Im Gehirn geht es um Belohnung – nicht um Emotion

Immer noch werden Marken zu sehr anhand ihrer Bedeutung taxiert. Man meint, gleichsam über den Aufbau von Emotionen, Kaufabsichten erzeugen zu können. Emotionen sind vielleicht sogar derzeit eines der am meisten überschätzten Steuerungsvariablen in der Werbung. Marketing-Entscheider müssen sich aber vielmehr fragen, ob ihre Marke das Belohnungszentrum anspricht.

Stellen wir uns einen Rapper vor, der im Regal ein Produkt von Maggi oder Persil sieht. Was passiert genau? Zuerst einmal kennt auch der Rapper die Bedeutung der beiden Marken. Er weiß, dass Maggi für Tradition steht. Denn er ist in unserer Kultur aufgewachsen, in der Kochschürzen mit Tradition assoziiert sind. Er hat es über implizites Lernen gelernt – ob er das nun wollte oder nicht. Das heißt allgemein gesprochen: Das Wissen darüber, wofür eine Marke steht, ist für alle gleich.

Diejenigen Menschen, die eine Marke aber nicht kaufen, tun das nicht, weil sie eine Botschaft nicht verstanden haben oder sie nicht glauben, sondern weil die von der Marke transportierte Bedeutung nicht belohnend genug für sie ist. Wir alle wissen implizit, wofür die Marke Apple steht, trotzdem hält Apple im PC-Markt weniger als zehn Prozent der Marktanteile. Die Belohnung „Think different“, welche die Marke Apple verspricht, ist nicht für alle gleich belohnend. Menschen taxieren Marken aber auf ihren Belohnungswert (Reward) hin. Unser Gehirn fragt also ohne Unterlass: „Was ist die Belohnung?“. Der Hirnforscher Manfred Spitzer formuliert es so: „Menschen sind motiviert, weil sie etwas gut finden; sie finden etwas gut, weil sie dafür belohnt wurden oder werden“.

Wenn wir in unseren Kopf schauen könnten, während wir eine ansprechende Speisekarte in einem edlen Restaurant betrachten – genau das haben Forscher der Universität Cambridge getan – dann würden wir sehen, dass die Amygdala, das Emotionszentrum, die ganze Zeit über aktiviert ist. Sie ist für die Frage zuständig „Ist es positiv oder negativ?“ und die Speisen klingen alle irgendwie lecker. Das Belohnungssystem (speziell: orbito-frontaler Kortex), bleibt jedoch erst einmal stumm. Erst wenn man die Teilnehmer am Experiment bittet, sich zu entscheiden, wird das Belohnungssystem aktiviert. Es legt also am Ende den Hebel um und entscheidet über Fisch oder Fleisch.

Ohne Belohnung kein Verhalten. Hier zeigt sich noch einmal, wie wenig wir Menschen mit einem instinkt- und emotionsgesteuerten Wesen zu tun haben. Zwischen die Emotion und das Verhalten ist das Belohnungssystem geschaltet. Also genau diejenige Hirnregion, die bei der Lieblingsmarke aktiv ist. Ob der Hebel umgelegt wird oder nicht, entscheidet der Belohnungswert einer Marke. Damit müssen sich beispielsweise Opel-Manager die Frage stellen: Stellt der Kauf eines Astra wirklich eine Belohnung für den Konsumenten dar? Tradition, Emotionen und Heritage definieren in diesem Sinne – sicherlich unbestreitbar, aber dennoch – nur die Bedeutung der Marke für Deutschland.

Über den Autor: Dr. Christian Scheier ist Geschäftsführer bei der Decode Marketingberatung.