„Ich kämpfe für den Freispruch.“

Erstmals seit zwei Jahren stellt sich der ehemalige CEO von Aegis Media, Aleksander Ruzicka, Journalistenfragen. Er äußert sich zum Urteil sowie den Hintergründen und Folgen der Affäre. Ruzicka wurde im Mai 2009 nicht rechtskräftig wegen Untreue zu elf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Am 3.Dezember 2009 endete die Frist zur Begründung der Revision. Der Bundesgerichtshof befasst sich nun mit dem Urteil gegen Ruzicka, der seit dem 24.Oktober 2006 in Untersuchungshaft sitzt. Die Reaktionen der Staatsanwaltschaft Wiesbaden und Aegis Media lesen Sie am Ende des von Michael Ziesmann geführten Interviews.

Herr Ruzicka, was werden Sie am 25. Januar 2018 tun – es ist ein Donnerstag?

RUZICKA: Ich werde auf einer Terrasse sitzen, einen trockenen Weißwein trinken und in die Sonne schauen.

Weil Sie Ihren ersten Tag in Freiheit genießen?

RUZICKA: Ich bin sehr zuversichtlich, dass das nicht mein erster Tag in Freiheit sein wird.

Sie sagten immer wieder, die Richtigkeit aller Vorgänge beweisen und belegen zu können. Wäre nicht jetzt der richtige Zeitpunkt, um damit anzufangen?

RUZICKA: Ich glaube, ich habe damit schon angefangen. Jeder Punkt, den ich ausgesagt habe, jeden Beweis, den ich vorgelegt habe, jeder Sachverhalt, den wir in das Verfahren eingeführt haben, alles das ist durch Beschlüsse des Gerichts zu unseren Beweisanträgen bestätigt worden. Diese Beschlüsse sind Teil des Urteils. Auch wenn die Kammer den Beweisantrag selbst abgelehnt hat, ist dadurch kein einziger Punkt meiner Angaben widerlegt worden. Es ist beispielsweise völlig unstrittig, wer eine Rechnung gestellt und wer diese bezahlt hat. Entscheidend ist die rechtliche Würdigung dieser Vorgänge. Der Hauptunterschied in der Auffassung der Anklage und mir ist, dass ich Geschäftsbesorgungsverträge hatte, aber die Staatsanwaltschaft meint, dass es Handelsverträge seien. Die Kammer in Wiesbaden hat aber in Beschlüssen und im Urteil bestätigt, dass es Geschäftsbesorgung und eben kein Handel ist.

Dennoch hat Ihnen Richter Bonk nichts geglaubt und gegen Sie geurteilt.

RUZICKA: In meiner Auffassung hat mich auch das Urteil in Sachen Danone in München vollständig bestätigt. Die Staatsanwaltschaft München sieht das genauso. Die Einstellung der Strafverfahren gegen 50 Personen in 15 Mediaagenturen konnte nur erfolgen, weil auch dort Geschäftsbesorgungsverträge mit den Kunden bestehen. Wäre es Handel, wären die Share Deal Rabatte für die Agenturen gedacht gewesen, was als Bestechung gewertet werden könnte. Das ist aber nicht der Fall, da die Vorteile zur Weitergabe an die Kunden gedacht waren. Da es demnach keine Bestechung der Agenturen sein kann, sind diese Verfahren eingestellt worden. Diese Umstände bestätigen genau das, was ich zu jedem Zeitpunkt ausgesagt habe. Die Kammer in Wiesbaden sagt auch, dass die Gelder, die bei Aegis abgegangen sind, keine Aegis-Gelder sondern Kundengelder waren. Genau das, was ich Ihnen schon vor zwei Jahren im Interview erzählt habe. Im Urteil schreibt die Kammer nun, dass es um Geschäftschancen geht, die Aegis aufgrund der Geldflüsse nicht habe wahrnehmen können. Ein Thema, das nur in einem Punkt Teil des Prozesses war und dabei in einem Beschluss der Kammer als unbedeutend eingeordnet wurde. Die Grundlage, mit der die Kammer zu diesem Urteil gelangt ist, ist nicht die Auffassung, die dieselbe Kammer in ihren Beschlüssen zu unseren Beweisanträgen festgehalten hat.

