Mediaagenturen und Werbekunden unter Zugzwang

Mit klaren Worten sorgt eine Verfügung der Staatsanwaltschaft München in Mediaagenturen, bei Werbekunden und Medien für aufgeregte Diskussionen. Die Ermittlungsverfahren gegen 50 Personen in 15 Mediaagenturen und zwei Werbezeitenvermarkter sind eingestellt. Jedoch sehen die Münchner Ermittler die Straftatbestände der Untreue und Bestechung zum Nachteil der Werbekunden als erfüllt. Da sich diese jedoch nicht um den zugefügten Vermögensnachteil bemüht haben, sieht die Staatsanwaltschaft kein Interesse an der Strafverfolgung.

Jedoch macht es der Inhalt der Verfügung unmöglich zur Tagesordnung überzugehen. Insbesondere weil der 7.Senat des OLG München im „Danone Urteil“ vom 23. Dezember 2009 zivilrechtlich identisch argumentiert hat. Mehr als zwei Jahre hat die Staatsanwaltschaft München in akribischer Kleinarbeit ermittelt. Auf Basis der vom Bundeskartellamt im Jahr 2007 bei den Werbezeitenvermarktern Seven One Media (ProSiebenSat.1 Media AG) und IP Deutschland (RTL Group) sichergestellten Unterlagen, wurden Geldflüsse und Rabatte mit Dokumenten abgeglichen, die die Ermittler bei den 15 größten Mediaagenturen eingefordert hatten.

Dies umfasste einen Abgleich der Verträge der Mediaagenturen mit den Werbekunden und denen mit den Medien aus den Jahren 2003 bis 2007. Kernfragen: Welche Bündelungsrabatte wurden von den Werbezeitenvermarktern gewährt? Ist es legal, dass diese Rabatte von den Mediaagenturen gegenüber den Werbekunden verschwiegen wurden? Ist es legal, dass diese geldwerten Vorteile in den Mediaagenturen verblieben sind? Klare Antwort der Münchner Ermittler: Nein!

So heißt es in der Verfügung vom 10. Dezember 2009: „Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Beschuldigten, die in Entscheidungspositionen bei den Mediaagenturen tätig waren, die objektiven Tatbestände der Untreue zu Lasten der Werbekunden und den Tatbestand der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr erfüllt haben. Den Beschuldigten, die bei dem Vermarkter Seven One Media entscheidungserhebliche Positionen innehatten, haben nach den bisherigen Ermittlungen objektiv den Tatbestand der Beihilfe zur Untreue der Mediaagenturen zu Lasten der Werbekunden und Bestechung im geschäftlichen Verkehr verwirklicht.“

Dies betrifft die fünf großen Agenturgruppen, die rund 90 Prozent aller Werbebuchungen bei Seven One Media vermitteln: GroupM (WPP), Omnicom Media Group (OMG), Publicis (ZenithOptimedia), Aegis Media und MagnaGlobalMediaPlus sowie deren verbundene Unternehmen und Tochtergesellschaften.

In ihrer Begründung teilen die Münchner Ermittler mit: „Der Vorwurf gegenüber den Geschäftsführern der Mediaagenturen lautet, dass sie einerseits mit den Werbekunden Verträge abschlossen, die ein spezielles Treueverhältnis der Mediaagenturen gegenüber den Werbekunden begründet. Inhalt der Treuepflicht war insbesondere, dass sie unter den gleich geeigneten Angeboten das günstigste für den Werbekunden wählten und außerdem so mit den Vermarktern verhandelten, dass ein möglichst günstiger Preis für die Werbekunden vereinbart werden würde. Dafür erfolgte eine Entlohnung durch die Werbekunden.
Diese Treuepflichten verletzten sie dadurch, dass sie – ohne ihre Treugeber zu informieren – Verträge mit den Vermarktern abschlossen, die ihnen Share-of-Advertising-Rabatte (SoA) zusicherten. Diese Rabatte wurden den Mediaagenturen allein gewährt und von diesen nicht an die Kunden mitgeteilt und weitergegeben. Die Mediaagenturen haben sich also bei Vertragsabschluss hinsichtlich der eingekauften Werbezeiten für die Werbekunden nicht von ihrer Treuepflicht gegenüber den Kunden bei dem Vertragsabschluss leiten lassen, sondern von den ihnen gewährten Rabatten. Damit lag ihnen zur Last, den Tatbestand der Untreue verwirklicht zu haben. Den Geschäftsführern und weiteren Verantwortlichen der Seven One Media lag Beihilfe zur Untreue der Verantwortlichen der Mediaagenturen zu Lasten ihrer Werbekunden zur Last.“

