„Nur die Spitze des Eisbergs“: Wie Hassvideos das Image der Onlinewerbung zerstören

Die jüngsten Schlagzeilen zur Platzierung von Onlinewerbung im Umfeld von Inhalten, die Hass und Feindseligkeit schüren, sind laut Steve Doyle nur die Spitze des Eisbergs, der sich schon seit geraumer Zeit am Horizont abzeichnet.

Von Gastautor Steve Doyle, CCO bei Inskin Media

Die Probleme, über die wir an dieser Stelle sprechen sollten, sind weitaus tiefer verankert, als es die Schlagzeilen der internationalen Presse über den „YouTube“-Skandal zunächst nahelegen. Fakt ist, dass das Businessmodell der neuen Plattformen teilweise für den Wegfall von Werbespendings auf den Seiten der Nachrichtenmedien verantwortlich ist, was diese ganz und gar nicht begrüßen und die Situation naturgemäß umso kritischer beleuchten.

Wer ist schuld an der „Misere“?

Im ersten Schritt dieser Debatte wurde die Schuld bei den Plattformen gesucht. Die Verantwortlichen bei Google und Co. beriefen sich wiederum auf den Umstand, der das Werben auf den Plattformen erst interessant macht: das enorme Engagement und die ca. 400 Stunden Videomaterial, die jede Minute auf YouTube hochgeladen werden sowie die Unübersichtlichkeit die damit einhergeht. Hier liegt das wahre Risiko der Werbeschaltung in sozialen Medien, das Werbetreibende gern vernachlässigen, wenn sie einen ersten Blick auf die enormen Reichweiten werfen. Tatsächlich lässt sich jedoch nur in Ausnahmefällen effektiv und sicher auf ihnen werben und diese Ausnahmen sind meistens durchaus kostspielig. Nichtsdestotrotz bin ich mir sicher, dass die Plattformen ihre Technologien in den nächsten Jahren verbessern werden, um den Problemen entgegenzuwirken – ein Mammutprojekt, das aber leider unumgänglich ist.

Während traditionelle Medien auf Qualitätsinventar im Umfeld von fundierten Inhalten setzen, verfallen Werbetreibende zunehmend dem Lockruf der enormen Reichweite zum Discounter-Preis. Das hat zur Folge, dass derartig große Budgets auf die Plattformen verlagert werden, dass wir bereits von einem “Duopol” im Markt sprechen. Es ist mittlerweile bewiesen, dass sehr preiswerte Ausführungen mit hoher Reichweite oftmals Abstriche bezüglich der Qualität machen müssen. Hier geht es sowohl um die Performance einer Kampagne, als auch um ihre Sicherheit. An dem Punkt, an dem Werbetreibende diesen Umstand akzeptieren, wird eine Verlagerung der Budgets hin zu einem “Quality Internet” unumgänglich. Dieser Umstand stellt jedoch zugleich eine Anforderung an Publisher: Sie müssen sich wieder mehr auf ihr Handwerk besinnen und ihre Standards hochhalten. Dazu ist es zum Beispiel auch notwendig, dass sie die Verwendung von Social Media-Zitaten zur Untermalung ihrer Artikel reduzieren und sich wieder verstärkt dem Qualitätsjournalismus zuwenden. Guter Content ist ausschlaggebend für ein gutes Werbeumfeld. 

Wie ziehen wir den Karren aus dem Dreck?

Zahlreiche Fachverbände haben sich bereits zusammengeschlossen, um das Problem “Brand Safety” in Angriff zu nehmen. Der BVDW hat in Zusammenarbeit mit IAB Europe ein Framework für eine Zertifizierung hinsichtlich der „Viewable Impression“ entwickelt, welches noch nicht veröffentlicht ist, sich aber an der Guideline Viewability orientiert. Die Zertifizierung plant der BVDW gemeinsam mit der AGOF sowie einem externen Auditor durchzuführen. Außerdem schreitet die Coalition for Better Ads mit gutem Vorbild voran und die Branche hegt Überlegungen, analog der TAG (Trustworthy Accountability Group) eine Zertifizierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette (Adserver/Publisher/ Vermarkter) aufzusetzen.

Solch ein Zertifikat muss langfristig zur Mindestanforderung für Werbetreibende werden, wenn sie darauf vertrauen wollen, dass ihre Marke bestmöglich dargestellt und vor allem die Reputation des Unternehmens nicht beschädigt wird, wenn sie diese in die Hände der Publisher und Technologieunternehmen legen.

Der „TÜV“ für Brand Safety

Das ist besonders angesichts der jüngsten Entwicklungen am Markt angemessen: Compliance sollte als das erforderliche Minimum gelten, wenn es um die Beauftragung geht. Diejenigen Unternehmen, die nicht dazu in der Lage sind, die Auslieferung der Kampagnen durchgängig zu prüfen und zu überwachen, sollten auch dafür in die Verantwortung gezogen werden können. Schließlich würde auch niemand ein Auto kaufen, von dem niemand versichern könnte, dass es straßentauglich ist und den Richtlinien des TÜV entspricht. Genauso sollte es bei Werbebuchungen sein – kein Werbetreibender sollte sich auf ausführende Unternehmen einlassen, die ihm nicht versichern können, dass eine Kampagne sicher und vertragsgerecht ausgeliefert wird.

Das mag alles ein wenig trostlos klingen, aber es ist wichtig, dass wir uns klarmachen, dass es in unserer Hand liegt und wir Teil einer Entwicklung sind. Wir haben ein tobendes Biest vor uns und es bedarf unser aller Kraft, um es zu zähmen. In dieser Herausforderung mit vielen undefinierten Kräften und Ideen liegt für diejenigen mit den besten Intentionen und der größten Durchsetzungskraft ein enormes Potenzial.

 

Über den Autor

Steve Doyle verantwortet als CCO bei Inskin Media den globalen Umsatz des Unternehmens und die Wahrnehmung der Werbeformate am Markt, insbesondere bei Agenturen und Werbetreibenden. Er ist im Vorstand von IAA UK, sitzt seit 2012 dem IAB Video Council vor und erlangte 2013 bei den IPA Media Owner Awards den Titel „Commercial Director of the Year“. Steve stieß 2009 zu Inskin und war zuvor für Virgin Media/IDS als Sales Controller tätig.