Mobile Marketing — was geht und was gehen könnte

Mobile Tagging schafft einen direkten Link zwischen Anbietern und ihren Kunden. Die Herausforderung liegt darin, Kunden den Nutzen des "ungewohnten Vierecks" zu erklären und es ihnen möglich zu machen, den Nutzen auch direkt zu erfahren.

von Dr. Volker Rieger

Die Muster tauchen auf Werbeplakaten auf und laden den Betrachter ein, das schwarz-weiße Viereck zu fotografieren: Bei der Nokia-Kampagne für das Handy 6210 Navigator verschlüsselt der 2-D-Barcode einen Link, der auf eine Gewinnspielseite führt — dort kann man nach Eingabe der persönlichen E-Mail-Adresse das Handy gewinnen. Bei Aldi verlinkt der abgedruckter Barcode auf eine Website, die über offene Ausbildungsplätze oder die Möglichkeit eines dualen Studiums informiert.

Die Beispiele zeigen, wie sich Mobile Tagging grundsätzlich in jede visuelle Marketing-Kampagne integrieren lässt. Überall wo 2-D-Barcodes zum Einsatz kommen, können Betrachter diese fotografieren und sich mittels Barcode-Reader die Informationen anzeigen lassen, die in der jeweiligen Situation interessiert. Handelt es sich dabei um eine Internetadresse (Web-Tag), ist es möglich, diese unmittelbar mobil anzusteuern, um online bereit stehende Informationen zu erhalten. Ohne Navigation und ohne das umständliche Eintippen einer Internetadresse.

Eines der aussichtsreichsten Anwendungsgebiete ist derzeit die Werbung für Konsumgüter: Der 2-D-Barcode schafft die schnelle Verbindung zwischen den Inhalten klassischer Offline-Medien, etwa Printanzeige oder Plakat, und der multimedialen Online-Welt. Auf diese Weise integriert etwa BMW erfolgreich zweidimensionale Barcodes in Broschüren, im hauseigenen Magazin und in Unterlagen zu Events. Mit den mobilen Tags lassen sich technikaffine, meist jüngere Zielgruppen am einfachsten erreichen. Mit zunehmender Verbreitung intelligenter, überzeugender Anwendungen ist jedoch zu erwarten, dass auch andere Konsumentengruppen die mit der neuen Technik verbundenen Möglichkeiten nutzen.

Kundenbindung via Mobiltelefon

Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig. Wenn der Endverbraucher über 2-D-Barcode und Handy in Verbindung zu einem Anbieter tritt, gewinnt dieser einen neuen, direkten Kommunikationskanal zu Interessenten und Kunden. Damit lassen sich persönliche Kundenbeziehungen aufbauen und pflegen, sei es zur Förderung einer langfristigen Kundenbindung, für die Marktforschung oder das Cross-Selling. Auch für das After-Sales-Management bietet Mobile Tagging vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Beispiel Ersatzteile: Ein 2-D-Barcode auf Elektro-, IT- oder Unterhaltungsgeräten verschafft dem Kunden mithilfe des Handys eine schnelle Verbindung zum Kundendienst. Der Verbraucher muss nicht umständlich nach Service-Rufnummern oder Bedienungsanleitungen suchen, sondern erhält direkt über das betroffene Gerät die benötigten Unterlagen oder die Kontaktdaten des Herstellers.

Es bleibt nicht beim Austausch von Informationen, auch der direkte Verkauf über das Web lässt sich unterstützen. Ein Beispiel aus dem Musikgeschäft: Ein Musikfan entnimmt dem Barcode auf einem Plakat den Web-Link zu einem neuen Pop-Song. Sofort kann er die entsprechende MP3-Datei auf sein Handy laden. Die Bezahlung erfolgt mit der Mobilfunkrechnung. Mobile Tagging kann also den klassischen Point of Sale oder auch das direkte Umfeld von Veranstaltungen im Sinne des Target Advertising aufwerten.

