Markenwerbung für Medienmarken überflüssig?

Wirtschaftskrise und steigender Konkurrenzdruck erhöhen die Bedeutung der eigenen Marke – das gilt auch und besonders für Medienmarken. Die reine Lehre verlangt von Marken durch Kommunikation die Marke markenkerngerecht präsent zu halten und ihren Wert zu steigern. Mit anderen Worten: Marken müssen Imagewerbung machen, um den Markenkern zu publizieren. Das mag generell richtig sein, aber gilt das auch für Medienmarken? Für den Spiegel, für SAT 1 oder für Radio Sharivari?

Ich vertrete die These: Für Medienmarken ist Markenwerbung wie weißer Schimmel oder doppelt gemoppelt. Nur wer zu viel Geld hat, sollte es auf diese Art verbrennen. Für Medienmarke gilt – anders als für Mercedes, Porsche, Homme, Kaufhof oder die Agentur Leven: die Marke wird schon automatisch durch die Existenz des Leistungsangebots medial verbreitet. Jeder Sender, jedes Print-Objekt kommuniziert den emotionalen, rationalen und selbstwertorientierten Markenkern mit jeder Sendesekunde oder auf jeder Seite. Was nicht bedeutet, dass eine Medienmarke keine Kommunikation benötigt. Aber die Kommunikation der Medienmarke kann sich im Normalfall auf den Markenkern stärkende Umfeldaspekte konzentrieren.

Ein besonders wichtiger Umfeldaspekt ist die Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit ist die neue Währung der Kommunikation – so lässt sich ein aktueller Trend beschreiben. Und übrigens: Die Glaubwürdigkeit des Mediums färbt via „Framing Effect“ auf die dort geschaltete Werbung ab.

Aber wie und wodurch wird die Glaubwürdigkeit einer Marke und auch einer Medienmarke in der Kommunikation erreicht? Glaubwürdigkeit setzt sich aus drei Dimensionen zusammen, die sich gegenseitig stärken und durchdringen: Kompetenz, Vertrauen und Dynamismus (ursprünglich eine philosophische Lehre, die alles Sein auf Kräfte und alles Geschehen auf Wechselwirkung von Kräften zurückführt).

Der Kompetenzeindruck kann durch Kommunikation gestützt und verstärkt werden, indem z.B. der erhellende Blick hinter die Kulissen der Medienmarke erlaubt wird. Vertraut wird beispielsweise einer Marke, mit der man selbst oder Stellvertreter (Testimonials, Prominente, Meinungsführer, Vorbilder) gute Erfahrungen gemacht haben. Vertrauen bedarf auch einer Einzigartigkeit der Marke sowie der Markensympathie.

Um Glaubwürdigkeit zu erreichen, aufrecht zu erhalten oder zu steigern, ist es notwendig in die Kommunikation auch die dritte genannte Komponente – den Dynamismus – zu integrieren. Sicherlich die ungewöhnlichste Komponente, da das unbekannteste Konstrukt im Rahmen von Glaubwürdigkeit. In dem hier beschriebenen Zusammenhang meint Dynamismus die Bereitschaft des Rezipienten die vom Sender geforderte Vertrauenswürdigkeit auch zu testieren.

Es liegt auf der Hand, dass man jemandem, der in der Vergangenheit „Wort gehalten hat“, der also eine entsprechende Reputation hat, vertraut. Fehlt die Reputation, können in der Werbung selbstbindende Versprechen gegeben werden: Geld-zurück-Garantien, Gewährleistungen, Garantien oder garantierte Mindestrenditen sind bekannte Beispiele für selbstbindende Versprechen. Vertrauensfördernd ist es auch, wenn nur kleine und damit leichter nachprüfbare Versprechen gegeben werden: Wer nicht so dick aufträgt, ist glaubwürdiger.

Die Realität aber sieht anders aus: Die Kommunikation der Medienmarken außerhalb des eigenen Mediums kolportiert meist einzelne Sendungen oder Formate oder macht deutlich, was das Medium ist oder sein will. Die Wirkung in Bezug auf Glaubwürdigkeit spielt kaum eine Rolle.

Generell steht zu erwarten, dass die Öffentlichkeit zunehmend intensiver Zusammenhänge hinterfragt: Ein kritisches Medium wird sich gefallen lassen müssen, dass es nicht nur anhand seiner Berichterstattung beurteilt wird, sondern auch daran, in wie weit das Kritisierte im Unternehmen selbst abgestellt ist. Das Anprangern von schlechten Arbeitsbedingungen durch Journalisten, die selbst einer rechtlich völlig ungesicherten Arbeit nachgehen, wird unglaubwürdig werden, weil man als Leser, Zuhörer, Zuschauer oder Umworbener die Dinge nicht mehr unverbunden nebeneinander sieht. Warum also nicht auch Nachhaltigkeit zum Thema der den Markenkern stützenden Werbung der Medienmarke machen?

Und damit sind wir bei der Relevanz der Marke angekommen: Stringentes und kontinuierliches Markenmanagment, ausgerichtet auf die Kompetenz der Marke, auf Marken-Sympathie und Marken-Alleinstellung gepaart mit Beweisen fördern die Glaubwürdigkeit – oder anders ausgedrückt: Marken machen glaubwürdig. Und Glaubwürdigkeit macht Marken.

Über den Autor: Prof. Dr. Wilfried Leven ist Inhaber der Agentur Leven – Kommunikation im Marketing.