Muss sich Werbung radikal ändern?

Müssen Unternehmen ihre Kommunikation künftig dramatisch umstellen oder brauchen sie einfach nur umzusetzen, was sie heute bereits wissen? Eine von der OWM in Auftrag gegebene Umfrage zeigt: 90 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass sich die Rahmenbedingungen für Werbung verschlechtern.

Foto: Uwe Becker, OWM-Vorsitzender und Media Direktor Unilever Deutschland

Die 12. Fachtagung der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) stellte ins Zentrum der Diskussionen die Frage, welche Entwicklungen wirklich relevant sind und wie dies die Werbung treibenden Unternehmen sehen. Grundlage waren die Ergebnisse einer von der OWM in Auftrag gegebenen Umfrage, die Frank Schübel, Geschäftsführer der staatlichen Molkerei Weihenstephan und stellvertretender OWM-Vorstand, präsentierte. Danach erwarten 90 Prozent der werbenden Unternehmen in Zukunft deutlich schlechtere Rahmenbedingungen, 88 Prozent glauben, das Medienverhalten der Konsumenten werde sich stärker polarisieren und 50 Prozent meinen, dass ihre Kunden schlechter erreichbar seien.

Nur eine Minderheit der Agenturen und Firmen sei auf diesen Wandel vorbereitet. 92 Prozent der befragten Unternehmen sagen sogar, ihr Mediamix werde sich in Zukunft nicht ändern. Schübel: „Den Unternehmen scheint der Wandel egal zu sein, sie pflegen die goldene Mitte in ihrer Kommunikation.“ Eine Arbeitsgruppe der OWM entwickelte vier Thesen, die sie als besonders wichtig erachtet, um die künftige Entwicklung der Kommunikation zu analysieren: Erstens: Werbung muss in Zukunft gleichzeitig Massenkommunikation und individuelle Ansprache verbinden. Zweitens: Neue und bewährte Methoden werden in der Kommunikation nebeneinander bestehen. Drittens: Kunden platzieren ihre Nachfrage künftig im Markt und erwarteten persönliche Angebote, etwa über das Internet. Viertens: Für Unternehmen gilt: “Wer zu langsam plant, verliert.“

Nach der von der OWM in Auftrag gegebenen Umfrage glauben 67 Prozent der Befragten, aus diesen Thesen folgten radikale Änderungen der künftigen Kommunikation mit den Kunden. Das wichtigste sei, darin waren sich die Diskutanten der fachtagung einig, Planungsprozesse in Zukunft ganzheitlich zu gestalten und nicht nur einzelne Maßnahmen und deren Wirkung zu messen. „Das Unternehmen muss alle Beteiligten an einen Tisch holen und einen Workshop-Charakter herstellen,“ erklärt Oliver Nickel, Managing Director Icon Added Value Group.

Unternehmerisches Denken liege darin, Neues zu wagen und sich von der Vorstellung zu verabschieden, alles messen zu können, resümiert Thomas Schönen, Communication & Inside Management Beiersdorf. Die Frage sei, wie schaffe ich es, für den Konsumenten so interessant zu sein, dass er sich für mein Produkt interessiert. Am Anfang müssten deshalb eine Idee und eine genaue Analyse der Kundeninteressen stehen.

Bei Johnson & Johnson hatte das bereits konkrete Konsequenzen, berichtet Marketing Director Stefan Meyer: „Wir bringen alle Agenturen zusammen und setzen uns mit ihnen an einen Tisch, um eine Idee zu entwickeln, bevor wir den konkreten Mediaplan ausarbeiten,“ berichtet Meyer aus seiner Praxis. Und auch die Agentur Grey bereitet sich auf die Veränderungen im Werbemarkt bereits vor. „Wir ziehen um und bringen alle Leute zusammen, damit sie miteinander reden“, erklärt Uli Veigel, Chief Executive Officer Deutschland, seine Maßnahme, um bei den Prozessen schneller und effizienter zu werden.

Bei dem Thema „Zukünftige Erlös- und Vermarktungsmodelle“ stellt Uwe Becker, OWM-Vorsitzender und Media Direktor Unilever Deutschland, klar: „Wir gehen dahin, wo wir glauben oder wissen, dass wir unsere Zielgruppe erreichen.“ Aber: „Nicht alles, was technisch geht, ist über Werbung zu finanzieren.“ Philipp Welte, Vorstandsvorsitzender Bild.T-Online, sieht die Aufgabe der Medien in Zukunft darin, Menschen technikneutral „mit Information und Unterhaltung für uns zu gewinnen. Diese Möglichkeiten können wir den werbenden Unternehmen anbieten.“

Der Geschäftsführer IP Deutschland GmbH, Martin Krapf, verteidigte die durch die Untersuchung des Kartellamtes erzwungene Veränderung der Konditionsmodelle. Der Kunde könne entweder direkt abrechnen oder der Agentur die Abwicklung übertragen. Das entspreche der Marktrealität. Krapf: „Die Weichen stellt der Kunde.“ Becker machte dagegen noch einmal die Position der OWM klar: Die neuen Modelle der Fernsehvermarkter seien intransparent, inflexibel und kompliziert. Becker: „Die Vergütung der Agentur durch die Medien lehnen die Werbungtreibenden grundsätzlich ab. Sie garantiert keine objektive und neutrale Beratung.“

Die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) vertritt rund 90 große Werbung treibende Unternehmen in Deutschland, darunter 90 Prozent der Top 10 im deutschen TV-Werbemarkt und drei Viertel der 20 Unternehmen mit dem höchsten Werbebudget im gesamten deutschen Werbemarkt. Insgesamt investieren die Unternehmen des Verbandes mehr als 6,5 Milliarden Euro im Jahr für Kommunikation und Werbung.

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