Schlüsselfrage für den Erfolg von KI: „Künstliche Intelligenz für Marken ist keine Option, sondern ein Muss“

Bereits heute haben größere Handelsunternehmen aktive und erfolgreiche Projekte auf KI-Basis umgesetzt. Die erreichbaren Wettbewerbsvorteile und der Einsatz von KI beim Wettbewerber führen zunehmend zu einem Druck bei allen Unternehmen, dem nachzueifern.
Auf künstliche Intelligenz spezialisierte Start-ups sind vor allem in Berlin und München zu Hause.

Ein Gastbeitrag von Sören Stamer (CoreMedia), Lableiter Künstliche Intelligenz im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW)

Die Hälfte aller vom BVDW befragten Personen (Zeitraum Juli – August 2018) geht davon aus, dass ihr Geschäft 2025 nicht mehr ohne KI funktionieren wird. Zudem wird insgesamt die Notwendigkeit, sich mit KI zu beschäftigen, als hoch bis sehr hoch eingestuft. Für den Handel hat KI nach Auffassung der Befragten eindeutig eine wirtschaftliche Relevanz. Dabei wird vor allem die Gewinnung von Erkenntnissen über die Kunden und ihre Bedürfnisse genannt, die die Beratung verbessern, die Relevanz von Suchergebnissen steigern oder im Service zum Einsatz kommen. Auch der Einsatz von Chatbots in Service und Beratung (Conversational Commerce) wird mehrfach genannt. Darüber hinaus sehen die Befragten relevante Einsatzmöglichkeiten in den Bereichen Lager/Logistik, Vorhersagen und Sortimenten.

Schlüsselfrage für den Erfolg von KI im Handel wird sein, für welche Einsatzfelder sie letztendlich eingesetzt wird.

1. KI wird von Händlern und Marken genutzt werden, um für Kunden persönlicher, effizienter und schneller zu werden

Untersucht man die möglichen Einsatzgebiete von KI im Handel, wird schnell deutlich, dass auch hier der Kunde Treiber ist: Voraussichtlich wird die persönliche Kundenabsprache vom Händler als optimales Testfeld für KI angesehen, wie auch in der BVDW-Umfrage bestätigt wird. Bei der Diskussion um KI im Handel sollte daher vor allem der:die Kund:in im Fokus der Überlegungen stehen, und nicht – wie momentan oft diskutiert – die Opportunitäten vom KI-Einsatz für den Anbieter.

KI ausschließlich für den Einsatz eines Anbieters zu sehen, greift daher zu kurz. Vielleicht wird der Händler durch die KI-Nutzung eines Verbrauchers selbst viel stärker beeinflusst. Google hat mit Duplex kürzlich eine Möglichkeit vorgestellt, Privatpersonen Zugang zu KI zu geben, um beispielsweise Terminvereinbarungen durch einen Bot, in diesem Fall telefonisch, lösen zu lassen.

https://www.youtube.com/watch?v=bd1mEm2Fy08

Diese Möglichkeit weitergesponnen, ist es in einigen Jahren nicht auszuschließen, dass Privatkunden Bots für den Einkauf – auch online – beauftragen und dass sich dieser Bot zwischen Händler und Kunde einnistet. Somit sollte der Blick auf E-Commerce und KI dahingehend erweitert werden, wie sich die Interaktion mit Kunden insgesamt ändern kann. Der Blick sollte sich nicht ausschließlich darauf fokussieren, was der Händler als Anbieter beim KI-Einsatz beachten muss.

2. Auch mittlere und kleine Unternehmen (KMU) werden gezwungen sein (im Rahmen ihrer Möglichkeiten und ihres Geschäftsmodells) KI-Systeme einzusetzen, um am Markt zu bestehen

Momentan wird KI vor allem durch sehr große, multinationale Player getrieben. Damit auch deutsche Unternehmen vom KI-Einsatz profitieren können, müssen insbesondere Unternehmen mittlerer und kleinerer Größenordnung massiv in KI investieren. Hier mangelt es insbesondere an Wissen und einem Know-how-Transfer. KI kann zudem nicht in rein deutschen Grenzen „gedacht“ werden, sondern europäischen Wirtschafts- und Politikkooperationen kommt eine essentielle Bedeutung zu. Die Initiative für ein deutsch-französische Forschungszentrum für künstliche Intelligenz sowie die Einberufung der High-Level Expert Group on Artificial Intelligence (AI HLG) der Europäischen Kommission sind erste, wichtige Schritte in die richtige Richtung.


Der Bundesverband Digitale Wirtschaft erarbeitet derzeit ein Whitepaper zu KI im Handel, das in Kürze erscheint. Künstliche Intelligenz ist ein Fokusthema des Verbands, das aktuell mit mehreren Veranstaltungen und Arbeitsgruppen vorangetrieben wird.


Über den Autor: Als Mitgründer von CoreMedia im Jahr 1996 hat Sören Stamer neben seinem Master of Business Administration (Diplom-Kaufmann) von der Universität Hamburg umfassende Start-Up und Führungserfahrung. Er begeistert sich für Themen wie die Frühpädagogik und Lösungen von Gesellschaftsfragen im Zeitalter von A.I. Im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. engagiert sich Stamer vor allem in der Fokusgruppe Digital Commerce und leitet darin das Lab Künstliche Intelligenz.