Warum konnte das kein Zeuge bestätigen?

RUZICKA: Hans-Henning Ihlefeld (ehem. Aegis Finanzchef, Anm.) hat es doch bestätigt. Er sagte, ja wir hatten einen Vertrag mit Watson Communications…

…für Events in limitiertem Umfang.

RUZICKA: Als einer der Initiatoren der Anzeige gegen mich hat er naturgemäß ein Interesse daran, das runterzuspielen. Jerry Buhlmann (Global CEO Aegis Media, Anm.) wurde gefragt, ob Kostenauslagerung ein Thema bei Aegis sei. Er sagte, dass das bei Aegis ein Thema ist, er jedoch nicht von Kostenauslagerung sondern von Kostenvermeidung spricht. Er wusste auch, dass dabei Freispot-Management eine Rolle spielt und es die lokale Verantwortung von Aegis in Deutschland mit mir als CEO war. Jerry hat doch bestätigt, dass er Emerson FF kannte, Joachim Lüdeke (GF Emerson, Anm.) getroffen hat und Kostenvermeidung bekannt war. Das steht auch so im Urteil. Außer Andreas Bölte (Aegis Media CEO EMEA, Anm.) ist doch niemand gekommen und hat ausgesagt, dass das alles nicht stimmt, was ich sage und alles kategorisch verneint. Aber auch er hat bestätigt, dass im German Executive Board bei Aegis über Kostenstrategien gesprochen wurde. Ihlefeld sagte auch aus, dass Events besprochen und die Umsetzung konsensual entschieden wurde.

Sie wollen damit sagen, dass Sie aus Versehen zu elf Jahren Haft verurteilt wurden?

RUZICKA: Im Prinzip hat die Kammer auf 253 Seiten Urteil nichts anderes getan, als zu schreiben: das was ich sage, ist alles schön und gut, spielt aber keine Rolle, weil ich keine Nebentätigkeit hätte machen dürfen. Im Urteil steht sinngemäß, dass das, was ich mit Camaco und Watson als Nebentätigkeit gemacht habe, Aegis hätte selbst machen können. Die Kammer interpretiert aus den Rechnungstexten von Emerson FF einen Verkauf von Werbespots, obwohl sie selber in einem Beschluss festgestellt hat, dass mit diesen Rechnungen nur ein prozentuales Honorar auf das realisierte Schaltvolumen berechnet wurde. Die Kammer hat auch festgestellt, dass es Gelder der Kunden waren. Um aber dennoch zu diesem Urteil gelangen zu können, schreibt die Kammer, dass die von Watson realisierte Eventsparte auch Aegis hätte tun können. In der von mir vorgelegten Commercial-Policy von Aegis ist jedoch festgehalten, dass genau das ausgelagert werden soll. Genau das haben wir bei Aegis umgesetzt.

Ihre Nebentätigkeitserlaubnis bezog sich aber auf geringfügige Nebentätigkeiten…

RUZICKA: …da muss ich Sie korrigieren. Ich habe hier meinen Arbeitsvertrag. In der Fassung von 1995 steht tatsächlich eine Erlaubnis für Nebentätigkeiten in geringem Umfang. Als ich 1999 CEO wurde, ist eine neue Vereinbarung getroffen worden. Da steht, dass sogar das Wettbewerbsverbot mit sofortiger Wirkung umfassend aufgehoben wird. Ich kann daher weder mit Eventmanagement, Informations-Management oder CRM in Konkurrenz zu Aegis getreten sein. Ich habe dafür eine schriftliche Genehmigung vom alleinigen Gesellschafter meines Arbeitgebers.

Warum haben Sie es versäumt, sich im Prozess frühzeitig zu äußern und dem Gericht an Beispielen ihre Sicht zu belegen?

