Mit Sprachdialogsystemen Geld verdienen

Mit Communities Infotainment-Angeboten oder Ratgebern in allen Lebenslagen lassen sich heute gute Geschäfte machen. Sprachcomputer bieten dafür die Voraussetzungen.

„Die Maschine muss lächeln“, hatte sich Manfred Büttner zum Ziel gesetzt, als er L.U.C.Y. ins Leben rief: Hinter dem Kürzel steht ein Sprachcomputer, der eine telefonische Kontaktplattform managt. „Zielgruppe sind alle erwachsenen Singles in Deutschland, die gern einen Partner kennen lernen möchten“, erläutert der Geschäftsführer der Com Vision Betreiber Gesellschaft in Wismar. „Die können L.U.C.Y. aus dem Festnetz anrufen.“ 30.000 Bundesbürger machen das bereits monatlich.

„Mit Sprachdialogsystemen lassen sich jetzt viele Geschäftsideen realisieren“, sagt Jan Gessenhardt. Erfolgsgaranten sind dabei Mehrwertdienste: Also Leistungen, die per Telefonverbindung dem Anrufer einen zusätzlichen Nutzen bringen. Der Geschäftsführer der Speak-Up GmbH im rheinischen Kerpen hat dabei drei große Vorteile ausgemacht: 1. Sprachbasierte Mehrwertdienste lassen sich sowohl im Festnetz als auch über den Mobilfunk anbieten. 2. Anrufer sind bei solchen Angeboten im Gegensatz zur Internetleistung auch bereit, dafür Geld zu bezahlen. 3. Die Leistungen sind sofort über die Telefonrechnung abrechenbar. Wer eine neue Anwendung kreieren will, muss nicht unbedingt Neuland betreten. „Gute Geschäftschancen bieten Dienste, die auch in anderen Medien wie dem Internet bereits funktionieren“, rät Gessenhardt.

Wie bei L.U.C.Y.: In einem lockeren Plauderton erkundigt sich der Sprachcomputer bei einem
neuen Anrufer nach dessen privaten Interessen, seinen persönlichen Daten und welche Vorstellungen er von seiner möglichen Partnerin oder vom Traumpartner hat. Blitzschnell gleicht der Computer diese Angaben mit den bereits gespeicherten Profilen ab. Wenn beide gut zueinander passen, bekommt der Anrufer eine spezielle von Com Vision eingerichtete Telefonnummer genannt, unter der er persönlich Kontakt aufnehmen kann. „Wir haben länger als ein Jahr an L.U.C.Y. gearbeitet“, erinnert sich Com Vision-Chef Büttner. Um einen wirklich realitätsnahen Dialog zu erzielen, hat er bei unzähligen Leuten erkundet: „Was würde jemand antworten, wenn er eine bestimmte Frage gestellt bekommt?“

Was bedeutet eigentlich…

IVR Interactive Voice Response führt durch ein Sprachmenü und kann sowohl die Antworten der Anrufer aufzeichnen als auch interaktiv auf Eingaben der Telefontastatur reagieren.
Transaction Completion Rate gibt die Zahl der automatisiert erfolgreich abgewickelten Gespräche und Transaktionen an.
Application Life Cycle Management umfasst das Ändern, Anpassen und Managen des Designs, des Aufbaus, des Angebots und der Inhalte einer Anwendung.

Das Geschäftsmodell: Die erste Datenaufnahme bei L.U.C.Y. kostet 20 Euro, die individuellen Gespräche fünf Euro für die ersten zehn Minuten, dann 62 Cent pro Minute. Bezahlt wird über die Telefonrechnung. Im Durchschnitt bleiben die Leute 15 Minuten lang in der Leitung. „Die Technik lässt sich auch für ganz andere Dienste einsetzen“, berichtet Manfred Büttner. Heißt: Andere Fragen, andere Texte und andere Inhalte – aber gleiches Procedere. Eine seiner Ideen: „Wer einen Anwalt sucht, kann dem Sprachcomputer seine Probleme erzählen und der nennt ihm aus einer Datenbank sofort den richtigen Experten.“

