„Nee, das wird nix!“

Eine Imagekampagne der Organisation der Mediaagenturen (OMG) sorgt derzeit für Aufregung. Anlass ist ein Stelleninserat, in dem ein Werbekunde zwei Dutzend Mediaexperten sucht, um in eine neue Ära des Media-Business aufzubrechen. Allerdings ist das Inserat frei erfunden. Vielmehr ist die Anzeige Teil einer Imagekampagne der OMG, die den Mehrwert von Mediaagenturen aufzeigen und deren Image verbessern soll. Der Slogan „Nee, das wird nix!“ könnte sich jedoch zu einem freudschen Eigentor entwickeln: Der Zentralverband der Werbewirtschaft ist irritiert. Arbeitsrechtler beurteilen die Kampagne rechtlich problematisch, und Mediaprofis sind verärgert.

von Michael Ziesmann

Fast zwei Wochen rätselten große Teile der Werbe- und Medienbranche über ein Stelleninserat, das in verschiedenen Suchmaschinen geschaltet wurde und sich über Twitter und Facebook wie ein Lauffeuer verbreitete. Ein Konsumgüterhersteller möchte darin in „eine neue Ära des Media-Business“ aufbrechen und suche 24 spezialisierte Mediaprofis. Die Bewerbungsfrist würde am 23. September beginnen und dauere zwei Wochen. Die potenziellen Bewerber wurden zu einem täuschend echt aussehenden Kontaktformular für persönliche Daten, Lebenslauf, Foto und Motivationsschreiben geleitet – mit dem Hinweis, dass diese Daten ab dem 23. September an dieser Stelle erfasst werden können.

Ein Paukenschlag! Mediaprofis, Werbekunden und Journalisten spekulierten und diskutierten. Ein sehr großes Werbung treibendes Unternehmen nimmt sehr viel Geld für Manpower in die Hand, um eine eigene Mediaagentur aufzubauen. Das wäre tatsächlich eine neue Media-Ära! Das ist aber vor allem das, was die Initiatoren der Kampagne gerade nicht erreichen wollten. Ein reales Szenario: Manche Großkunden buchen schon jetzt direkt bei TV-Sendern und Medien und sorgen dafür, dass die Werbegelder ohne den Umweg über die Agenturen direkt an die Medien fließen. Die Agenturen werden damit als reine Dienstleister für Planung und Optimierung benutzt. Seit Jahresbeginn agiert Haribo über eine solche hauseigene Mediaagentur, Rigo-Media. Genau das, was dieses Stelleninserat authentisch vermittelte und daher sehr glaubwürdig war. Jedoch gab es weder jemals den Konsumgüterhersteller noch die 24 ausgeschriebenen Stellen. Eine echte Bewerbungsmöglichkeit war tatsächlich nie vorgesehen. Sie wurde benutzt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Gestern nun stellte sich das vermeintliche Stelleninserat als eine Art Teaser für eine Imagekampagne der Organisation der Mediaagenturen im Gesamtverband der Werbeagenturen (OMG) heraus. Hatte ein aktiver Mediamanager diesem Magazin im Rahmen einer Titelstory zu den Problemen im Mediageschäft (absatzwirtschaft 5/2010) das Geschäftsprinzip Mediaagentur provokant mit „täuschen, tricksen, tarnen“ bezeichnet, so hat sich genau diese wenig positive Umschreibung ausgerechnet bei einer Imagekampagne der Mediaagenturen bewahrheitet. Ein Desaster für den beabsichtigten Imagetransfer dieser Kampagne.

