Neue Hausdurchsuchungen im Fall Ruzicka

Neuer Knalleffekt in der Media-Affäre um Aleksander Ruzicka und Aegis Media. Nach einem Interview mit absatzwirtschaft-Online, in dem Ruzicka eine Klage gegen Aegis Media über insgesamt 94 Millionen Euro aus Arbeitsvertrag und Abfindung ankündigte, kam es zu neuen Hausdurchsuchungen. Auf der Suche nach dem Original seines Arbeitsvertrages wurde die Zelle von Ruzicka in der JVA Weiterstadt ebenso durchsucht, wie zeitgleich die Anwaltskanzlei seines zivilrechtlichen Vertreters. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat nach eigener Angabe von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des versuchten Prozessbetruges gegen Ruzicka eingeleitet.

Aus Wiesbaden berichtet Michael Ziesmann

Aber der Reihe nach: Bereits seit April 2009 versucht Aegis Media von ihrem ehemaligen Geschäftsführer Aleksander Ruzicka einen Betrag von 17,3 Millionen Euro zu erstreiten. Die Mediaagentur behauptet, dass ihr Erlöse aus Freispots fehlen würden. Naturalrabatte, die von den Medien mit 100 Prozent Rabatt gewährt werden, hätten diesen Wert, der von Ruzicka zu ersetzen sei. absatzwirtschaft-Online zitierte am 18.Dezember 2009 Aleksander Ruzicka in einem Interview u.a. wonach er aus Arbeitsvertrag und Abfindungsvereinbarung insgesamt 94 Millionen Euro von Aegis Media einklagen wolle. Diese Widerklage wurde dem Landgericht Wiesbaden am 30.Dezember 2009 vorgelegt. Klage und Widerklage werden von der 3. Zivilkammer unter dem Aktenzeichen 3 O 76/09 geführt. Nachdem die Kammer einen mehrmonatigen Aufschub für die Erwiderung von Aegis Media auf die Widerklage von Ruzicka abgewiesen hatte, hätte sich die Mediaagentur bis zum 11.März 2010 zur Sache einlassen müssen.

Stattdessen kam es am 2.März 2010 zu zwei neuen Hausdurchsuchungen. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hatte – nach eigenen Angaben – auf Basis des Interviews in absatzwirtschaft-Online von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des versuchten Prozessbetruges gegen Ruzicka eingeleitet. Ruzicka sagte in diesem Interview u.a.: „…ich habe hier meinen Arbeitsvertrag“, und gab Einblick in das auf jeder Seite mehrfach paraphierte Papier. Dies führte dazu, dass drei Monate später, am Morgen des 2.März 2010, seine Zelle in der JVA Weiterstadt nach dem Original seines Arbeitsvertrages durchsucht wurde. Ebenso ergebnislos verlief die Durchsuchung der Anwaltskanzlei, die Ruzicka zivilrechtlich vertritt. Jedoch wurden Handakten seines zivilrechtlichen Vertreters beschlagnahmt. Ruzicka ließ das Original der Zusatzvereinbarung zu seinem Arbeitsvertrag aus dem Jahr 1999 inzwischen den Behörden vorlegen.

In dieser Zusatzvereinbarung vom 15.September 1999 heißt es: „Der Arbeitnehmer erhält für den Verlust des Arbeitsplatzes durch arbeitgeberseitig veranlasste Beendigung – unabhängig des Beendigungsgrundes – eine Abfindung in Höhe seines letzten zweifachen Jahresgehaltes multipliziert mit den Jahren der Dauer der Betriebszugehörigkeit; in 2000 sind dies 16 Jahre.“ Unter Berücksichtigung aller Boni, Aktien, Aktienoptionen als auch des Basisgehaltes errechnen sich 1,85 Millionen Euro als zuletzt bezogenes Jahresgehalt. Aegis Media behauptet nun, diese Zusatzvereinbarung zum Geschäftsführervertrag aus dem Jahr 1995 nicht zu kennen. Die Mediaagentur ließ wohl den Behörden mitteilen, dass diese Zusatzvereinbarung entweder gefälscht oder aber die Unterschriften darauf erschlichen worden seien. Ruzicka wurde im September 1999 zum CEO der damaligen HMS & Carat Gruppe befördert.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiesbaden äußerte auf Anfrage von absatzwirtschaft-Online: „Es ist richtig, dass hier ein neues Ermittlungsverfahren gegen Herrn Ruzicka wegen des Verdachts des versuchten Prozessbetruges anhängig ist. Das Verfahren ist durch das Interview ausgelöst, das Herr Ruzicka für absatzwirtschaft-Online gegeben hat, und wurde von Amts wegen eingeleitet. Es geht um den Verdacht, dass die Widerklage des Herrn Ruzicka vom 30.Dezember 2009 mithilfe eines unrechtmäßigen Schriftstückes begründet wurde. Das Schriftstück (Zusatzvereinbarung) war der im Zivilverfahren klagenden Partei (Aegis Media, Anm.) bis zur Widerklage unbekannt.“

Ruzickas Strafverteidiger Marcus Traut sagte zu dem Vorfall: „Zu diesem neuen Ermittlungsverfahren kann ich mich noch nicht konkret äußern, da mir die Staatsanwaltschaft bislang die Ermittlungsakten noch nicht zur Verfügung gestellt hat. Für die Durchsuchung der Kanzlei meines Kollegen habe ich überhaupt kein Verständnis. Herr Ruzicka wird sich gegen die erhobenen Vorwürfe zur Wehr setzen.“
Bei Aegis Media wollte sich niemand zu den neuen Hausdurchsuchungen äußern.

Im Ergebnis bedeutet das: Der Zivilprozess ist wohl geplatzt! Solange der Verdacht des versuchten Prozessbetruges ungeklärt im Raum steht, kann die Widerklage von Ruzicka gegen Aegis Media kaum verhandelt werden. Insofern hat Aegis Media indirekt einen viel umfangreicheren Aufschub für die eigene Äußerung bekommen als ursprünglich beantragt. Zudem ist das Zivilverfahren schon vor dessen Beginn einseitig belastet. Gleichzeitig sieht sich Aegis Media in mindestens einem weiteren Fall mit Forderungen aus dem Arbeitsvertrag eines anderen ehemaligen Geschäftsführers konfrontiert.

In der von dem Vorfall unberührten Revision des Strafurteils gegen Aleksander Ruzcka ist mit einer Äußerung des Bundesgerichtshofes nicht vor dem Sommer 2010 zu rechnen. Ruzicka war am 12.Mai 2009 nicht rechtskräftig wegen schwerer Untreue zu elf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Er sitzt als einziger von insgesamt 21 Beschuldigten im Aegis Media-Komplex seit genau dreieinhalb Jahren in Untersuchungshaft.