Mehr Schwangere mit Mailings erreichen: Deshalb setzt Baby Walz auf CRM und Digitalisierung

Handzettel und Verkaufs-Mailings gehören seit 100 Jahren zum Einmaleins der Vertriebsunterstützung, haben aber im Angesicht der Digitalisierung ein „Gschmäckle“ entwickelt. Kann eine junge Generation von Marketern überhaupt noch mit diesen klassischen Werbemethoden arbeiten? Sie kann, wenn man das Analoge digital analysiert und optimiert. Baby Walz hat genau das getan.

Print ist tot. Wer arbeitet noch mit Totholz-Medien? Wer braucht heute noch Handzettel und Flyer? Der gedruckte Katalog gilt doch längst als Symbol einer ausgestorbenen Spezies von Versandhändlern. Oder kann heute noch jemand etwas mit den Namen Neckermann und Quelle anfangen?

Radio kennt keine AdBlocker

So hysterisch, wie das Marketing in den ersten zehn Jahren des 21. Jahrhunderts die klassischen Marketing- und Werbemethoden verdammt und ausgemustert hat, so entspannt holt sich eine neue Generation Marketer diese Werbeformen wieder auf den Tisch zurück. TV funktioniert als Reichweitenkanal, Radio kennt keine AdBlocker, die Zeitschriften aggregieren Zielgruppen und Umfelder und der Katalog liegt eben immer noch auf dem Couchtisch, wenn das IPad schon längst wieder an der Ladestation hängt.

Klug eingesetzte digitale Messmethoden stellen Vergleichbarkeit her. Auf einmal ist es keineswegs mehr sicher, dass die AdWords- oder Facebook-Kampagne unterm Strich das bessere Ergebnis erzielt. Auch sie verursacht Kosten und angesichts der Online-Auktionsverfahren gehen diese tendenziell immer an die Grenzgewinne. Gleichzeitig sind viele Kostenfaktoren im klassischen Marketing gesunken, wie etwa die Produktionskosten und Schaltungspreise im TV aber eben auch die Herstellungskosten für Druckerzeugnisse.

Vom Massenmailing zum persönlichen Brief

Marc Eberle macht sich eben diese gesunkenen Druckkosten zunutze. Er ist der CRM-Verantwortliche bei Baby Walz im idyllischen Bad Waldsee, gelegen auf halbem Weg zwischen Schwäbischer Alb und Bodensee.

Das Unternehmen hat eine bewegte jüngere Geschichte hinter sich. Man wurde von einem  Investor zum anderen weiter gereicht. Aktuell gehört das Versandhaus Walz dem britischen Finanzinvestor Alteri. Früher waren sogar die besagten Neckermann und Karstadt-Quelle schon Eigentümer der Oberschwaben. Der Umsatz sank von 2011 bis 2015 von knapp 350 auf zuletzt 267 Millionen Euro. Standorte wurden geschlossen, 200 Mitarbeiter entlassen und im Jahr 2014 war der Tiefpunkt erreicht mit einem Verlust von 4,2 Millionen Euro.

Kein Wunder also, dass vor allem die traditionellen Vertriebswege und Marketingkanäle auf den Prüfstand kamen. Vor allem diejenigen, die hohe Kosten verursachen.

Eberle startet das Projekt INDI. Die Idee war, statt des immer gleichen Massenmailings, das nach dem Gießkannenprinzip verteilt wurde, ein individualisiertes Kommunikationsprodukt zu erzeugen. Im ersten Schritt bestand die Individualisierung aus der Anpassung der Mails an den Kundenlebenszyklus, was – im Falle von Baby- und Kinderausstattung – ein naheliegender Gedanke ist.

Die Daten für die Mailings kommen direkt aus dem CRM. Es handelt sich also um eine Maßnahme für Bestandskunden. Automatisch hinzugefügt werden Artikeldaten. „Die Standardisierung der Artikeldaten war eine der schwierigsten Herausforderungen“, erklärt Eberle im Rahmen des EHI Marketingforums.

Welche Produkte wurden gehäuft in einem Warenkorb gekauft?

