Proteste häufig überzogen

Der Deutsche Werberat legte gestern seine Bilanz vor. Ergebnis: Von den 305 Werbemaßnahmen, über die das Gremium zu entscheiden hatte, konnten 206 Kampagnen von Kritik frei gesprochen werden. Den Beanstandungen des Werberats folgten die Firmen fast ausnahemlos: 91 Werbekampagnen wurden eingestellt und 5 geändert. Nur drei Mal musste der Werberat öffentlich rügen.

Im Werbejahr 2001 haben sich 694 Bürger und Vertreter gesellschaftlicher Bereiche mit Beschwerden gegen Werbemaßnahmen von Firmen an den Deutschen Werberat in Bonn gewandt. Betroffen von der Kritik waren 421 Werbekampagnen. Die Beschwerdeführer hatten in einem Drittel der umstrittenen Sujets unmittelbaren Erfolg – die Firmen stellten die Werbung überwiegend ein, berichtete der Vorsitzende des Werberats, Jürgen Schrader, am Dienstag, dem 19. März in Berlin. Bei den 206 nicht zu beabstandenen Werbemaßnehmen handelte es sich sogar häufig um überzogene Ansichten der Beschwerdeführer.

Im Mittelpunkt der Kritik stehen immer noch Proteste mit dem unterstellten Vorwurf der Erniedrigung von Frauen. Allerdings mit abnehmender Tendenz. Sie machten im Berichtsjahr 35 Prozent der von Kritik betroffenen Kampagnen aus.

Unterstellte Vorwürfe im Jahr 2001
























































Werbemaßnahmen


Anzahl


Prozent


Frauendiskriminierung


108


35


Gewaltdarstellung


40


13


Verletzung religiöser Gefühle


35


11


Gefährdung von Kindern/Jugendlichen allgemein


21


7


Verletzung Werberats-Regeln Kinder


17


5


Diskriminierung von Personen


8


3


Rassendiskriminierung


8


3


Darstellung gefährlicher Situationen


5


2


Verstoß gegen Werberats-Regeln Alkohol


5


2


andere Inhalte


58


19


Gesamt


305


100

Quelle: Jahrbuch Deutscher Werberat 2002








Überlegungen im Rahmen der anstehenden Liberalisierung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, diskriminierende Werbeaussagen wettbewerbsrechtlich zu regeln, widersprach Jürgen Schrader, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Unilever Bestfoods Deutschland GmbH (Hamburg)in Berlin. „Zusätzliche Vorschriften sind überflüssig, wenn nicht sogar gesellschaftspolitisch schädlich“, so der Werberatsvorsitzende.
Mit der flexiblen Struktur der Selbstregulierung verfüge die Gesellschaft über ein effektives System der Kontrolle.
In diesem Zusammenhang wies Schrader auf die „gegenwärtige Ambivalenz des Verbraucherleitbildes“ in der deutschen und europäischen Politik hin. Einerseits orientierten sich im Zusammenhang mit Werbekampagnen der Europäische Gerichtshof, das Bundesverfassungsgericht sowie der Bundesgerichtshof am aufmerksamen, durchschnittlich informierten, verständigen Konsumenten. Zu diesem Verbraucherleitbild A der Lebenskompetenz stehe im Gegensatz das Verbraucherleitbild B des Fürsorgezöglings. In politischen Projekten verschiedenster Art werde dagegen ein willenloser Mensch unterstellt, der vor Schaden durch seine eigenen unbedachten Handlungen geschützt werden müsse.

Der deutsche Werberat wurde vor 30 Jahren auf Initiative des Europarates gegründet. Die Einrichtung wird von 40 Organisationen getragen, die den Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) bilden. In dieser Zeit wurden von dem Gremium über 5.134 Kampagnen entschieden (insgesamt 9.070 Proteste). Aus Sicht der Beschwerdeführer betrug die Durchsetzungsquote 38 Prozent.

www.werberat.de