Können Mitbewerber DSGVO-Verstöße abmahnen? Ja, nein, vielleicht – drei Gerichte, drei Meinungen

Viele Unternehmen haben die Vorgaben der DSGVO bisher nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Doch die befürchtete Flut an Abmahnungen blieb bisher aus. Woran liegt das? Juristen streiten noch heftig darüber, ob DSGVO-Verstöße wie etwa eine unvollständige Datenschutzerklärung auf einer Website überhaupt von Mitbewerbern abgemahnt werden können. absatzwirtschaft klärt über den aktuellen Stand auf.

Von Gastautorin Dr. Annika Jo Heinrich , Rechtsanwältin

Es war das Angstszenario schlechthin – die große Abmahnwelle, die flächendeckend über deutsche Unternehmen hinwegrollt. Zwar berichteten die Medien immer wieder über Einzelfälle, die befürchtete Flut an Abmahnungen blieb jedoch bisher aus. Das mag auch daran liegen, dass Juristen noch heftig darüber streiten, ob DSGVO-Verstöße wie etwa eine unvollständige Datenschutzerklärung auf einer Website überhaupt von Mitbewerbern abgemahnt werden können.

Das Landgericht (LG) Würzburg untersagte kürzlich einer Rechtsanwältin wegen einer unzureichenden Datenschutzerklärung den Betrieb ihrer Internetseite (Beschluss v. 13.9.2018 – 11 O 1741/18 UWG). Ein Mitbewerber hatte sie deswegen abgemahnt. Ohne die Entscheidung groß zu begründen, ging das LG Würzburg davon aus, dass es sich bei DSGVO-Verstößen um Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht handelt, die von Mitbewerbern abgemahnt werden können.

Wer kann Verstöße gegen Datenschutzrecht geltend machen?

Genau gegenläufig urteilte das LG Bochum in einem ähnlichen Fall (Urteil v. 7.8.2018, I-12 O 85/18). Die Beteiligten vertrieben Waren über das Internet – der Kläger machte auch hier geltend, dass sein Konkurrent seine Kunden nicht korrekt über die Verarbeitung personenbezogener Daten informiert hatte. Der Kläger hatte damit jedoch keinen Erfolg: Das LG Bochum entschied, dass ein solcher Verstoß gegen die Informationspflichten der DSGVO nicht mit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung verfolgt werden kann. Die DSGVO enthalte detaillierte und abschließende Regelungen dazu, wer Verstöße gegen Datenschutzrecht geltend machen könne – Mitbewerber seien dort aber nicht genannt.

Wo ist die klare Linie?

Einen dritten, differenzierteren Weg schlägt das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg ein (Urteil v. 25.10.2018, 3 U 66/17). Dort stritten zwei Pharmaunternehmen über die Verwendung von Medikamenten-Bestellbögen ohne Einwilligung des Patienten. Das OLG Hamburg vertritt die Auffassung, dass DSGVO-Verstöße grundsätzlich von Mitbewerben abgemahnt werden können. Allerdings sei jeweils genau zu prüfen, ob die konkret gerügte Handlung tatsächlich einen Wettbewerbsverstoß darstellt. Das sei nur dann der Fall, wenn die datenschutzrechtliche Regelung dazu bestimmt ist, das Verhalten der Marktteilnehmer zu regulieren. Im konkreten Fall verneinte das OLG diesen Punkt. Eine klare Linie ist damit bisher nicht erkennbar – wer gehofft hatte, dass erste Gerichtsentscheidungen für Klarheit sorgen würden, muss sich enttäuschen lassen. Vielmehr ist in der nächsten Zeit mit weiteren, konträren Entscheidungen zu rechnen.

Dass Unternehmen dringend Rechtssicherheit benötigen, ist auch auf politischer Ebene angekommen. Bayern hat Ende Juni einen Gesetzentwurf zur Anpassung zivilrechtlicher Vorschriften an die DSGVO in den Bundesrat eingebracht. Der Entwurf sieht u.a. vor, dass das Datenschutzrecht ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) herausgenommen wird und bloße Verstöße gegen datenschutzrechtliche Unterrichtungspflichten auch keine Ansprüche von Verbänden nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) begründen. Im September hat außerdem das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz einen Entwurf für ein „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ veröffentlicht, das generell missbräuchliche Abmahnungen eindämmen soll.

Gegen die Abmahnung vorgehen

Wer als  Unternehmer eine Abmahnung wegen eines DSGVO-Verstoßes erhält, sollte in jedem Fall den abgemahnten Sachverhalt genau prüfen. Gerade wenn personenbezogene Daten nur in geringen Umfang verarbeitet werden wie bei der Bereitstellung eines Kontaktformulars auf einer Homepage, oder es sich nur um kleinere Fehler in einer Datenschutzerklärung handelt, kann es sich gegebenenfalls lohnen, unter Berufung auf das Urteil des LG Bochum oder die Auffassung des OLG Hamburg gegen die Abmahnung vorzugehen.

Für endgültige Klarheit wird aber vermutlich erst der Gesetzgeber sorgen.

Zur Autorin: Dr. Annika Jo Heinrich von der Sozietät GGV Grützmacher Gravert Viegener berät international tätige Unternehmen im Wirtschafts- und Arbeitsrecht mit Schwerpunkt Datenschutzrecht.