RUZICKA: Genau das habe ich doch getan. Ich habe über 70 Beweisanträge stellen lassen. Jeder Antrag ist mit solchen Dokumenten belegt. Konkreter als mit solchen Beweisanträgen kann ich es nicht machen. Das steht dann auch im Protokoll. Meine gesamte mündliche Aussage steht beispielsweise überhaupt nicht im Protokoll. Was ich dort erzählt habe, ist rein formal ziemlich irrelevant. Genau deshalb bin ich doch gezwungen, umfassende schriftliche Erklärungen zu verlesen.

Sie sind bekannt dafür, sich auch bei Kleinigkeiten nach oben abzusichern. Warum haben Sie das bei 37 Millionen Euro nicht getan?

RUZICKA: Das habe ich getan und eben beschrieben. Nur wollen das einige nicht sehen, da es nicht in deren vorgefasstes Bild passt. Die Beauftragung von Emerson FF durch die Kunden erfolgte durch die Frontoffices von Carat, Vizeum und HMS. Bei Aegis Media Central Services haben wir diese Aufträge vertragskonform abgewickelt. Alle Kunden haben das bestätigt. So habe ich auch keine der angeklagten Zahlungen freigegeben. Auch das hat die Kammer in einem Beschluss bestätigt.

Sie sind wegen Untreue verurteilt worden, weil Sie diese Geldflüsse hätten verhindern müssen.

RUZICKA: Moment. Die Freigabe der Zahlungen ist durch die Finanzchefs erfolgt. Das Konzept mit Emerson FF ist im Businessplan von Aegis freigegeben worden. Warum hätte ich etwas verhindern sollen? Alles steht im Dreijahresplan von Aegis, den ich auch vorgelegt habe. Die Freigabe dieses Plans durch Jerry Buhlmann ist auf meinem Firmencomputer, den die Staatsanwaltschaft hat. Was kann ich mehr tun als zu sagen: da liegt die Freigabe des Konzepts, schaut es euch bitte an?

Aber auch fast alle Zeugen wussten nichts davon. Ist es dann nicht konsequent vom Gericht zu sagen, dass das alles Schutzbehauptungen sind?

RUZICKA: Wer wusste denn überhaupt davon? Kollegen auf Managementebene und Vorgesetzte. Beispielsweise im German Executive Board GEB bei Aegis. Davon ist nur ein Zeuge gehört worden, der heute nicht mehr unter dem Einfluss der Initiatoren der Anzeigen steht. Dieser hat umfassend bestätigt, was ich ausgesagt habe. Andere Mitglieder des GEB wurden nach dieser Aussage abgelehnt. Ich hatte diese als Zeugen benannt.

Verschiedene Quellen bestätigen unabhängig voneinander, dass Sie im März 2006 explizit gewarnt wurden. Warum haben Sie das ignoriert?

RUZICKA: Ich weiß nicht, was das für Warnungen gewesen sein sollen. Ich wusste immer, dass Kai Hiemstra alles daran setzen wird, mir zu schaden. Er hat mir sogar öffentlich in W&V ausrichten lassen, dass er mich vom Thron stoßen wird. Ich wüsste auch nicht, wovor ich hätte gewarnt werden sollen. Denn jeder Vertrag ist geprüft. Jede Ausgabe wurde gemeinsam entschieden. Jede Zahlung ist bekannt gewesen und wurde vom Finanzchef abgezeichnet. Wenn mein Finanzchef die rechtliche Prüfung übernommen hat, gehe ich natürlich davon aus, dass alles korrekt ist. Insofern gab es für mich auch gar keinen Grund, beunruhigt zu sein. Auch wenn ein Staatsanwalt gekommen wäre: ja bitte gerne, wo ist das Problem? Lasst uns zusammensetzen, die Unterlagen einsehen, alles offenlegen und das Problem klären.

Sie sagten, dass keine Agenturgelder sondern Kundengelder betroffen waren. Macht es das besser, wenn Kunden die Ruzicka-Show bezahlt haben?