Einen dritten Datenpool bilden aggregierte Verkaufszahlen, die am Kundenlebenszyklus ausgerichtet sind. In den Monaten vor der Geburt des Kindes liegt das Hauptinteresse bei Textilien, unmittelbar im Umfeld des Geburtstermins kaufen die Kunden am Liebsten Bettchen. Dann in der Folge stehen Möbel und Kindersitze fürs Auto auf der Agenda. Und ab dem 13 Monat steigt der Bedarf an Textilien wieder signifikant. Offensichtlich hat die Erstausstattung dann ausgedient. Eine zweite Ebene des Data-Mining betraf die Warenkorbzusammensetzung. Welche Produkte wurden gehäuft in einem Warenkorb gekauft? Eberle erstellte eine Beziehungsmatrix im Produktsortiment und ließ daraus Kaufwahrscheinlichkeiten berechnen.

Im letzten Schritt wurden die drei Datentöpfe in einem Layout zusammengeführt. Da es sich um CRM-Mailings handelt, kommen aus dem CRM-Programm ebenfalls individuelle Inhalte. Die bestehen aus einer persönlichen Ansprache und aus redaktionellen Texten, die zu den jeweils gekauften Produkten passen oder schon Vorgriff leisten auf Produkte, die „anstehen“. Hinzu kamen vorgefertigte generische Bilderwelten, die zum Beispiel die Phasen Schwangerschaft, Baby und Kids unterschiedlich illustrierten.

Fazit: Nicht billiger aber besser

Mit Spannung erwartete Marc Eberle die erste Auswertung vom Vertrieb. Klar war, dass personalisierte Mailings nicht billiger zu machen sind, als standardisierte Massenbriefe. Die Druckkosten stiegen um 86 Prozent, die Portokosten blieben stabil, allerdings fielen die Kosten für den Lettershop komplett weg. Die Kosten für die Grafik sanken auf 38 Prozent, dafür entstanden komplett neue Kosten im Bereich Programmierung. Eberle berechnete unterm Strich Mehrkosten von 18 Prozent. Bei der Schonung der internen Ressourcen schneidet das automatisierte Mailing tendenziell besser ab. Dem wäre allerdings ein Teil der Investitionen in die IT-Landschaft in den letzten Jahren gegenüber zu stellen. Aber diese Investitionen waren sowieso nötig. Im Ergebnis erzielte bereits die erste Runde personalisierter Mails einen positiven Ertrag. Um 19 Prozent stieg der Umsatz im Vergleich zu Kunden, denen gar kein Mailing geschickt wurde. Und bei einer Kontrollgruppe, denen Standardbriefe geschickt wurden, war der Unterschied sogar noch etwas größer.

Das volle Potential entfaltete die Kombination aus Personalisierung und Content Marketing bei den Schwangeren. Hier stieg die Response-Rate um 57 Prozent. Bei den Babys konnte man noch einen Anstieg um acht Prozent verzeichnen. Bei den Kids hingegen funktionierte die Personalisierung nicht dort reagierten nur noch 72 Prozent der angeschriebenen Kundinnen im Vergleich zum Normalbrief.  Auf dieses Phänomen angesprochen, zeigte sich Marc Eberle etwas ratlos. „Möglicherweise führt die Personalisierung der Mailings zu einer verringerten Wahrnehmung unserer Sortimentstiefe“. Das Marktsegment Kids ist in der Branche hart umkämpft. Hier treten verstärkt Spezialversender aus dem Modesegment oder auch Spielwarenanbieter auf den Plan. Unterm Strich sieht Marc Eberle dieses Pilotprojekt als klaren Wegweiser für die Zukunft. Mit effizienten Messmethoden und leistungsfähiger Automatisierung lassen sich interne Ressourcen entlasten und gleichzeitig die Erträge der Mailings steigern. „Wir haben an Print wieder richtig Spaß“, sagt der Schwabe.

P.S. 2015 konnte Baby Walz erstmals wieder einen kleinen Gewinn vor Abschreibungen ausweisen und baut gerade das Logistikzentrum um.