Die Staatsanwaltschaft München sieht „keinen Raum für „Dritteinflüsse“ auf die im Auftrag der Werbekunden geschuldeten Tätigkeiten der Mediaagenturen.“ Denn: „Aus dem Zusammenwirken der Beratungsleistungen und der Einkaufsverpflichtungen ergibt sich, dass die Mediaagenturen auch beim Einkauf zur Interessensverfolgung der Kunden verpflichtet sind. Aus der Abrechnungsverpflichtung ergibt sich, dass Vorteile gegenüber dem Kunden abzurechnen sind.“ Bereits das Verschweigen von agenturbezogen berechneten aber auf Kundenbasis gewährten Rabatten zu eigenen Gunsten ist eine Pflichtverletzung durch die Mediaagenturen, argumentiert die Münchner Staatsanwaltschaft. Die Verwirklichung der Untreue zu Lasten der Werbekunden scheitert auch nicht daran, „dass die SoA-Rabatte eine Bezahlung der Tätigkeit der Mediaagenturen im Verhältnis zum Vermarkter darstellen würden. Diese Vorteile für den Vermarkter liegen insbesondere in der Bündelung, der Werbezeitenveredelung, der Förderung der Werbung etc.“ Daraus sei nicht der Schluss zu ziehen, dass diese Vorteile durch den Vermarkter zu vergüten wären.

Weiter heißt es: „Die Bündelung, die Verbreiterung des Interesses an Werbung, die Optimierung des Werbezeiteneinsatzes etc. sind unmittelbare Auswirkungen der Tätigkeit der Mediaagentur aufgrund deren Geschäftsmodells. Die Existenz eines (positiven) Geschäftsmodells ist für sich nicht prämierungsbedürftig oder prämierungswürdig. Sie ist in einer Marktwirtschaft vielmehr Voraussetzung für die Existenz der Branche, sonst würden die Kräfte des Marktes andere Formen finden, um die gleichen Bedürfnisse zu befriedigen“, so die Münchner Ermittler.

Sie argumentieren weiter: „Die SoA-Rabatte können auch nicht als erlaubte Bezahlung für die Übernahme des Delcredere-Risikos durch die Mediaagenturen betrachtet werden … Schon in tatsächlicher Hinsicht ist allerdings insoweit fraglich, ob dieses Risiko faktisch existiert. In den einschlägigen Verträgen finden sich meist Vorauszahlungsverpflichtungen des Werbekunden, der seine Zahlung erbringen muss, bevor ihrerseits die Mediaagentur an den Vermarkter zahlen muss. Im „Außenverhältnis“, d.h. zwischen Mediaagentur und Vermarkter, hat daher eine Bezahlung für das Delcredere-Risikos durch die Mediaagentur nicht stattzufinden.“

Nach Durchsicht der Verträge zwischen Werbekunden und Mediaagenturen einerseits sowie Vermarktern und Mediaagenturen andererseits kommt die Staatsanwaltschaft München zur brisanten Schlußfolgerung: „Auch sieht die Staatsanwaltschaft nach dem jetzigen Verfahrensstand das Tatbestandsmerkmal der Nachteilszufügung, das heißt der Entstehung eines Vermögensschadens verwirklicht. Der für das Vermögen der Werbekunden eingetretene Schaden liegt darin, dass der von den Mediaagenturen einbehaltene SoA-Rabatt in die für die Werbeleistung vereinbarte Bezahlung eingepreist hätten werden können und damit die Werbekunden einen niedrigeren Preis hätten. Im Übrigen ist eine am Umsatz ausgerichtete Kick-Back-Zahlung für sich genommen bereits ein Indiz dafür, dass dies im Preis einkalkuliert und damit eine Schaden für die Werbekunden ist.“

