Kunden denken in Kaufentscheidungen, nicht in Dachmarken

Mit dem „Vatertagsspot“ hat Philips sicher emotional einen Volltreffer gelandet, um damit auch die „Philips Familie“ oder besser die „Philips Produktfamilie“ als den Helfer im Haushalt zu positionieren. Diese Werbelinie im Sinne von Storytelling möchte Philips laut dem Marken- und Kommunikationschef für Deutschland, Österreich und die Schweiz Thomas Schönen fortsetzen. So meinte er kürzlich in einer deutschen Werbefachzeitschrift: „Die Marke bietet „einen reichen Schatz“, wenn es um Storytelling geht.“

Werbespot versus Kaufentscheidung

Nur wird das Ganze auch funktionieren? Im Werbespot selbst gelingt es Philips perfekt die Dachmarke mit dem neuen Slogan „Innovation & you“ zu positionieren. Das ist die eine Seite, nämlich die Unternehmensseite. Aber es gibt auch eine andere Seite, nämlich die Kundenseite.
Denn Kunden denken, wenn man sich dann letztendlich ein Produkt anschaffen will, nicht in Dachmarken, sondern in Kaufentscheidungen, die Markenpräferenzen auslösen können oder auch nicht. Hier einige mögliche Beispiele dazu:

Man denkt an einen neuen Staubsauger. Man denkt an Dyson.

Man denkt an eine neue Kaffeemaschine. Man denkt an Nespresso.

Man denkt an eine neue elektrische Zahnbürste. Man denkt an Oral-b.

Man denkt an einen Elektrorasierer. Man denkt an Philips oder Braun.

Man denkt an einen neuen Fernseher. Man denkt an Samsung oder Sony.

Nur genau an diesem Punkt scheitern letztendlich viele Dachmarkenkonzepte, denn man ist (leider) in vielen Fällen bei vielen Einzelkaufentscheidungen nur jeweils ein weiterer Mitspieler unter vielen. Genau hier liegt etwa auch das aktuelle Markenproblem von Sony und demnächst wahrscheinlich auch von Samsung, sollte einmal die Strahlkraft des Samsung Galaxy nachlassen.

Abschied von der Megabrand-Phantasie

Natürlich ist es verständlich, dass Markenverantwortliche in ihrer eigenen Markenwelt leben und denken. Nur damit verliert man unter Umständen schnell auch die Sicht der Kunden aus den Augen. Für einen Manager von Nivea mag die Marke Nivea ein zentraler Bestandteil oder gar Mittelpunkt des Lebens sein. Für die Kunden ist Nivea, so gern man die Marke auch haben mag, immer nur ein (wahrscheinlich) kleiner Teil des Lebens.

So steht niemand in der Früh auf und sagt zu seinem Partner: „Wenn ich nachher bei dm einkaufe, muss ich unbedingt ein Nivea-Produkt kaufen.“ Viel größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Partner sagt: „Wir fliegen nächste Woche in den Urlaub und brauchen noch eine Sonnencreme.“ Und dann entscheidet sich, ob Nivea bei der Kaufentscheidung Sonnencreme die erste Wahl ist oder nicht.

Präsenz am Point of Sale

Nur Dachmarken wie Nivea oder auch Milka haben einen Riesenvorteil gegenüber Dachmarken wie Philips, Sony oder Samsung. Denn dadurch, dass die meisten Produkte von Nivea und Milka in den Regalen eng beisammenstehen, erzeugen beide Marken enorme Präsenz am Point of Sale. Das wird vor allem auch durch das Logo bei Nivea und der Markenfarbe bei Milka noch verstärkt. Nur die Produkte von Philips sind etwa im Elektrohandel in der Regel schön über die gesamte Fläche verteilt.

So gesehen ist Philips aus Unternehmenssicht ein brillanter Werbeauftritt gelungen, um die Dachmarke im Sinne einer Markenfamilie in 40 Sekunden zu verpacken. Nur ob das Ganze auch aus Kundensicht funktionieren wird, ist eine ganz andere Sache. Denn Kunden denken in der Regel nicht in Dachmarken, sondern in Kaufentscheidungen. So gesehen wäre es aus Markensicht vielleicht besser gewesen, die grundlegende Markenstrategie zu hinterfragen, statt nur Werbelinie und Slogan (wieder einmal) zu ändern.

Über den Autor: Markenstratege Michael Brandtner ist der Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung in Rohrbach, OÖ, Associate of Ries & Ries und Autor des Buches „Brandtner on Branding“. Sein Blog: www.brandtneronbranding.com