Kanzlei ermutigt Geschädigte gegen VW & Co. zu klagen: „Es lohnt sich, dafür einen eigenen Spot zu erstellen“

Es ist beim Thema Diesel-Umrüstung ein Hin und Her in den Regierungsreihen. Klar ist: Derzeit ziehen viele Volkswagen-Käufer, deren Fahrzeuge in der Abgas-Affäre eine Rolle spielen, vor Gericht. Das haben natürlich auch Anwaltskanzleien mitbekommen und starten eine PR-Offensive, um Käufer zur Klage zu motivieren - mit Werbemaßnahmen.
Einen Neuwagen, Schadensersatz oder doch beides? Eine Kanzlei will Dieselfahrern helfen

Der Spot läuft bei n-tv, Welt, DMAX, diversen Sky-Sendern sowie Youtube und Facebook. Es ist eine Werbesendung, die motivieren soll, endlich zu klagen. Gegen wen? Gegen Volkswagen, Daimler und Co. Die im Spot beworbene Webseite diesel-verhandlung.de informiert über Ansprüche und macht darauf aufmerksam, wie man sich gegen den Konzern mithilfe der Kanzlei Baum, Reiter und Collegen wehren kann. Die Kanzlei vertritt in Kooperation mit der Berliner Anwaltskanzlei Gansel Rechtsanwälte zahlreiche Geschädigte im Abgasskandal.

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„Wir fordern, dass die Hersteller – allen voran VW – so schnell wie möglich eine effektive Hardware-Nachrüstung organisieren und die Kosten dafür übernehmen“, sagt Kanzlei-Gründer Professor Julius Reiter. „Gerade vor dem Hintergrund glänzender Verkaufszahlen und Milliardengewinnen ist es nicht hinnehmbar, dass sie sich weigern – und offenbar darauf setzen, dass der Steuerzahler an den Kosten der Nachrüstung beteiligt wird.“

Anwälte werben normalerweise nicht

„Mit einer Rechtsdienstleistung eine so breit angelegte Kampagne zu starten ist nicht nur für uns Neuland, sondern für die ganze Branche“, so Matthias Weigand, Head of Marketing von Gansel Rechtsanwälte, gegenüber dem Branchendienst Horizont.

Mit dem neuen Spot will die Kanzlei darauf aufmerksam machen, dass VW-Anleger und Autobesitzer eine kostenlose Erstprüfung ihrer möglichen Schadensersatz-Ansprüche bei ihnen erhalten können. „Kaufpreis zurück, Neufahrzeug oder man behält das Auto und erhält Schadensersatz“. Warum aber nun die Eile? Wer sich wehren möchte, muss das bis Ende des Jahres tun. Die Ansprüche der Käufer könnten sonst gegen den Hersteller verjähren. Denn die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Verjährung drei Jahre nach Bekanntwerden des Skandals eintritt.

Werden Kanzleien nun auch zu Marken und preisen demnächst überall Rechtsdienstleistungen in TV-Spots an? „Zunächst einmal ist es auch für Kanzleien zulässig, für die eigenen Leistungen zu werben“, so Markenexperte Karsten Kilian. „Allerdings kann meist nur allgemein auf das eigene Leistungsangebot hingewiesen werden, da die Nachfrage nur sehr punktuell auftritt und häufig sehr speziell ist.“

Beim vorliegenden Fall sind allerdings 2,8 Millionen Modelle der Marke VW betroffen. Tatsächlich bleiben Dieselfahrer bei Untätigkeit auf ihrem Schaden sitzen. „Dieselfahrern bleibt nur eine Möglichkeit, nämlich so schnell wie möglich den Klageweg gegen den Hersteller zu beschreiten“, empfiehlt der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum. Er hatte schon vor einem Jahr mit seinem Anwaltsbüro angekündigt im Namen der Kunden „im Sammelverfahren“ auf Schadenersatz zu klagen. Der neue Anwalts-Spot kommt von seiner Kanzlei.

Kilian rechnet vor: „Geht man davon aus, dass hinter jedem Dieselauto im Schnitt zwei Personen stehen, so sind immerhin sieben Prozent der Deutschen davon betroffen. Hinzu kommen Geschädigte der Marken Audi, Seat, Skoda und Porsche sowie Mercedes-Benz und weiteren Autohersteller. In Summe ist die Werbung somit für geschätzt zehn Prozent der Bevölkerung interessant. Dafür lohnt es sich, einen eigenen Spot zu erstellen und Geld für die mediale Ausstrahlung zu investieren.“ Persönlich gehe er aber nun nicht davon aus, dass Kanzleien massiv in mediale Werbung investieren werden. „Breit angelegte Werbung von Kanzleien dürfte auch zukünftig größeren Sonderfällen vorbehalten sein.“

Ein Vorteil von Kläger und Kanzlei wird der November mit sich bringen: Denn dann gibt es die Erlaubnis von Musterfeststellungsklagen: Kunden können sich zusammenschließen, um ein Unternehmen zu verklagen. „Sind, wie beim VW-Dieselskandal, ausreichend viele Privatpersonen von einem Schaden betroffen, macht es Sinn, breit für die rechtlichen Möglichkeiten der Verbraucher zu werben“, erklärt Kilian. Breit angelegte Werbung ergibt für Kanzleien nur Sinn, wenn es sich um häufig auftretende Sachverhalte handelt, die standardisiert, zum Beispiel im Rahmen einer zukünftig möglichen Musterfeststellungsklage, abgearbeitet werden können. Zurzeit stürzen sich einige Player auf das Thema Dieselskandal und platzieren bei bestimmten Schlagwörtern ihre Angebote und Webseiten als Anzeige prominent über Google:

Screenshot Google 2018