Potential für Experimente

Im ersten Teil seines Beitrags zum Thema Corporate Weblogs widmete sich Hartmut Giesen den grundsätzlichen Vorteilen der Blogs für die Marketingkommunikation. In der jetzt vorliegenden Folge geht es um das How-to-do: Unter welcher „Überschrift“ lassen sich Corporate Weblogs führen, welche Inhalte sollten Unternehmen in welcher Frequenz posten, welche Technik ist in welchem Fall geeignet und wie lässt sich der Erfolg messen? Das Credo des Autors: Es lohnt sich zu experimentieren.

Die Frage ist, wie lässt sich ein erfolgreiches Marketing-Weblog mit der Zielgruppe „potenzielle und bestehende Kunden“ führen, das es den personellen und kreativen Aufwand, der auf jeden Fall dahinter steht, rechtfertigt? Relativ einfach ist die Sache, wenn hinter Weblogs reale Personen stehen, zum Beispiel Geschäftsführer oder Entwicklungsleiter, die aus Ihrer Perspektive Neuigkeiten aus dem Unternehmen kommunizieren und gleichzeitig das Markt- und Branchengeschehen um sie herum kommentieren.

Schwieriger wird es, wenn Unternehmen eine derartige Personalisierung nicht wünschen und daher anstreben, ein Blog personenunabhängig als Unternehmensinstrument zu führen. Die ersten Erfahrungen mit Corporate Blogs zeigen, dass sich in diesem Fall Themen- und Know-how-Blogs als viel versprechende Varianten anbieten; vor allem dann, wenn sie in Technologiemärkten oder mit klar umrissenen Kernkompetenzen unterwegs sind.

Know-how- und Themen-Blogs
Know-how- und Themen-Blogs führen Unternehmen, um ihre Kernkompetenzen zu demonstrieren (statt zu behaupten). Sie bieten Lesern nutzwertige Informationen und kommunizieren gleichzeitig ihre Botschaften aus dem Blickwinkel dieser Themen. Praktisch gesehen: ein Softwarehaus für CRM-Lösungen bietet einen CRM-Blog an, ein Anbieter von Unified-Messaging-Systemen führt ein Unified-Messaging-Blog, ein Sportartikel-Hersteller schreibt ein Running-Blog.

Themen und Know-how-Blogs vereinen mehrere Vorteile:

  • Sie lassen sich mit einer klaren Perspektive führen, ohne dass sie an realen Personen festgemacht sind.
  • Potenzielle und bestehende Kunden interessieren sich eher für nutzwertige Informationen als für Unternehmensnachrichten. Erstere werden in einem Themen- und Know-how-Blog eher gesucht und gefunden werden.
  • Themen- und Know-how-Blogs sind außerordentlich suchmaschinenfreundlich. Sie stecken voller Begriffe, nach denen Interessenten suchen, was sie weit oben in den Suchergebnislisten positioniert – besonders dann, wenn ein Blog durch viele Trackbacks und Kommentare eng mit dem Rest des Webs vernetzt ist.
  • Viele Themen sind von Weblogs noch unbesetzt.

Allerdings sollte außerordentliches Know-how auch vorhanden sein. Besonders, wenn sich Unternehmen in Märkten bewegen, in denen und über die ohnehin viel geschrieben wird. Sonst ist die Gefahr groß, sich über Dinge auszulassen, die an anderer Stelle schon unzählige Male Thema waren.

Weblog-Persönlichkeit: Der Experte
Weblogs sind aus persönlichen Online-Tagebüchern entstanden, deren Struktur sie heute noch widerspiegeln. Sie benötigen deshalb eine klare Perspektive, aus der sie geschrieben werden, sie benötigen eine Weblog-Persönlichkeit.

Für Themen- und Know-how-Blogs ist diese Weblog-Persönlichkeit der Experte, der über sich und sein Wissen schreibt, der das Geschehen auf Märkten und in Branchen mit seinem (Hintergrund-) Wissen beobachtet, gewichtet und kommentiert. Damit ist nicht gemeint, dass eine imaginäre, avatarengleiche Persönlichkeit mit einem Namen aufgebaut werden soll. Sehr nützlich ist es jedoch, eine Art Psychogramm des Weblog-Experten zu entwickeln und zu dokumentieren. Sie dient den Weblog-Autoren als Richtschnur, um Weblogs stilistisch und perspektivisch stringent zu schreiben.

Umgekehrt, und auch das ist ein attraktiver Effekt, verleiht ein Weblog mit solch einem „psychologischen Fundament“ dem Unternehmen einen persönlichen Charakter, der andere Corporate-Identity-Maßnahmen wirksam unterstützt.

