Kleingedrucktes unter der Lupe

Nur wenige Internetnutzer beschäftigen sich online auch mit dem Kleingedruckten. Für den Händler sind die AGB ohnehin noch wichtiger. Wer sie verfasst, darf sich keine Fehler erlauben. Professionelle Hilfe muss her.

Wer die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Internet-Riesen Amazon in eine Word-Datei kopiert, erhält acht gut gefüllte DIN-A4-Seiten. Es ist keine Lektüre, die sich flüssig liest. Das ist der Hauptgrund, warum die meisten Internetnutzer sie ignorieren. Gerade einmal jeder fünfte User beachtet mehr oder weniger aufmerksam das „Kleingedruckte“, hat das Institut Aris im Auftrag des Hightech-Verbandes Bitkom herausgefunden. Es fehle an Klarheit und Verständlichkeit, kritisieren die Befragten. Über die Hälfte der Internetnutzer wünschen sich verständlichere Formulierungen.

„Unsere Vermutung hat sich bestätigt, dass nur eine Minderheit im Internet das Kleingedruckte liest“, sagt der Präsident des Hightech-Verbandes, Professor Dieter Kempf. „Es ist nur allzu verständlich, dass man sich nicht durch einen oft seitenlangen, schwierigen Paragraphendschungel quälen will. Aber man geht damit unter Umständen Risiken ein.“

Nur Informationshäppchen

Unverständlichkeit ist ein Grund, ein weiterer sei die Schnelligkeit des Mediums Internet, sagt Andreas Arlt, Vorstandsvorsitzender beim Händlerbund, dem laut eigenen Angaben größten Online-Handelsverband Europas. Viele Nutzer navigieren in Sekundenschnelle durch das Netz und nehmen nur Informationshäppchen wahr. Aber: „Je nach Geschäftsmodell können die AGB eines Anbieters mehrere Seiten lang sein und zum Teil komplizierte Klauseln enthalten“, so Arlt. „Bei denen wäre die Kenntnis von juristischen Fachbegriffen erforderlich, um den eigentlichen Regelungsgehalt zu verstehen.“ Und gerade Kunden, die die AGB einmal gelesen und nicht verstanden haben, überspringen diesen Schritt künftig gerne und setzen den „Akzeptiert“-Haken, ohne sich die Lektüre „anzutun“, weiß Arlt aus Erfahrung.

Dazu komme, dass der Verbraucherschutz in Deutschland vergleichsweise stark ausgeprägt sei und die Verbraucher vermehrt über Ihre Rechte Bescheid wüssten. „Viele Kunden vertrauen auch auf den Schutz durch den Gesetzgeber und sind bei der Akzeptanz von AGB wenig misstrauisch“, sagt Arlt. „Andere Nutzer wiederum werden schlichtweg gar kein Interesse an den Geschäftsbedingungen haben, denen der gerade geschlossene Vertrag zugrunde liegt.“

Gefahr einer Abmahnung

Für den Händler haben die AGB ohnehin eine größere Bedeutung als für den Kunden. „Denn für fehlerhafte, das heißt unwirksame AGB-Klauseln kann er abgemahnt werden“, sagt Martin Rätze, Wirtschaftsjurist bei Trusted Shops, dem europäischen Marktführer bei der Zertifizierung von Online-Shops.

Fehlerhafte AGB sind immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung, berichtet Rätze. „Besonders häufig werden falsche Klauseln zum Gewährleistungsrecht der Verbraucher verwendet. Hier muss man wissen, dass man dieses Recht – bis auf ganz geringe Ausnahmen – nicht abweichend vom Gesetz in AGB regeln kann.“ Beispielsweise darf der Verbraucher mittels AGB nicht dazu verpflichtet werden, offensichtliche Mängel sofort beim Transportdienstleister zu melden.

Vorsicht bei Mustertexten

Wer die AGB verfasst, darf sich daher keine Fehler erlauben. Jeder Anbieter sollte sich fragen: Habe ich dafür Spezialisten im Unternehmen? „Als Händler sollte man sich auf seine Kernkompetenz konzentrieren: Das Verkaufen“, rät Martin Rätze. Zur Erstellung der rechtlichen Texte sollte man sich externer Hilfe bedienen. empfiehlt der Wirtschaftsjurist. „Auf keinen Fall sollte man die AGB aus einem anderen Shop kopieren oder gar aus mehreren anderen Shops zusammensetzen. Das kann in der Regel nur falsch werden.“ AGB sollten kurz gehalten werden. Große Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen seien im B2C-Handel nicht möglich.

