Jugendliche haben kein digitales Gen

Der aktuelle JIM-Studienvergleich zeigt auf, wie sich die Mediennutzung der 12- bis 19-Jährigen in den vergangenen 15 Jahren verändert hat. Das Internet ist zum Alltagsmedium geworden, dabei geht die Mehrheit immer öfter über mobile Geräte online. Zeitungen und Zeitschriften werden in gedruckter Form weniger genutzt, sind aber digital als Medienmarke verankert und haben bei der jungen Generation eine höhere Glaubwürdigkeit als das Internet.
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Von Roland Karle

Es ist erst 15 Jahre her: Nur fünf Prozent der Jugendlichen waren 1998 regelmäßig im Internet unterwegs. Danach stieg die Zahl steil und stetig, seit 2009 bewegt sie sich auf stabil hohem Niveau: Heute nutzen neun von zehn Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren das Web täglich oder mehrmals pro Woche. Das Internet hat sich also zu einem festen Bestandteil ihres Alltags entwickelt. Das Nutzungsverhalten wird dabei durch die zunehmende Verbreitung der Smartphones wesentlich beeinflusst: Zwischen 2007 und 2011 verfügte etwa die Hälfte der Jugendlichen über einen eigenen Internetzugang, inzwischen sind es annähernd 90 Prozent.

Die repräsentative Studie JIM – Jugend, Information, (Multi)Media – analysiert seit eineinhalb Dekaden, wie Jugendliche in Deutschland Medien nutzen. Sie wird erhoben vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest, einer Kooperation der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) und der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK). Partner der Untersuchung sind der Südwestrundfunk (SWR) und die Zeitungsmarketing Gesellschaft (ZMG). Für die Basisstudie werden jährlich rund 1200 Zwölf- bis Neunzehnjährige telefonisch befragt.

Radiogerät wichtigster Musiklieferant


Musik hat ihre Rolle in der und für die Jugendkultur bewahrt. „Musik hören“ ist für rund 90 Prozent wichtig oder sehr wichtig – und landet im Ranking knapp vor „Internet nutzen“. Wichtigster Musiklieferant bleibt das Radiogerät, jedoch zeigen sich hier deutliche Verschiebungen: Innerhalb von fünf Jahren hat sich der Anteil derer, die via Internet und Handy/Smartphone Musik hören, etwa verdreifacht. Jeder zweite bis dritte Jugendliche nutzt inzwischen diese Kanäle.

Ein spezielles Phänomen zeigt sich bei den Printmedien: Die Quote der regelmäßigen Zeitungs- und Zeitschriftenleser ist in den vergangenen 15 Jahren von 59 auf 35 beziehungsweise 49 auf 23 Prozent gefallen. Immerhin 10 bis 18 Prozent der jungen Generation informieren sich täglich oder mehrmals pro Woche auf den Onlineseiten der Printmedien. Die Tageszeitung genießt bei Jugendlichen jedoch ein enorm hohes Ansehen, steht für Seriosität und professionellen Journalismus. „Die meisten Jugendlichen würden bei widersprüchlicher Berichterstattung auf die Angaben der Zeitung vertrauen. Das Internet hat hier trotz der intensiven Nutzung eine geringere Glaubwürdigkeit“, resümieren die Autoren der Studie. Dieser Befund wird auch dadurch nicht geschmälert, dass es heute weniger Abonnements in den Haushalten der Zielgruppe gibt:1998 kam die Zeitung noch jeden Morgen zu zwei Dritteln (67 Prozent), 2013 sind es noch 59 Prozent.

Traditionelle Medien weiterhin beliebt

Die vielen technischen Innovationen der vergangenen Jahre haben die Art, Auswahl und Anwendung von Medien bei Jugendlichen verändert, aber nicht komplett auf den Kopf gestellt. Im Langzeitvergleich der JIM-Studie zeigen sich etliche Konstanten. So haben die traditionellen Medien wie Fernsehen, Radio, Buch bei Jugendlichen nicht an Beliebtheit verloren und sie werden weiterhin rege genutzt. Nicht verändert haben sich die Motive und Bedürfnisse, die zur Mediennutzung führen. Hier sind nach wie vor der Kontakt und Austausch mit Gleichaltrigen, die Suche nach Informationen und die Rezeption von unterhaltsamen Inhalten zum Zeitvertreib die wesentlichen Triebfedern.