So lassen sich Geschäftsideen erfolgreich umsetzen
„Bei der Vermarktung von Mehrwertdiensten sollten Anbieter auf eine ausgefeilte ommunikationsstrategie achten“, rät Jan Gessenhardt, geschäftsführender Gesellschafter und Gründer der Speak-up GmbH (www.speakup.de). Fünf Punkte sind für den Geschäftserfolg wichtig:

  1. Nützliche Anwendungen kreieren. Nicht die visionären Ideen bringen das Geld, sondern Angebote, die sich für einen Anrufer auch lohnen. Beispiel „Kosten sparen“: Was teuer über den Menschen läuft, lässt sich
    heute vielmals kostengünstiger über die Maschine abwickeln. Beispiel „Mehr Komfort“: Sprachdialogsysteme können einen schnelleren Zugriff auf Informationen ermöglichen oder das Download von Daten vereinfachen.
    Vielfältige Einsatzmöglichkeiten bietet auch das Podcasting.
  2. Vermarktungsstrategie festlegen. Der Erfolg eines neuen Mehrwertdienstes hängt entscheidend davon ab, dass die Leute anrufen. Anbieter müssen deshalb die Motivation erzeugen, aktiv zu werden. Dazu gehören die richtigen Vermarktungswege. Das sind die Fragen: Gibt es bereits Kontakte zur Zielgruppe, über die der neue Dienst
    bekannt gemacht werden kann? In welchen Medien soll dafür geworben werden (Zeitschriften, Direktmarketing)? Ist eine Verknüpfung mit dem Werbemedium und dem Sprachdialogsystem vorteilhaft – beispielsweise
    die Stimme des Prominenten aus dem TV-Spot?
  3. Inhalte bestimmen. Welcher Content liegt bereits vor oder ist schnell aufzubereiten? Ein lukratives
    Geschäftsfeld ist die Zweitverwertung von bereits schriftlich vorliegenden Informationen als Audioformat. Viele große Zeitungen gehen derzeit diesen Weg. Nächste Entscheidung: Soll der Nutzer aus einem großen Angebot auswählen können oder soll er realischnell an eine spezielle Information kommen? Davon hängt beispielsweise die Form des
    Dialogs ab.
  4. Technik aussuchen. Für die Projektierung eines Mehrwertdienstes sind etwa 15 bis 20 Manntage anzusetzen. Das kostet je nach Honorarvereinbarung 20.000 bis 30.000 Euro. Für die technische Infrastruktur (Software und Server) sollten Firmen 30.000 bis 50.000 Euro einplanen. Kein Investitionsrisiko gehen Anbieter für die Technik ein, wenn sie für ihre Sprachanwendung eine so genannte Hosting-Solution wählen. Dienstleister wie T-Com oder dtms Solutions nehmen dafür nur eine geringe Einrichtungsgebühr und einen Anteil von den eingenommenen Telefongebühren.
  5. Geschäftsmodell aufbauen. Drei Rufnummernmodelle stehen zur Auswahl: Minutenpreis, Einmalpreis je Abruf, Monatspreis. Die Entscheidung für eines dieser Modelle hat Einfluss auf die Dialogform. Kernfrage: Will ich die Leute mit umfangreichen Dialogen lange in der Leitung halten (Beispiel Kontaktplattform) oder ist das
    Sprachdialogsystem nur Zugang zum Informationspool (Beispiel Kauf von Klingeltönen)?

Eine Vielzahl weiterer Mehrwertdienste sind bereits erfolgreich im Einsatz: Von der sprachgesteuerten Stauinformation des ADAC über die Abfrage der aktuellen Ergebnisse bei Bundesligaspielen bis hin zur Telefonauskunft mit der Stimme des Alt-Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Einen neuen Dienst bietet Speak-Up jetzt an: Die bundesweit einheitliche Taxirufnummer 22456. Die lässt sich per Mobiltelefon von jeder Stadt aus ohne Vorwahl anrufen. Über das Sprachdialogsystem wird der Standort erkundet und die Bestellung des Wagens an die nächstgelegene Taxizentrale weitergeben. Das bringt dem Kunden zwei Vorteile: Er muss nicht in jedem Ort die Taxirufnummer parat haben und der Anruf ist mit 39 Cent billiger als der vielfach übliche Weg über den Mobilfunk-Operator.

