Hohe Effizienz durch Online-Forschung

Empirische Datenerhebungen im Internet sind auch in der Finanzmarktforschung auf dem Vormarsch. Hingegen gibt es nur wenige Beispiele aus der Wissenschaft und Praxis für den Einsatz der Conjoint-Analyse, einem beliebten Verfahren zur Präferenzmessung, im Internet.

Die Online-Marktforschung gewinnt gegenüber der klassischen Marktforschung ständig an Bedeutung. Nach Prognosen werden die Ausgaben im Online-Sektor bereits bis 2004 auf über 15 Prozent des Gesamtmarktes in Deutschland wachsen. Auch in der Finanzmarktforschung greifen die verantwortlichen Studienleiter zunehmend auf Datenerhebungen im Internet zurück. Nur wenige Erfahrungen besitzt die Wissenschaft und Praxis hingegen mit dem Einsatz der Conjoint-Analyse , einer etablierten Methode zur Präferenzmessung, im Internet. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und die Universität Freiburg haben im Rahmen ihres gemeinsamen Forschungsprojektes Direct-Brokerage mit Unterstützung des Instituts Ipsos Deutschland ein entsprechendes Pilotprojekt realisiert.

Hintergrund dieses Forschungsprojektes ist die Einführung einer überarbeiteten technischen Plattform in diesem Jahr, die den Kunden den professionellen Handel mit Wertpapieren an in- und ausländischen Börsen via Internet ermöglicht. Eine Positionierung als Discount-Broker kommt nicht in Frage, da sich die LBBW als beratungsorientierte Multikanal-Bank definiert. Die Bindeglieder stellen hierbei innovative Online-Funktionalitäten, eine personengestützte Beratung im Communication-Center und die räumliche Nähe zum Kunden über ein grosses Filialnetz dar.

Empirische Online-Analyse zur präferenzorientierten Angebotsstrategie

Die Conjoint-Analyse hat sich in der Finanzmarktforschung zu einem beliebten Instrument entwickelt. Gerade Finanzdienstleister, die für ihre Kunden bzw. potenzielle Kunden präferenzorientierte Angebote entwickeln möchten, sind darauf angewiesen, Kenntnisse über die Vorstellungen dieser anvisierten Zielgruppen bezüglich möglicher Qualitäts-merkmale und Preisstrukturen zu gewinnen. Im Hinblick auf die Aufgabenstellung, der empirischen Analyse der Akzeptanz von einzelnen Preis- und Leistungs-komponenten des neuen Produkt-angebotes Direct-Brokerage, sowie die Zielgruppe, wertpapieraffine Multikanalkunden , hat sich eine Kombination von Conjoint-Analyse und einer Datenerhebung im Internet angeboten. Ergebnis dieses internetbasierten Verfahrens ist eine Reihe von Präferenzwerten, deren Elemente den einzelnen Komponenten des Leistungsbündels Direct-Brokerage zugeordnet werden können und in Realtime-Statistik unmittelbar zur Verfügung stehen.

Die adaptive Conjoint-Analyse als geeignete Methode

Die Conjoint-Analyse erfordert die Aufspaltung eines Angebotes in seine relevanten Eigenschaften und dazugehörigen Eigenschaftsausprägungen. Nach intensiven Diskussionen mit den verantwortlichen Fachbereichen wurden sechs Merkmale im Hinblick auf die Themenstellung Wertpapierhandel über direkte Vertriebswege (Direct-Brokerage) identifiziert: Transaktionsprovision, Guthabenzinsen Anlagekonto, Sollzinsen Wertpapier-kredit, Handelsangebot, Serviceleistungen und Kommunikationswege der Anlageberatung. Insgesamt wurden 20 Merkmalsausprägungen in das Erhebungsdesign integriert. Zwischen diesen Eigenschaften konnten nun die gegenseitigen Abhängigkeiten sowie der für den Kunden akzeptable trade-off – insbesondere zwischen Preis und Beratungsleistung – modelliert werden.

Profilmethode verliert an Bedeutung

Auf Grund des komplexen Forschungsdesigns, das bei der klassischen Full-Profile-Variante der Conjoint-Analyse leicht zu einer kognitiven Überforderung der Probanden führen kann, fiel die Wahl auf die computergestützte adaptive Conjoint-Analyse (ACA). Dieses Verfahren orientiert sich am Urteilsverhalten des Probanden. Es wird daher oft – obwohl die Durchführung einer ACA in der Regel länger als die der klassischen Full-Profile-Variante dauert – von den Teilnehmern, wie sich auch in den Pretests bestätigt hat, als interessanter und kurzweiliger empfunden. Gegenüber den Weiterentwicklungen ACA oder Choice-Based-Conjoint-Analyse (CBC) verliert die Profilmethode, die das den Probanden vorgelegte Produktkonzept als Kombination je einer Ausprägung aller Eigenschaften definiert, zunehmend an Bedeutung.

Die Online-Forschung kann hierbei – unter Berücksichtigung der im Folgenden genannten Besonderheiten – einen wichtigen Beitrag leisten: Persönliche Interviews kommen in diesem Zusammenhang aus forschungsökonomischen Gesichtspunkten nicht in Betracht und telefonische Interviews werden der Komplexität der Methode, die eine visuelle Unterstützung benötigt, nicht gerecht. Der Conjoint-Teil besteht je nach gewähltem Forschungsdesign aus maximal fünf Ablauf-phasen (siehe Abbildung 1): Wenn, wie in der vorliegenden Untersuchung, für jede Eigenschaft eine Mindestakzeptanz vorausgesetzt sowie eine vordefinierte Präferenzfunktion unterstellt werden kann, sind die ersten beiden Interviewphasen Unacceptable Levels und Preference for Levels nicht erforderlich. Der Frage-bogen wurde zudem um einen direkten Befragungsteil ergänzt, der neben statistischen Angaben weitere Informationen wie Zufrieden-heitswerte in Bezug auf das bisherige Angebot oder Einschätzungen zu neuen Entwicklungen ermittelte.