Die Omnicom Media Group wurde in einem internen Pitch mit der Umsetzung beauftragt. CEO Manfred Kluge erklärt gegenüber absatzwirtschaft-Online die Kampagnenziele: „Die Kampagne hat vier Ziele. Zuerst die Aufklärung über das unglaublich breite Leistungsportfolio, insbesondere auch im digitalen Bereich. Wir wollen auch allen Kolleginnen und Kollegen deutlich machen, dass wir eben nicht eine Commodity-Veranstaltung sind, sondern mit Recht stolz sein dürfen, im Media-Business zu arbeiten. Zudem möchten wir Nachwuchs und Quereinsteiger für die Branche begeistern, da aufgrund der Fragmentierung hoher Personalbedarf besteht. Und nicht zuletzt möchten wir Verständnis dafür schaffen, dass unsere Investitionen in neue Bereiche auch entsprechend honoriert werden müssen. Der Markt hat in den letzten Jahren deutlich an Transparenz gewonnen, und alle vertraglichen Modalitäten sind bilateral wo nötig optimiert worden. Der Großteil der Budgets wird von Auditoren kontrolliert, so dass die Branche sich jetzt wieder auf die Herausforderungen der veränderten Kommunikationswelt konzentrieren kann“, führt Kluge aus.

Werner Bitz, Geschäftsführer des Mediaverbandes OMG, erklärt: „Media ist heute extrem facettenreich und braucht Know-how und Expertise, die man in dieser geballten Form nur in einer Mediaagentur findet. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Planung, sondern um hochprofessionelle Kommunikationsberatung über alle heute verfügbaren Kommunikationskanäle. Dies bringt die Kampagne – mit einem Augenzwinkern – auf den Punkt.“

Aber was sagen andere Mediaprofis zur Imagekampagne ihres Branchenverbandes? Einer von ihnen sah tatsächlich eine neue Media-Ära mit dem vermeintlichen Stelleninserat gekommen, und verkündete spaßeshalber via Twitter, dass er sich auf jeden Fall bei dem angeblichen Konsumgüterhersteller bewerben werde. Mediapionier, OMG-Mitglied und Mitglied der Geschäftsführung von Crossmedia, Thomas Koch meint zur Imagekampagne der OMG: „Die Kampagne vermittelt die Botschaft, um die es geht und bringt sie auf den Punkt. Jedoch sind Umsetzung und Gestaltung unglücklich. Die von dem fiktiven Werbekunden gesuchten Mediaspezialisten können nur aus den Reihen der Mediaagenturen kommen. Deshalb wurden vor allem Mitarbeiter in den eigenen Reihen enttäuscht und vor den Kopf gestoßen, die sich möglicherweise tatsächlich bewerben wollten, und nach einer neuen beruflichen Perspektive suchen. Noch problematischer sehe ich aber den Umstand, dass mit dem Stelleninserat eine Diskussion entfacht wurde, wonach Werbekunden überhaupt erst auf die Idee gekommen sein könnten, vermehrt über dieses Szenario nachzudenken. So spekulierten auch Werbekunden fast zwei Wochen lang darüber, welcher Wettbewerber diesen Schritt wagt, um dem möglicherweise zu folgen. Meiner Meinung hätte der Verband gut daran getan, nicht zur Lösung mit den Fähnchen zu greifen.”

Zurückhaltend optimistisch äußert sich Jürgen Blomenkamp, CEO des Marktführers GroupM: „Ich begrüße es sehr, dass die Mediaagenturen aus ihrer Passivität herauskommen und unterstütze diese Kampagne. Gerade weil in den letzten Jahren viel berichtet und geschrieben wurde, was richtig und wichtig war, aber auch vieles nicht. Über kreative Ansätze, insbesondere die Wege zum Erzeugen von Aufmerksamkeit, lässt sich endlos diskutieren. Jedoch wäre eine brave Imageanzeige sicher deutlich weniger bemerkt worden, als es nun der Fall ist. Wichtig ist jetzt, die angestoßene Diskussion offensiv zu führen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ein ernsthafter, unaufgeregter Dialog zum Vorteil aller Marktpartner ist. Es steht mir nicht zu, die Arbeit des Mediaagenturverbandes zu kommentieren, da die von mir geführte GroupM diesen Verband vor fünf Jahren verlassen hat“, ergänzt Blomenkamp.