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Hörproben
Zu Mehrwertdiensten finden Sie hier Audio-Demos:

L.U.C.Y. Kontaktplattform für Singles
Ein Sprachcomputer erkundet persönliche Daten und Kontaktwünsche des Anrufers, sucht aus einer Datenbank den passenden Partner heraus und ermöglicht über eine Telefonverbindung das persönliche Kennenlernen.

Rufnummer 012 345 662662

Fliege-Telefon
Privates Selbsthilfe-Netzwerk für Zuschauer der Talkshow Fliege. Der Sprachcomputer verbindet Menschen mit gemeinsamem Gesprächsbedarf anonym miteinander. Einleitungstext gesprochen von Jürgen Fliege. In nur zwei Monaten erstellt.
10-2 Fliege-Telefon

FAZ.Net Fonservice
Erlaubt dem Anrufer, Nachrichten aus dem vorhandenen Angebot per Telefon abzurufen. Navigation mit Schlüsselwörtern (Wetter, Feuilleton) oder Shortcuts (Weiter, Wiederholen). Wickelt täglich einige hundert Anrufe ab.
10-3 FAZ.Net-Fonservice

Point-Omega Musik Card
Ermöglicht dem Anrufer, per Sprachsteuerung ein Lied auszusuchen und dazu eine Botschaft aufzunehmen.
Diese musikalische Nachricht wird im Anschluss an einen vom Anrufer benannten Empfänger per Telefonanruf weitergeleitet.
10-4 Music-Card

Schöffel Golfscore
Macht eine einfache Berechnung und Verwaltung der gespielten Golf-Ergebnisse übers Telefon möglich. Stimme des in Österreich bekannten Pro7-Moderators Jürgen Preindl. Mehrere 100 Anrufe am Tag. Hat sich in gut einem Jahr amortisiert.
10-5 Golfscore

Telix 11810 Auskunft
Sprachgesteuerter Zugriff auf 35 Millionen Telefonbucheinträge. Durch die Angabe der Rufnummer eines Teilnehmers lässt sich auch dessen Name und Anschrift recherchieren. Infos als SMS abrufbar.
10-6 Telefonauskunft

Variante Telix 11886 Spaßauskunft
Gleiche Funktionen wie Telix 11810 – aber mit den (imitierten) Stimmen Prominenter wie Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki, Ausbilder Schmidt oder Alt-Kanzler Gerhard Schröder.
10-7 Telefon-Spaßauskunft

ADAC Stauinfo
Liefert dem Anrufer (basierend auf Funkzellenortung bzw. Ortung nach der Festnetznummer) standortgerechte Stauhinweise, Routeninformationen, Infos zu Hotels oder Tankstellen. 5000 Anrufer täglich.
10-8 Stauinformationen
Rufnummer Kurzwahl 22499 (alle
Mobilfunknetze)

Wetter.com Wettervorhersage
Der kostenpflichtige Dienst liefert per Telefon einfach, praktisch, schnell und ortsunabhängig Wetterdaten aus Deutschland und der ganzen Welt. Einige 100 Anrufer pro Tag.
10-9 Wettervorhersage

T-Mobile Info Talk
Das Sprachportal bietet Nachrichten, Börsennews, Wetter- und Verkehrsmeldungen, Sportmeldungen, Kino- und TV-Tipps sowie aktuelle Musik- und Modetrends. Gutes Infotainment durch einfallsreiche und natürlich
wirkende Dialoge.
10-10 Info-Portal
Rufnummer Kurzwahl 2300 (nur T-Mobile intern)

BERTI Infoportal der Deutschen Fußballbundesliga

Versorgt den Anrufer mit aktuellen Infos zu Tabellenplätzen, Spielergebnissen und Spielorten. Verzichtet auf eine starre Menüführung und ermutigt den Anrufer stattdessen, einfach zu fragen.
10-11 Fußballbundesliga
Rufnummer 09131 610017

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Autor:
Alfred Preuß leitet ein Redaktionsbüro für Print und Internet.