Risikoscheues Marketing für Finanzprodukte

Die Bereitschaft zum Risiko sinkt nach der Finanzkrise derzeit auf Tiefstwerte. Das nutzt auch das Marketing längst: Bei altbekannten Finanzprodukten, die früher mit Renditeversprechen vermarktet wurden, steht auf einmal in den Kampagnen der Sicherheitsaspekt im Vordergrund – auch wenn sie sich unter diesem Label gar nicht innerlich verändert haben.

Von Ludger Steckelbach

Samstags spielen wir Lotto, doch die Woche über verhalten wir Deutschen uns risikoscheu. Samstags amüsieren wir uns im Kino über die gemütlichen Hobbits, die Woche über legen wir unser Geld ähnlich an. Sind wir durch die Finanzkrise zu einem einig Volk von Hobbits geworden? Die Fondsgesellschaft Union Investment hat jedenfalls im Herbst brisante Umfrageergebnisse zum Thema Risiko veröffentlicht. Tenor: Gegenüber den Vorjahren hat der Aspekt „Sicherheit“ noch einmal stark an Bedeutung gewonnen. Mit dem Höchstwert 83 Prozent – 2007 lag er noch bei 22 Prozent! – ist die Sicherheit der wichtigste Aspekt bei der Anlageentscheidung, deutlich vor der Rendite mit neun Prozent und der Liquidität mit acht Prozent. Der in den Vorjahren recht konstante Anteil spekulativer oder chancenorientierter Anleger ist nahezu verschwunden. Alle stürzen sich auf die vermeintlich sicheren Anlagen!

Risikoverhalten der Anbieter nahezu unverändert

Der Marktführer DWS, Ableger des Branchenprimus Deutsche Bank, trifft deshalb mit seiner aktuellen Printkampagne für seinen Fondsklassiker „DWS Deutschland“ den Nerv der Zeit: Die Abbildung einer Frau und die offene Ansprache des Themas Risiko suggerieren ein Gefühl des Vertrauens und der Sicherheit. Der beworbene Fonds fiel jedoch beispielsweise im Sommer 2011 von 122 Euro auf 79 Euro, ist also insofern nicht gerade ein Musterbeispiel an Konstanz. Geschicktes Marketing also, denn: Insgesamt hat sich das Risikoverhalten der Anbieter bisher kaum gewandelt.

Die Studie der Union Investment berichtet: Modelle, die rechtliche, politische und demografische Risiken, Umwelt, Reputations- und Ereignisrisiken berücksichtigen, befänden sich noch in den Kinderschuhen. „Die Einbeziehung solcher Risiken in Finanzrisikomodelle ist bisher wenig entwickelt und stößt mangels theoretisch-ökonomischer Modelle und Datenverfügbarkeit an Grenzen“, so die Experten.

Risikomodelle ohne Berücksichtigung aktueller Ereignisse

Die entscheidenden Ursachen für Finanzkrisen werden auch heute nicht berücksichtigt! Ereignisse wie die Flutkatastrophe in Fukushima, die neue Bankenregulierung oder das Steuerabkommen mit der Schweiz gehen nicht in diese Risikomodelle mit ein. Hinzu kommt, dass man bereits seit 1963 weiß, dass Finanzmarktrenditen nicht normalverteilt sind, wie zahlreiche Modelle der Einfachheit halber aber dennoch weiterhin annehmen.

Die DWS nutzt die aktuelle Risikoaversion der Deutschen jedenfalls geschickt, um ein altes Produkt zeitgemäß zu vermarkten. Mit einem stolzen Volumen von 2,7 Milliarden Euro Anlagevermögen genießt der Fonds reichlich Vertrauen der risikoscheuen deutschen Anleger. Denn einerseits wollen wir in Freizeit und Werbung mit Spannung unterhalten werden, andererseits aber beim Geld Sicherheit versprochen bekommen.