Riskant ist auch die Verwendung von Mustertexten, von denen unzählige im Internet zu finden sind. „Musterformulierungen sind eine gute Basis“, sagt Rätze. „Sie sind aber eben nur Muster und müssen immer auf den jeweiligen Shop und häufig eine geänderte Rechtslage angepasst werden. Auch das ist ein Grund, warum man sich professionelle Hilfe für diesen Bereich des Shops sucht.“

Zahlreiche Anbieter wie Trusted Shops oder der Händlerbund bieten so einen Service an. Und einen weiteren Vorteil hat die Erstellung von AGB zum Beispiel durch einen Rechtsanwalt: Dieser ist für eventuelle Beratungsfehler haftpflichtversichert, sodass das Risiko des Händlers noch weiter sinkt.

Diese Rechtssicherheit verursacht allerdings die Verständlichkeitsprobleme. „Sicher ist es hierbei erstrebenswert und auch vom Gesetzgeber so vorgesehen, dass die Klauseln für den Verbraucher verständlich formuliert werden“, sagt der Händlerbund-Vorstandsvorsitzende Andreas Arlt. „Die Wahrheit ist aber, dass der juristische Laie AGB in deren gesamten Regelungsgehalt unmöglich verstehen kann.“

Zahlreiche Urteile setzen den Händlern enge Grenzen beim Formulieren der Klauseln. Andere Modelle beim Verfassen der AGB, zum Beispiel ein Frage-Antwort-Wechsel, sind kaum umsetzbar. Die Leserfreundlichkeit wäre gegeben, aber es ist fraglich, ob dann noch die von der Rechtsprechung verlangten Feinheiten klar und transparent formulierbar sind. „Das Frage-Antwort-Modell ist nicht geeignet für AGB“, sagt Arlt ganz klar. „AGB sind nicht dazu gedacht Fragen zu beantworten, sondern um Regelungen für eine bestimmte Art von Verträgen zu treffen.“ Das Frage-Antwort-Modell gehört daher eher in den FAQ-Bereich einer Internetseite.

Rechtssicher und verständlich

Rechtssicherheit muss aber nicht zwingend Verständlichkeit ausschließen – darf es sogar nicht, sagt Thomas Bradler, zuständig für Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale NRW. Der Rechtsanwalt verweist auf das Transparenzgebot. Der gesetzlichen Bestimmung zufolge können AGB als unwirksam erklärt werden, wenn diese nicht klar und verständlich verfasst sind. „Dies ist der Fall, wenn ich die AGB lese und nicht weiß, was damit gemeint ist“, so Bradler. „Der Anbieter muss sich selbst fragen: Wie müssen meine AGB formuliert sein, damit sie noch verstanden werden.“

Bradler weiß aus Erfahrung aber auch, dass viele Kunden die AGB noch nicht einmal überfliegen. „Es ist einfach zu viel“, so der Rechtsanwalt. „Gerade online klickt man sie gerne weg. Aber das muss auch nicht zwingend schädlich sein.“ Natürlich sollte man zum Beispiel einen Blick auf Kündigungsfristen werfen. „Allerdings darf in den AGB nicht stehen, was will. Was den Kunden unangemessen benachteiligt, ist unwirksam.“

Tipps vom Experten

Zahlreiche Dienstleister haben sich auf das Verfassen von Rechtstexten spezialisiert. „Viele Online-Händler glauben, es reiche aus, sich die Rechtstexte einmalig erstellen zu lassen“, sagt Philip Heilberger, Geschäftsführer bei Protected Shops. „Insbesondere im Online-Recht ist die Rechtsprechung jedoch sehr schnelllebig.“ Das Münchener Unternehmen bietet diverse Schutzpakete mit ständigen Aktualisierungen für Händler an. „Wenn sich Rechtstexte etwa wegen einer Gesetzesänderung geändert haben, informieren wir unsere Kunden per E-Mail“, so Heilberger. „Unsere Kunden geben uns in einem Fragenkatalog Angaben zu ihrem Onlineshop. Der Rechtstext-Generator erstellt damit auf Basis von anwaltlich erstellt Texten individuelle Rechtstexte.“

Auch der Händlerbund bietet seinen Mitgliedern einen Rechtsschutz für deren Internetpräsenz. Unter anderem erstellen die Experten des Verbandes Rechtstexte und prüfen die Shops der Mitglieder. Je nach Leistungspaket bietet der Händlerbund auch persönliche Rechtsberatung an und vertritt Anbieter im Fall von Abmahnungen anwaltlich vor Gericht. Trusted Shops ist europaweit der größte Anbieter in Sachen Zertifizierung von Online-Shops. Das Unternehmen überprüft die Händler nach mehr als hundert Einzelkriterien wie Bonität, Preistransparenz, Kundenservice und Datenschutz. Die Leistungspakete umfassen dabei weit mehr als nur den Rechtsschutz.

Von Michael Schlösser. Quelle: Mittelstandsmanager.de