Kunden sanktionieren Fehlverhalten

Konsumenten haben geringes Vertrauen in große, globale Firmen und sehen die Wirtschaft zunehmend in der Verantwortung. Im internationalen Vergleich sind sie kritischer als Konsumenten aus den USA oder Großbritannien (GB). Eine neue McKinsey-Studie beleuchtet, wie Konsumenten die Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft einschätzen.

Die Berater stellten die Untersuchung, die nach 2006 bereits zum zweiten Mal durchgeführt wurde, anlässlich der jährlichen Pressekonferenz des Markenverbands in Berlin vor. An der Befragung nahmen mehr als 7 000 Verbraucher aus sieben Ländern teil. Für 93 Prozent der deutschen Konsumenten ist es der McKinsey-Studie nach selbstverständlich, dass Unternehmen einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten sollten. Im Vergleich zu 2006 ist dieser Anteil um 7 Prozentpunkte gestiegen. In den USA und GB sehen dagegen nur 86 beziehungsweise 88 Prozent der Verbraucher die Wirtschaft in der Pflicht.

„Firmen, die gesellschaftliche Erwartungen berücksichtigen, genießen einen Wettbewerbsvorteil. Eine Missachtung stellt dagegen ein enormes Risiko dar“, erklärt Thomas Tochtermann, Direktor im Hamburger Büro von McKinsey & Company und Autor der Studie. Mehr als ein Drittel der deutschen Konsumenten schätzt den Beitrag, den große Unternehmen generell zur Gesellschaft leisten als negativ ein. Einen positiven Anteil sehen nur 30 Prozent. Verglichen mit den USA und GB sind Verbraucher in Deutschland kritischer. Ein ähnliches Bild offenbart die Bewertung von Institutionen: Große, globale Unternehmen genießen bei deutschen, US-amerikanischen und britischen Verbrauchern nur geringes Vertrauen.

Der Studie zufolge hat das Thema Klimawandel national, aber auch international am stärksten an Bedeutung für Verbraucher gewonnen. „Firmen können es sich nicht leisten, hierzu keine Stellung zu beziehen“, erklärt Thomas Tochtermann. Abgesehen vom Megatrend Klimawandel unterscheiden sich Konsumenten weltweit in der Einschätzung von Themen. Für deutsche Verbraucher stehen laut Studie auch Altersversorgung sowie erschwingliche Produkte ganz oben auf der Agenda. US-Amerikaner sorgen sich dagegen insbesondere um ihre Krankenversorgung und den Abbau von Arbeitsplätzen. „Vor allem für global tätige Unternehmen gilt es deshalb, länderspezifische Besonderheiten in ihren Strategien zu berücksichtigen“, so der McKinsey-Direktor.

Deutsche Konsumenten zeigen der Untersuchung nach eine hohe Bereitschaft, gesellschaftliches Fehlverhalten von Unternehmen zu sanktionieren. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, Lebensmittel einer bestimmten Marke auf Grund der Firmenpolitik nicht gekauft bzw. Einzelhändler boykottiert zu haben. Rund 40 Prozent der befragten Verbraucher haben anderen außerdem vom Kauf eines bestimmten Produkts abgeraten.

Die Studie zeigt große Chancen für Unternehmen auf, die es schaffen, die Erwartungen der Gesellschaft in ihre Strategie einzubinden. „Dabei geht es nicht nur darum, das Risiko von Skandalen zu minimieren und sich als ‚good citizen‘ darzustellen. Werden Erwartungen richtig adressiert, können neue Geschäftsfelder oder Kundengruppen erschlossen werden und es entstehen nachhaltige Wettbewerbsvorteile“, so die Einschätzung von Thomas Tochtermann.

Dass Topmanager dies verinnerlicht haben, zeigt auch eine weitere Befragung von McKinsey aus dem Jahr 2006, an der weltweit rund 400 Führungskräfte teilnahmen. Nach Einschätzung von Vorständen und Geschäftsführern werden Verbraucher in den nächsten fünf Jahren Mitarbeiter als wichtigste Stakeholder von der Spitze verdrängen. Auch der Einfluss nicht staatlicher Organisationen wird in diesem Zeitraum erheblich zunehmen. Nach Ansicht des McKinsey-Beraters greift das bisherige Konzept von Corporate Social Responsibility (CSR), das viele Unternehmen etabliert haben, häufig zu kurz. Gründe dafür seien die isolierte Betrachtung von Unternehmenszielen sowie die schmale organisatorische Aufhängung. „Entscheidend ist es, die CSR-Aktivitäten in der Organisation und in der Agenda des Topmanagements zu verankern“, reesümiert Tochtermann.

www.markenverband.de
www.mckinsey.com