Deutlicher wird Tina Kasperer, Geschäftsführerin der MPG (Havas Media): „Es ist sehr bedenklich, wie hier einerseits mit dem Gespenst einer ‚Inhouse’-Mediaagentur und andererseits mit den Hoffnungen von Menschen, die beruflich eine neue Perspektive suchen, gespielt wird. Man hätte das, was man sagen will – nämlich dass ein Team hochkarätiger Media-Experten die Payroll eines Unternehmens ganz schön belasten kann – auch anders rüber bringen können; gerne auch in einer Anzeige. Aber das war ein echter Bärendienst – Mediaagenturen stehen nun als Täuscher und Blender da. Echt daneben!“

Auch rechtlich ist das Vorgehen nicht unbedenklich: Ein Sprecher des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft, ZAW, sagte gegenüber absatzwirtschaft-Online, dass es sehr fragwürdig sei, Menschen auf der Suche nach Arbeit, Erwerb und Perspektive bewusst zu täuschen und für das Erhaschen von Aufmerksamkeit zu benutzen. Es müsse im Einzelfall geprüft werden, ob hier Verstöße gegen das Persönlichkeitsrecht oder das Bundesgesetz über unlauteren Wettbewerb (UWG) vorliegen. Der Sprecher hält das Vorliegen einer irreführenden Werbung nach einer ersten Betrachtung für möglich.

Der Arbeitsrechtsexperte Dr. Guido Zeppenfeld von der Kanzlei Mayer Brown, die auch ein OMG-Mitglied arbeitsrechtlich berät, kritisiert im Gespräch mit absatzwirtschaft-Online, dass mit dieser Werbeidee nicht ernst gemeinte Hoffnungen auf Erwerb geweckt, und das Vertrauen von Bewerbern missbraucht wurde. Wettbewerbsrechtlich sei dies bedenklich, so Zeppenfeld. Zudem sei hier durch ein in jeder Hinsicht real wirkendes Stelleninserat, ergänzt durch nachvollziehbare Antworten auf telefonische Nachfragen nach dem Dienstsitz, ein Vertrauensverhältnis geschaffen worden, so dass eine Haftung aus Verschulden bei Vertragsanbahnung in Betracht kommt. Es sei davon auszugehen, dass hier im Einzelfall ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis geschaffen wurde, aufgrund dessen die Initiatoren verpflichtet sein könnten, tatsächlich angefallene Bewerbungskosten erstatten zu müssen, fügt Zeppenfeld hinzu.

Um ihre Einschätzung gebeten, sieht Nina Lüking, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Rechtsanwaltssozietät Hensche, zwar das Werben mit einem frei erfundenen Stelleninserat arbeitsrechtlich als eher unproblematisch an. Allerdings könnte ein Wettbewerbsverstoß im Sinne des Bundesgesetzes über unlauteren Wettbewerb (UWG) vorliegen. Lüking sagte, dass sie so etwas auch noch nicht gesehen habe, und dass enttäuschte Bewerber durchaus im Einzelfall prüfen sollten, etwaige Auslagen für Bewerbungskosten und vorbereitete Unterlagen als Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Auch moralisch gesehen sei es sehr unschön, mit der Hoffnung auf Arbeit zu spielen.

Statt zu einer Bewerbungsmöglichkeit gelangen enttäuschte Bewerber zu verschiedenen Motiven der Imagekampagne. Diese stellen verschiedene USPs (Unique Selling Propositions) von Mediaagenturen in den Mittelpunkt. Dienstleistungen aus Planung, Strategie oder Forschung. Die Motive zeigen, dass Werbekunden diese Leistungen nicht in derselben Qualität erbringen könnten, wie eine darauf spezialisierte Mediaagentur. Die Motive der Imagekampagne sind unter dem Slogan „Nee, das wird nix!“ gestaltet und schlussfolgern daraus: „Das können nur wir. Die Mediaagenturen“. Die Imagekampagne hat Aufmerksamkeit bekommen – jedoch offensichtlich zunächst nicht so wie erhofft. Die angestoßene Diskussion ist in vollem Gang und eines der heißesten Themen bei Fachveranstaltungen, Programmpräsentationen, im Internet und in fast allen relevanten Fach- und Wirtschaftsmedien.

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