Auch bei den nichtmedialen Freizeitaktivitäten ist der persönliche Austausch immer noch am wichtigsten. 83 Prozent der Befragten geben an, sich regelmäßig mit Freunden/Leuten zu treffen (1998: 85 Prozent). Leicht zugenommen hat die Zahl der Jugendlichen, die Sport treiben (73 gegenüber 65 Prozent) und etwas mit der eigenen Familie unternehmen (27 versus 17 Prozent). Unter den Gruppierungen, denen Jugendliche angehören, rangieren Sportvereine mit einem Anteil von 64 Prozent (1998: 61 Prozent) an erster Stelle.

Stabil hat sich die Quote der regelmäßigen Buchleser(innen) entwickelt, die sich seit 15 Jahren mit leichten Schwankungen nach unten und oben bei rund 40 Prozent bewegt. Jeder zweite Jugendliche findet es (sehr) wichtig, Bücher zu lesen, wobei es Unterschiede nach den Geschlechtern gibt: Bei den Mädchen sind es 59 Prozent, bei den Jungs 44 Prozent.

Die „alten Medien“ haben weiterhin Bestand, betonte Thomas Rathgeb bei der Kindermedien-Konferenz 2013 Ende November in Berlin. Der JIM-Mitverfasser und Leiter der Abteilung Medienkompetenz, Programm und Forschung der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) hat beobachtet: „Kinder beginnen mit dem Buch, dann folgt schnell das Fernsehen. Ob die Kinder weiterhin Bücher nutzen, hängt von den Eltern ab.“ Auffallend, dass trotz allen beschworenen Trends zur Parallelnutzung von TV und Internet 98 Prozent der Jugendlichen ihre Sendungen im klassischen Fernseher verfolgen. Gleichwohl wächst die Zahl der Nutzer, die sich über alternative Geräte ins Programm einschalten: 15 Prozent schauen TV im Internet (2006: 4 Prozent), via Handy/Smartphone sind es 7 Prozent (2006: 2 Prozent) und via Tablet 4 Prozent.

Online-Einstiegsalter sinkt

Deutlich erkennbar ist: Die Onlinewelt wird immer früher entdeckt. Das Einstiegsalter fürs Internet liege inzwischen bei acht Jahren. Und: „Das Smartphone ist im Kommen und verändert die Mediennutzung“, so Rathgeb. Das Web wird dadurch noch intensiver genutzt, bei den Jugendlichen nimmt die Bedeutung des Fernsehens ab, die des Internets zu. Die liebste Seite im Netz sei Facebook vor Youtube.
Unter allen Jugendlichen, die „in den letzten 14 Tagen“ im Internet waren, nutzten 87 Prozent Computer/Laptop als Zugangsgerät – vor sieben Jahren waren es noch 99 Prozent. Inzwischen gehen drei von vier jungen Leuten (73 Prozent) mit dem Handy/Smartphone ins Netz – eine gewaltige Steigerung gegenüber 2006, als es gerade mal 5 Prozent waren. Auch iPad & Co kommen bei Jugendlichen an: Immerhin 14 Prozent besitzen einen Tablet-PC.

Inhaltlich hat sich bei der Internetnutzung in den vergangenen 15 Jahren recht wenig verändert. „Für Jugendliche steht seit jeher Kommunikation an erster Stelle. Fast die Hälfte der Onlinezeit wird für den Austausch mit anderen verwendet“, heißt es in der Studie. Jugendliche wollen sich mit Gleichaltrigen vernetzen, dabei ändern sich von Zeit zu Zeit die Plattformen, die für diesen Austausch genutzt werden. „Der Zweck und die dahinter stehenden Bedürfnisse bleiben aber gleich“, lautet ein Resümee der JIM-Forscher.

Dass die jungen Menschen so etwas wie ein digitales Gen haben, lässt sich allerdings nicht belegen: „Oftmals wird die unverkrampfte Herangehensweise von Jugendlichen an moderne Medientechnik missverstanden als eine Art angeborene Medienkompetenz.“ Die Zwölf- bis 19-Jährigen zeigen kaum Berührungsängste, wenn es um digitale Medien geht, und nutzen sie oft mit einer Selbstverständlichkeit, die Erwachsenen eher fremd ist. Das Fazit der JIM-Forscher: „Durch die starke Vernetzung mit der Peer Group verbreiten sich neue technische Entwicklungen unter Jugendlichen besonders schnell, zudem herrscht bei vielen auch der Anspruch, bei neuen populären Anwendungen dabei zu sein, um alle Neuigkeiten unvermittelt zu erfahren und mitreden zu können.“