Kostensenkung statt Innovationen: Telefongesellschaften leisten für Kunden zu wenig

Die Netz-Ökonomie brummt, nur von den Netzbetreibern – also den Dinosauriern der Telekommunikation – redet kaum einer mehr, lautet die Diagnose des Online-Nachrichtendienstes „Neue Nachricht“. Dabei herrschte in den 1990er Jahren eine Goldgräberstimmung sowohl im Bereich Festnetz als auch im Mobilfunk. Die Konzerne brauchten nur die verkauften SIM-Karten zählen, um ermessen zu können, wie hoch der Jahresgewinn ausfällt. Besonders nach der Versteigerung der UMTS-Lizenzen vor zwölf Jahren haben sie den Hals nicht voll bekommen und mit den milliardenschweren Lizenzen von der multimedialen Wunderwelt getönt. Und was kam heraus? SMS und Klingeltöne. Bis zur iPhone-Einführung entfalteten sich weder die Gerätewelt für das mobile Internet noch irgendwelche massentauglichen Dienste. Ein branchenfremder Konzern wie Apple hat dann unter Beweis gestellt, wie man die App-Economy auf die Beine stellt und traditionelle Wirtschaftsbranchen von der Musikindustrie bis zur Unterhaltungselektronik aus den Angeln hebt.

von Gunnar Sohn

„Das industrielle Zeitalter, in dem der Anbieter dem Kunden überlegen war und ihm diktieren konnte, welche Produkte er wie zu konsumieren habe, ist definitiv vorbei. Jetzt leben wir im Service-Zeitalter, und da läuft das genau umgekehrt. Wer das nicht kapiert, verschwindet vom Markt. Die Manager der Telekommunikationsindustrie sollten sich schnell eine neue Lieblingsbeschäftigung suchen – den Kunden zuhören“, so der Rat des Service-Experten Peter B. Záboji von Bitronic. Das wollen die liebwertesten Telefonie-Gichtlinge jetzt alles ändern. So sieht es zumindest der Unternehmensberater Roman Friedrich von Booz und Co., der traditionell zum Mobile World Kongress in Barcelona seine Prognosen für die Telekommunikation vorlegt.

„In Barcelona werden sich die Netzbetreiber vor allen Dingen zum Thema ‚Operative Exzellenz‘ äußern. Man will drastisch die Kosten senken und effizienter werden. Es gibt einen weiteren Druck auf die Umsätze. Das zeichnet sich seit einigen Jahren ab. So sind die deutschen Gesamtumsätze im vergangenen Jahr auf 58,5 Milliarden Euro zurückgegangen. 2008 lagen sie noch bei 64,3 Milliarden Euro“, sagt Friedrich. Ein Trend, der sich in allen wichtigen europäischen Märkten abspielt. Einen Punkt könnte zumindest die Industriepolitik in Deutschland verbessern. „Es gibt eine ganz starke Korrelation zwischen der Infrastruktur-Ausstattung eines Landes und dem Sozialprodukt. Hier fallen wir zurück. Im weltweiten Maßstab sinken unsere Investitionen für Festnetz, Mobilfunk und Breitbandkommunikation. Wir verschenken damit Wachstum. Das ist leider ein Ergebnis der Regulierung“, kritisiert Friedrich.

Die Konzerne selbst wollen ihre Hausaufgaben machen, um mit dem Preisdruck fertig zu werden. Es werden mehr Dienste angeboten und trotzdem gehen die Preise zurück. Gut für die Verbraucher, schlecht für die Netzbetreiber. Kompensieren will man diese Gemengelage durch strukturelle Programme zur Kostensenkung. Gespart werden soll beim Netzbetrieb, durch das gemeinsame Betreiben von Netzen (Network-Sharing), durch Lean Management, Outsourcing und Synergien über Ländergrenzen hinweg – was bis zu Zusammenschlüssen auf internationaler Ebene geht, wie das Beispiel Vimpelcom-Orascom beweist.

Wachsen wollen die Netzbetreiber in Angeboten für Geschäftskunden, in der besseren Pflege der Kundenbasis und in der Ausweitung des Portfolios, wie es sich Telefonica auf die Fahne geschrieben hat. Zudem soll es Dividendenversprechen statt Kurspflege geben. Ob das Ganze aufgeht, darf bezweifelt werden. Um die Gewinne vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen zu verbessern, wird mehr auf der Kostenseite gearbeitet und weniger an der Steigerung der Umsätze. Eine andere Option haben die Telefonkonzerne wohl nicht. Wer macht denn die Musik im zukunftsträchtigen Mobil-Geschäft? Die Taktgeber sind hier Apple und Google. Von den verstaubten Telefonie-Läden ist wenig zu sehen.

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