rasen aus eben jener Arena. Davis hat sich ein Stück des Belags gesichert, auf dem 1996 Oliver Bierhoff das Golden Goal zum Europameistertitel kickte, es quasi umgetopft und zum Verkauf weitergezüchtet. Ein Stück dieser Wiese hat sich nun Burger King zu eigen gemacht, um es mit Kopfsalat, Tomaten und Zwiebeln zu bepflanzen – eben für diesen limitierten Mannschafts-Whopper, dessen Verzehr 96 Fans gewinnen können. Eine skurrile, aber originelle Idee – denkt man.

Doch irgendwie… ja irgendwie… Ach, nee. Diese Idee, für die Grabarz-Kreativdirektor Ralf Heuel auf sich und sein Team total stolz ist, kommt einem nicht unbedingt bekannt vor. Ein Vorbild (um es mal vorsichtig zu formulieren) könnte sie aber dennoch haben – in Australien!

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Am anderen Ende der Welt ist die Ballsportart Cricket ungefähr genauso beliebt wie Fußball in Europa. Und freilich sind auch große Momente entstanden. Diese hat der Bekleidungsausstatter der australischen Nationalmannschaft, M.J.Bale, quasi in einer Anzugkollektion festgehalten. Dieser hat auf Rasenstücken des Sidney Cricked Ground Merino-Schafe grasen und aus der besonders hochwertigen Wolle Männergarderobe fertigen lassen. Was für eine Idee!

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Dass Heuel und seinem Team die Idee bislang unbekannt war, ist allerdings unwahrscheinlich. Die Kurzdoku „Grazed on greatness“ war nämlich 2012 für einen Löwen in Cannes nominiert und räumte beim damaligen Kreativ-Festival sogar ab, und zwar nicht zu knapp: zwei goldene, drei silberne und einen bronzenen Löwen. Die Ähnlichkeit der beiden Spots bezüglich der Idee und der Dramaturgie ist so enorm, dass es eine gewisse Stillosigkeit ist, dass die Hamburger Werber von Grabarz und Partner ihr Recycling nicht kenntlich gemacht und auf das Orignial der Agentur Whybin/TBWA hingewiesen haben.

Verglichen mit der Merino-Schaf-Kampagne von 2012 kann die 2016er-Version der Hamburger Werbeschmiede genau genommen nicht ganz mithalten: Denn während jedem der Zusammenhang zwischen grasenden Schafen und der von ihnen stammenden Wolle sofort einleuchtet, ist nicht ganz klar, wie der Wembley-Rasen zu Salat und Tomaten wird. Konsequenterweise hätte der Grabarz-Spot darauf angelegt sein müssen, dass die nicht die Zutaten, sondern das Burgerfleisch von Rindern stammt, die das Wembley-Grün verdaut haben. Dann allerdings hätten vermutlich Tierschützer Burger King eins übergebraten und die Kampagne wäre nach hinten losgegangen. So nahm man wohl den kleinen logischen Bruch in der Story billigend in Kauf – bei einer bereits vier Jahre alten Spot-Idee fällt das aber auch nicht weiter ins Gewicht.