Auch die endlose Diskussion, ob Mediaagenturen Geschäftsbesorger der Werbekunden oder eine selbständige Wirtschaftsstufe sind, sieht die Staatsanwaltschaft München nach Durchsicht der Dokumente aus 15 Mediaagenturen eindeutig geklärt: „Auch wenn die Mediaagenturen gegenüber den Verlagen nicht als Vertreter des werbungtreibenden Kunden auftreten, sondern beim Abschluss der Werbeverträge mit den Vermarktern die Verträge im eigenen Namen schließen, sind sie nach Ansicht der Staatsanwaltschaft jedoch aufgrund der konkreten Gestaltung der Verträge mit den Werbekunden als Beauftragte anzusehen, da ihnen gerade die Möglichkeit der Einflussnahme auf fremde betriebliche Entscheidungen zukommt. Die Ausführungen des Bundesgerichtshof im Context-Beschluss vom 28.4.1970 und im Urteil vom 11.11.1993 („Werbeagent“) zu den Mediaagenturen als selbständige Wirtschaftsstufe gelten vor dem geschilderten wirtschaftlichen Hintergrund gerade nicht mehr. Zum damaligen Zeitpunkt existierten die Verträge, die die Mediaagenturen an die Werbekunden nunmehr binden, gerade nicht.“

Trotz der objektiv verwirklichten Straftatbestände der Untreue und Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu Lasten der Werbekunden hat die Staatsanwaltschaft München das Ermittlungsverfahren gegen Mediaagenturen und Vermarkter eingestellt. Hauptgrund: kein einziger geschädigter Werbekunden hat sich dem Verfahren angeschlossen oder gar Anzeige erstattet. Daher verweist die Staatsanwaltschaft auf mangelndes öffentliches Interesse. Es handele sich überwiegend um fremdnütziges Verhalten der Beschuldigten für die Firma. Zudem hätten die 50 beschuldigten Personen in 15 Mediaagenturen und bei zwei Vermarktern im Zeitraum 2003 bis 2007 keine Möglichkeit gehabt, das von ihnen begangene Unrecht zu bemerken. Auch wenn die strikte Geheimhaltung gegenüber den Werbekunden Anlass hätte geben müssen, das zu hinterfragen.

Zudem unterstellen die Münchner Ermittler bei vielen Werbekunden Kenntnis der strafrechtlich relevanten Rabattpraxis. Sie erwähnen dabei die umfassende Berichterstattung in der Fachpresse ebenso positiv wie den Vorstoß der Organisation Werbungtreibender im Markenverband (OWM) zum Code of Conduct im Jahr 2004. Trotz der harten Vorwürfe ist die Einstellung des Ermittlungsverfahrens dem Vernehmen nach auch ein Zugeständnis an den Medienstandort München und Unterföhring. Das abgetrennte Verfahren gegen IP Deutschland bei der Staatsanwaltschaft Köln ist noch nicht eingestellt.

Diese Inhalte machen es unmöglich zur Tagesordnung überzugehen. Insbesondere weil die zivilrechtlichen Ansprüche der geschädigten Werbekunden von der strafrechtlichen Einstellung unberührt bleiben. Rabatte am Kunden vorbei können demnach strafrechtlich relevant sein. Insbesondere dann wenn diese auf Basis des Umsatzes der Mediaagenturen bei den Medien berechnet werden. Bereits das Verschweigen von erhaltenen Rabatten bei den Mediaagenturen gegenüber den Werbekunden kann als Untreue gewertet werden.

Medien, die Mediaagenturen mit Kickbacks, Sonderrabatten oder Cash-Backs bezahlen, können sich der Beihilfe zur Untreue und Bestechung an den Werbekunden schuldig machen. Aber auch Werbekunden können hiernach ihrer Mediaagentur nicht mehr mitteilen: wir zahlen ein Prozent Honorar – holt euch den Rest bei den Medien oder anderen Werbekunden, denen dabei Rabatte vorenthalten werden müssen. Was die betroffenen Mediaagenturen, Vermarkter und Werbekunden dazu sagen, lesen Sie in Kürze auf absatzwirtschaft.de
mz