„Qualitätsjournalismus ist nicht nur Print“

Kerstin Weng war eineinhalb Jahre Chefredakteurin der deutschen „Cosmopolitan“, bevor sie zum Mode-Start-up „Stylight“ wechselte. Sie glaubt fest an die Zukunft des Journalismus, aber nur, wenn man die verfügbaren Daten richtig nutzt, um sein Angebot ständig zu optimieren und an den Leser anzupassen. Ob puristische Abo-Modelle im Netz überleben, hält sie für fragwürdig
Stylight ist Modemagazin und Onlineshop. Für Chefredakteurin Kerstin Weng ist die enge Zusammenarbeit mit dem Analytics Team eine Grundvoraussetzung für erfolgreichen Onlinejournalismus.

Das war eine der spannendsten Personalien des Jahrs 2014: Kerstin Weng tauschte die machtvolle Position als Chefredakteurin der deutschen „Cosmopolitan gegen die unsichere Zukunft in einem Mode-Start-up. Zu ihrem Abgang kritisierte sie die Sparpolitik der großen Verlage scharf. Dabei hatte ausgerechnet Weng dafür gesorgt, dass sich die Auflage des Modeflaggschiffs wieder erholte. Gemessen am katastrophalen ersten Quartal 2013 gelang Weng und ihrem Team zwischenzeitlich eine Auflagensteigerung von fast 20 Prozent.

absatzwirtschaft sprach mit Kerstin Weng über die Hoffnungen, die sie in das neue Geschäftsmodell bei „Stylight setzt.

Frau Weng, haben Sie den Wechsel von „Cosmopolitan“ zu „Stylight“ schon bereut?

KERSTIN WENG: Nein, im Gegenteil. Es ist eine unglaublich spannende Aufgabe, ein Magazin aufzubauen, wie es sich Leserinnen heute wünschen. Mit unseren Inhalten und unserem Schreibstil treffen wir genau ihren Nerv, nutzen Analytics, um genau das zu gewährleisten und zu optimieren. Über unsere inspirierenden Inhalte hinaus bieten wir ihnen genau das passende Shoppingangebot. „Stylight definiert für mich die Zukunft der Mode- und Lifestyle-Magazinwelt.

Beim Antritt bei „Stylight“ kritisierten Sie die Sparmaßnahmen der Printverlage. Haben Sie heute mehr Mittel zur Verfügung?

WENG: Ja. Wir sind das am schnellsten wachsende Onlinemagazin Deutschlands. Wir haben ein starkes Team und konnten zuletzt die Grazia-Redakteurin Stephanie Morcinek als Leitung für unser Moderessort gewinnen. Damit sind wir sehr gut aufgestellt und können unser redaktionelles Angebot für unsere Leserinnen weiter ausbauen.

Macht „Stylight“ Qualitätsjournalismus?

WENG: Natürlich. Qualitätsjournalismus ist nicht nur Printmedien mit mehrseitigen Reportagen vorbehalten. Wir haben ausgebildete Journalisten und arbeiten mit namhaften Freelancern zusammen. Wir veröffentlichen nur selbst geschriebene und gut recherchierte Geschichten – und wir wissen, was unsere Userinnen lesen möchten.

Was fällt Kerstin Weng zum Schlagwort Native Advertising ein?

WENG: Redaktionell gestaltete, natürlich eingebettete Werbung, die dem Leser Inhalte bietet, die ihn wirklich interessieren. Und damit ist sie auch für die Werbetreibenden hoch interessant. Hier haben wir schon einige erfolgreiche Kampagnen umsetzen können, greifen dabei auf unser eigenes kreatives Redaktions- und Videoteam zurück und bleiben dabei ehrlich und transparent. Das Werbeformat hat für uns klar Zukunft – und mit unserer neuen Head of Advertising & Sales Simone Spiering werden wir das noch weiterentwickeln.

Content Marketing galt lange als Hilfsmittel, um besser bei Google gerankt zu werden. Sie wollen sich dadurch unabhängig von Google machen. Wie genau?

WENG: Hochwertiger Content, wie ihn unser Magazin bietet, ist ein Kernteil unseres Geschäftsmodells und weit mehr als nur ein hilfreiches Mittel, besser in Google zu ranken: Bei „Stylight geht es um „shoppable Inspiration“. Mit unserem Magazin bieten wir unseren Leserinnen spannende Artikel von Mode über Lifestyle bis Beauty. Unsere Leserinnen finden bei uns inspirierende Inhalte, die ihnen helfen, ihren ganz persönlichen Style für sich weiterzuentwickeln. Wir gewinnen sie als Stammkundinnen, die uns regelmäßig besuchen, sich bei uns informieren und bei „Stylight shoppen – auch über unsere Apps.

Wird es redaktionelle Modelle im Netz geben, die nur von Werbung oder Paid Content leben können, oder gehört Verkaufen heute einfach dazu?

WENG: Das wird die Zukunft zeigen. Wir glauben an unser Modell, das hochwertige redaktionelle Inhalte mit passenden Shoppingangeboten verbindet und hierdurch gleichzeitig ein attraktives Werbeumfeld bietet.

Gibt es genügend Analytics-freudige Journalisten, ausgerechnet in der Modebranche?

WENG: Ich würde es anders sagen: Technisches Analyse-Know-how hilft, die Interessen und Informationsbedürfnisse der Leser zu identifizieren und messbar zu machen. Aber nach wie vor geht es beim Schreiben um Kreativität, und die haben unsere Modejournalisten. Was uns bei „Stylight auch auszeichnet, ist, dass wir eng im Team mit anderen Inhouse-Experten zusammenarbeiten. Wir haben zum Beispiel ein tolles Business Analytics-Team, das uns bei eben solchen Auswertungen unterstützt.

Kerstin Weng diskutiert am 12. Oktober im Rahmen der ContentWorld mit Frank Dopheide, dem Geschäftsführer der Verlagsgruppe Handelsblatt, über die bisherigen Versäumnisse und die Zukunft der Verlage. Wollen Sie auch in Frankfurt dabei sein? Schicken Sie bis zum 8. Oktober eine E-Mail an fuhrmann@managementforum.com mit dem Betreff „Kerstin Weng auf der ContentWorld“. Wir verlosen zwei Tickets. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.