RUZICKA: Wenn man sagt, das war eine Ruzicka-Show, wäre das nicht in Ordnung. Wenn es aber eine Plattform war, auf deren Basis die Kunden nachweislich Vorteile bekommen haben, halte ich das für richtig. Insbesondere dann, wenn die Kunden mehr Freispots erhalten haben, an denen auch Aegis mit zusätzlichem Honorar partizipiert hat. Wenn Sie so wollen, zahlen die Kunden für eine Aegis-Show, mit der Leistungen vermittelt werden. Aegis verdient an der Vermittlung von Werbezeiten oder Inseraten und dem Verhandeln der Preise. Einnahmen aus Honoraren haben nichts mit dem Geld zu tun hat, mit dem Aegis im Auftrag der Kunden die Medien bezahlt. Ich habe in einem Beweisantrag belegt, dass über die Jahre 320 Millionen Euro an außertariflichen Vorteilen zusammengekommen sind. Vorteile für Kunden, an denen Aegis über Erfolgshonorare partizipiert hat.

Als CEO hatten Sie auch eine Vorbildfunktion. Meinen Sie dieser Rolle gerecht geworden zu sein?

RUZICKA: Wenn ich mir vier oder fünf Firmenwagen zu meinem privaten Vergnügen halten würde, wäre das kein gutes Vorbild. Das habe ich auch nicht gemacht. In England oder Frankreich hat Aegis Kosten für Firmenwagen, Flugzeuge, Hubschrauber und Repräsentanzen bezahlt. Ich habe lediglich einen Weg gefunden, wie Aegis diese Güter nutzen und geschäftsfördernd einsetzen kann, aber die Kosten nicht mehr zu tragen hat. Diese wurden denjenigen berechnet, die die Vorteile der daraus generierten Mehrwerte bekommen haben – nämlich den Kunden. Es gab keine einzige Ausgabe, die nicht für Aegis um ein Vielfaches höhere Einnahmen bedeutet hätte. Zu meiner Zeit haben wir weder massiv Kunden verloren noch Mitarbeiter in größerem Stil entlassen müssen. Gerade vor diesem Hintergrund glaube ich, meiner Vorbildrolle durchaus gerecht geworden zu sein.

Die Wiesbadener Ermittler hatten sich zum Urteil gegen Ruzicka geäußert. Oberstaatsanwalt Hartmut Ferse, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Wiesbaden betont: „Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden begrüßt das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 12. Mai 2009 als deutliches Signal im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität. Die Wirtschaftsstrafkammer hat ein Urteil gefällt, das der gezeigten kriminellen Energie und der Höhe des angerichteten Schadens angemessen ist. Es ist bemerkenswert, dass mit David L. inzwischen bereits zwei Gehilfen des Haupttäters die gerichtlichen Feststellungen akzeptiert haben und damit ein wichtiger Teilbereich der Ermittlungen rechtskräftig abgeschlossen werden konnte. Die Staatsanwaltschaft hat weder einseitig ermittelt, noch die Verteidigung behindert. Sämtliche Asservate standen den Anwälten zur Einsichtnahme zur Verfügung. Eine Bilanz des gesamten Ermittlungskomplexes kann allerdings erst gezogen werden, wenn die noch offenen einundzwanzig Einzelverfahren abgeschlossen sind.“

Judith Weiand, Pressesprecherin Aegis Media, sagte zum Urteil gegen den ehemaligen CEO Aleksander Ruzicka: „Wir denken, das Urteil spricht für sich. Dem ist im Großen und Ganzen nichts hinzuzufügen. Was wir sicherlich sagen können ist, dass es uns in unserer Vorgehensweise und Sichtweise absolut vollumfänglich bestätigt.“ Auf Nachfrage zur Klage von Ruzicka auf Leistungen aus seinem Arbeitsvertrag heißt es von Aegis Media zur absatzwirtschaft: „Uns wurde keine Klage von Herrn Ruzicka zugestellt und wir kennen auch keine Rechtsgrundlage für Forderungen von Herrn Ruzicka.“

Fortsetzung folgt…