Der Inhaltsmix
Grundsätzlich ist der Inhaltsmix eines Weblogs sehr frei gestaltbar, sowohl was den Charakter der Einträge als auch was die Formate angeht. Damit unterscheidet es sich grundsätzlich von anderen Kommunikationsinstrumenten. Über eine wichtige Presseerwähnung kann man keine Pressemeldung schreiben, per Email würde man darüber seine Kunden auch nicht informieren wollen und bis der nächste Newsletter oder die quartalsweise erscheinende Kundenzeitschrift erscheint, ist das Ganze nicht mehr aktuell – im Weblog lässt sich mit einem Satz tagesaktuell darauf hinweisen.

Oft ergeben sich aus anderen Publikationen heraus Möglichkeiten, den Standpunkt oder das Know-how des eigenen Unternehmens darzustellen. Wenn etwa ein Beitrag über die technischen Herausforderungen in Call-Centern in einer Wirtschaftszeitung erscheint, kann ein Unified-Messaging-Anbieter in seinem Blog dazu Stellung nehmen und seine Lösungskompetenz elegant in das Posting einflechten – für solche spontanen Reaktionen auf Diskussionen in Branchen und Märkten gab es bisher kein geeignetes Kommunikationswerkzeug.

Trotz dieser inhaltlichen Freiheit darf ein Weblog keine reine unternehmerische Nabelschau bleiben, soll es für Leser attraktiv sein und die Ziele eines Themen- und Know-how-Weblogs erreichen. Genauso wenig darf es als Experten-Blog nur auf Artikel in Zeitschriften oder anderen Publikationen hinweisen, ohne etwas zur Diskussion beizutragen (Ausnahme: Ein Weblog definiert sich als Navigator für ein bestimmtes Themengebiet). Dies würde es nur zu einem schlecht gemachten Fachblog machen.

Weblogs berichteten ursprünglich über das tägliche Leben im Web und ähnlich berichtet das attraktive Corporate Blog heute über das Branchen- und Marktgeschehen, wie es sich im Web und in der realen Welt abspielt – immer betrachtet durch die individuelle Brille der Experten-Webpersönlichkeit. Nur so kann Know-how tatsächlich demonstriert werden, bleibt nicht nur behauptet.

Ein absolutes Tabu sollte es übrigens sein, fremde Inhalte, einfach zu übernehmen, ohne dies kenntlich zu machen. Zum guten Ton in Weblogs gehört es auch, die Quelle inhaltlicher Anregungen zu nennen, selbst wenn keine kompletten Texte übernommen wurden.

Eintragsformate
Nach der „reinen Lehre“ ist das Format eines Weblog-Postings der persönlich gefärbte und eher kurz gehaltene Tagebucheintrag. Man kann dieses Format durchbrechen und durchaus längere Abhandlungen einstreuen, wenn man denn etwas zu sagen hat. Die Einträge sollten jedoch im Stil der Webpersönlichkeit verfasst sein. Ein Text, der ursprünglich als Pressemeldung veröffentlicht wurde, kann jedoch nach entsprechender Bearbeitung ohne weiteres im Blog erscheinen. Längere Texte oder Beiträge, die stilistisch als Blog-Einträge selbst nicht in Frage kommen – Fachaufsätze oder Case Studies – können als Download hinterlegt und im Posting kurz vorgestellt werden.

Eintragsfrequenz
In der Frequenz der Einträge liegt eine der größten Herausforderungen beim Führen eines Blogs. Streng genommen müssten Beiträge täglich verfasst und eingestellt werden. Denn eines der wichtigsten Weblog-Merkmale ist die chronologische Struktur, die Aktualität verlangt. In der Praxis ist dies jedoch mit einem vertretbaren Aufwand nur selten möglich. Mindestens einmal die Woche sollte es aber sein, um regelmäßig Leser anzuziehen. Dies erfordert ein straffes Themenmanagement und einen weiten Überblick über die aktuellen Diskussionen in der Branche. Deshalb lassen sich Themen- und Know-how-Blogs nur von entsprechend aus- und gebildeten Autoren, Teams oder Dienstleistern schreiben.

Integriert in die Corporate Website oder unter eigener Domaine
Themen- und Know-how-Weblogs können innerhalb des Webauftritts oder als separate Website mit eigener URL betrieben wird. Bei Blog dieser Kategorie empfiehlt es sich durchaus, sie selbstständig zu führen. Das betont den thematischen Charakter des Weblogs und weist es eher als nützliche Wissensquelle denn als unternehmerischen Informationskanal aus. Allerdings sollte offen gelegt werden, dass es sich nicht um eine neutrale, sondern um eine unternehmensabhängige Publikation handelt. Abgesehen vom ethischen Gebot der Ehrlichkeit fliegt ein unter falscher Flagge segelndes Blog irgendwann auf – zumindest, wenn es wirklich Einfluss gewonnen hat – und produziert über den Meinungsverstärker „Blogosphäre“ jede Menge ungewollte Publicity.