Ein weiteres Einsatzgebiet ist das Evaluieren von Kommunikationskampagnen in der Offline-Welt: Unternehmen erhalten detaillierte Antworten auf die Frage, inwieweit sie ihr Marketing-Budget erfolgreich investiert haben und wo Verbesserungspotenziale schlummern. Mit bisher unbekannter Präzision können sie beispielsweise nachvollziehen, welche Anzeigen in welchen Printmedien die größte Resonanz haben oder welche Standorte den größten Effekt in der Plakatwerbung erzielen.

Unterschiedliche Standards

Verglichen mit anderen mobilen Technologien wie RFID (Radio Frequency Identification) und Bluetooth ist die technische Umsetzung von Mobile-Tagging-Anwendungen einfach und kostengünstig. Für erste Tests eignen sich die im Web von verschiedenen Anbietern angebotenen Barcode-Generatoren, mit denen sich 2-D-Barcodes anfertigen, ausdrucken und für den Import in Grafikprogramme abspeichern lassen. Neben den in Deutschland häufig verwendeten offenen Standards QR (Quick Response)-Code und Data-Matrix gibt es einige proprietäre Lösungen. Vorteil der offenen Standards: Die damit angefertigten 2-D-Barcodes lassen sich mit den meisten gängigen Barcode-Readern lesen.

Durchbruch steht noch aus

Trotz der Vielfalt der Einsatzgebiete und der verfügbaren Technologie steht der Durchbruch von Mobile Tagging in Deutschland noch aus. Als Hindernis führen Anwender immer wieder an, dass manche Handys noch nicht über vorinstallierte Barcode-Reader verfügen und dass auch einheitliche Code-Standards noch auf sich warten lassen. Tatsächlich setzen sich weltweit vor allem Data-Matrix und QR durch. Letztlich handelt es sich hier um die klassische Henne-Ei-Frage: Schaffen Anbieter zunächst Fakten, denen die Technologie folgt? Oder muss die Technologie den Weg für neue Anwendungen schaffen?

Dabei haben Unternehmen schon heute die Möglichkeit, mit den vorhandenen Mitteln die Interaktion mit ihren Kunden zu verbessern. Sie müssen nur die Konsumenten für das Thema gewinnen. Je erfolgreicher sie dabei sind, desto stärker werden sich Handy-Hersteller und Mobilfunkanbieter engagieren, um die Technik wie auch die visuelle Gestaltung der Barcodes zu vereinheitlichen. Letztlich profitieren Mobilfunkanbieter davon, dass ihre Kunden auf in 2-D-Barcodes verschlüsselte Weblinks zugreifen und mobile Internetzugänge nutzen.

Auch Handy-Hersteller werden mit zunehmender Popularität des Mobile Tagging den Ausbau der Barcode-Technologien auf mobilen Endgeräten forcieren. In Japan zum Beispiel ist der Barcode-Reader bereits zur unverzichtbaren Handy-Ausstattung geworden. Dort scannen Japaner die weithin verbreiteten 2-D-Barcodes jeden Tag millionenfach. Diese befinden sich nicht nur auf Anzeigen und Plakaten, sondern auch auf Verpackungen, CDs, Kaffeetassen und Visitenkarten. Japanische McDonalds-Kunden erhalten zum Beispiel bereits mittels QR-Code genaue Informationen zu den Inhaltsstoffen der Menüs, die sie in den Schnell-Restaurants erhalten.

Allerdings reicht die Veröffentlichung der Barcodes im Rahmen von Werbekampagnen, auf Verpackungen oder sonstigen Unterlagen nicht aus. Meistens ist es nötig, eine speziell für den mobilen Zugriff ausgerichtete Website zu entwerfen. Dort sollte neben weiter führenden Informationen auch ein passender Barcode-Reader zum Download bereit stehen. Erfolgsentscheidend ist weniger die bloße Investition in die neue Technologie. Die Herausforderung für Anbieterunternehmen liegt darin, die Funktionsweise des ungewohnten Vierecks ihren Kunden zu erläutern und es ihnen möglich zu machen, den Nutzen direkt zu erfahren.

Der Autor: Dr. Volker Rieger ist Partner bei Detecon International in Bonn und leitet die Kompetenzgruppe „Technology Portfolio Strategies“ sowie das Exzellenz-Zentrum für „Global Technology Intelligence“.

Zum Weiterlesen:
mobile-tagging.blogspot.com