Die Blogosphäre
Die Zielgruppe eines Corporate Blogs in der Ausprägung als Marketing-Weblog setzt sich aus den bestehenden und potenziellen Kunden eines Unternehmens zusammen, nicht aus der Blogosphäre. Trotzdem sollte sie bei der Konzipierung und dem Führen eines Blogs berücksichtigt werden. Denn sie scannt neue Weblogs und kommentiert, was dort wie geschrieben wird. Gerade kommerzielle Weblogs stehen in der non-profit-orientierten Communitiy unter besonderer Beobachtung.

Entsprechen Form, Inhalt und Verhalten eines Weblogs nicht den Standards, die sich in der Blogosphäre entwickelt haben, hagelt es Kritik, die den Erfolg eines Weblogs als Ganzes gefährden kann (wenn zum Beispiel beim Suchen nach dem Unternehmensnamen immer eine ganze Reihe von negativen Weblog-Postings auftauchen).

Das Design
Die Gestaltung und das Layout eines Corporate Weblogs orientieren sich an der Form des Online-Tagebuchs und am Corporate Design des Unternehmens, wobei es nicht unbedingt eins zu eins übernommen werden muss – vor allem dann nicht, wenn das Blog unabhängig betrieben wird. Zumindest die Anmutung oder der Stil sollten aber dem des Unternehmens entsprechen.

Die Technik
Ein wichtiger Punkt, der unabhängig vom kommunikativen Potenzial sehr für Weblogs spricht: Sie sind sehr einfach, die Technik kostet fast nichts und sie können innerhalb weniger Stunden gestartet werden – wenn das Konzept steht.
Zumindest für den Anfang gilt für kleine und mittelständische Unternehmen, die nicht gleich ein großes Weblog-Projekt aufsetzen wollen, dass sie auf einen der vielen Bloghoster zugreifen sollten. Professionelle, natürlich werbefreie Angebote gibt es ab fünf Euro pro Monat. Die Weblogs können über Domain-Mapping unter der Unternehmens-URL oder unter eigenständigen Adressen betrieben werden.

Da die Kosten kaum ins Gewicht fallen, spielen bei der Hoster-Auswahl nur Funktionen und Features eine Rolle. Auf folgende Punkte sollte dabei geachtet werden:

  • Erweiterte Blog-Standardfunktionen: Neben Einträgen, Kalendern, Trackbacks, Kommentaren, Kategorien und Blogrolls gehören dazu Postingtitel, Archiv, Suche oder Postings per Mail (Moblogging)
  • Bedienungsfreundliche, flexible Arbeitsumgebung: Posting je nach Kenntnisstand mit HTML- oder Texteditor, komfortables Bilderhandling, problemloses Kopieren von Texten aus der Textverarbeitung (das ist tatsächlich ein Problem), Rechtschreibprüfung und andere Textverarbeitungsfunktionen, Weblogvorschau
  • Eigene Layout-Gestaltung
  • Suchmaschinenoptimierung mit Tags für jedes Posting
  • Werbefreiheit
  • Aussagekräftige Statistikfunktionen: Besucher, Verweise, etc.

Der Erfolg
Bleibt die Frage, wann ist ein Corporate Weblog erfolgreich. Es sind nicht nur die Zugriffszahlen, an denen sich der Erfolg messen lässt. Ohnehin müssen diese sich nicht an den Besuchen orientieren, die ein A-Blogger mit mehreren hunderttausend Lesern zu verzeichnen hat. Wenn es die richtigen 20 Besucher täglich sind, reichen auch die.

Letztendlich hängt es vom Aufwand, den Zielen und der Rolle eines Weblog im Marketing oder der Vertriebspipeline ab, ob es erfolgreich ist. Auf jeden Fall sollten die Erfolgskriterien definiert und dokumentiert werden. Neben den Besucherzahlen bieten sich als Kenngrößen zum Beispiel an, wie sich die Stellung in den Suchmaschinen-Rankings verbessert, wie viele Blog-Leser auf andere Angebote der Unternehmens-Website durchklicken und den Website-Traffic erhöhen oder wie viele neue qualifizierte Kontakte oder Anfragen entstehen. Auch langfristige Wirkungen, etwa Image-Bildung, sollten in die Bewertung einfließen, wobei dort ohne aufwändige Marktforschung Erfolgsmessungen naturgemäß schwierig sind.

Wie auch immer der Erfolg eines Corporate Weblogs definiert wird: Das Erfolgspotenzial ist es wert, dass Unternehmen dieses Kommunikationsinstrument ausprobieren, was ohne große Investitionen in Technik einfach und schnell möglich ist.

Teil I der Artikelfolge widmet sich den grundsätzlichen Vorteilen der Blogs für die Marketingkommunikation.

Hartmut Giesen ist Journalist und publiziert regelmäßig praxisorientierte Beiträge zu Strategie, Marketing, Management und Wissenschaft/Technik.

Literatur

eingestellt am 24. Juni 2005