Abbildung 1: Interviewphasen der adaptiven Conjoint-Analyse





















I

nterviewphasen
 

1. Elimination of Unacceptable Levels


Optionaler Teil der Befragung, der den Probanden die Möglichkeit gibt, bestimmte Eigenschaftsausprägungen bereits in der Frühphase auszuschliessen.


2. Preference for Levels


Skalierung der verbleibenden Ausprägungen nach ihrer Präferenz. Kann ebenfalls bei Eigenschaften wie Preis und Service entfallen, bei denen eine bestimmte Präferenzstruktur vorausgesetzt werden kann.


3. Attribute Importance


Analyse der relativen Wichtigkeit der Eigenschaften


4. Paired-Comparison Importance Questions


Präsentation von zwei Angebotskonzepten mit jeweils unterschiedlichen Eigenschaftskombinationen. Die Anzahl der Attribute in den Paarvergleichen kann variiert werden.


5. Calibrating Concepts


Durch das ACA-Programm wird eine Reihe von Angebotskonzepten aus Eigenschaften zusammengestellt, die für die Probanden sehr wichtig und deren Ausprägungen entscheidungsrelevant sind. Der Proband wird nach der Kaufwahrscheinlichkeit der einzelnen Konzepte befragt.



Quelle: Sawtooth Software

Besonderheiten der Datenerhebung im Internet

Wenngleich die Bedeutung des Internets und multimedialer Funktionen in der Markt-forschung in der Literatur bereits vielfach diskutiert wurden, so steht ein mediengerechter Einsatz der Conjoint-Analyse im World Wide Web insbesondere in der deutschen Finanz-marktforschung noch weitgehend am Anfang. Denn gerade bei WWW- bzw. Online-Befragungen gilt es, verschiedene Besonderheiten zu berücksichtigen, da sich klassische Methoden der empirischen Sozialforschung nur unzureichend auf den Kommunikationsraum Internet übertragen lassen. Allgemeine Erkenntnisse lassen sich aus anderen Bereichen der Web-Forschung ableiten, so z. B. aus Untersuchungen zur Werbewirkung von Banner-Kampagnen: Der User ist nutzenorientiert und reagiert auf visuelle Effekte, die den multimedialen Charakter des Mediums unterstreichen.

Die Autoren Batinic et al. haben hierzu verschiedene Anforderungen an Online-Befragungen formuliert (siehe Abbildung 2), die im Folgenden in Bezug auf den Untersuchungsrahmen der LBBW-Studie betrachtet werden:
Da die anvisierte Zielgruppe über eine Online-Banking-Verbindung verfügte, konnten bestimmte technische Grundvoraussetzungen angenommen werden: Die Web-Seiten wurden für gängige Browser-Versionen (ab 4.0) von Netscape und Microsoft konzipiert.

Eigenschaftspaare abwägen

Die Kunden erhielten im Vorfeld ein Anschreiben, das – neben der entsprechenden Server-Adresse des Fragebogens – über Ziel und Inhalte der Studie informierte. Eine glaubwürdige Kommunikation mit den Respondenten ist in diesem Zusammenhang besonders relevant, wenn es sich wie in der Studie um Finanzprodukte handelt, die eine sensible Herangehensweise erfordern.
Eine kognitiv fordernde Frage-/und Antwort-Situation, die Batinic et al. zugleich als weiteres Kriterium definiert hat, resultiert bereits aus der eingesetzten Methodik der adaptiven Conjoint-Analyse: Die Interviewphase Paired-Comparison Importance Questions, in der realistisch kombinierte Eigenschaftspaare gegeneinander abgewogen werden müssen, erfüllt diese Anforderung in besonderem Maße. Ziel ist eine intensive Auseinandersetzung der Probanden mit den ähnlich empfundenen Alternativen, die auf Basis seines bisherigen Antwortverhaltens entwickelt werden.

Der Zugang zur Befragung wurde über ein allgemeines Paßwort ermöglicht, das im Kundenanschreiben kommuniziert wurde. Aus Sicht des Kunden der LBBW muss eindeutig erkennbar sein, dass diese Befragung anonym durchgeführt wird und keine personen-bezogene Auswertung möglich ist. Auf weitere Sicherungsmechanismen wurde im Hinblick auf mögliche Mehrfachteilnehmer folglich verzichtet. Es gibt in diesem Punkt bisher in der Praxis ohnehin keine letzte Gewissheit, da kein übliches Verfahren Mehrfachteilnehmer anhand ihrer IP-Adresse sicher identifizieren kann: Ein und derselbe Benutzer kann z. B. zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche IP-Adressen erhalten, oder umgekehrt können zwei unterschiedliche Personen auch die gleiche IP-Adresse erhalten haben. In beiden Fällen würde eine Akzeptanz bzw. ein Ausschluss zu Unrecht erfolgen.

Abbildung 2: Empfehlungen für Online-Befragungen






























Empfehlungen

 

Technische Erfordernisse bedenken


Die technischen Voraussetzungen sollten sich am unteren Niveau der Möglichkeiten in der Zielgruppe orientieren.


Nach den Regeln der empirischen Sozialforschung formulieren


Der Fragebogen sollte so entworfen werden, daß die Fragen von allen Probanden in gleicher Weise verstanden werden.


Glaubwürdige Kommunikation mit den Respondenten


Das Ziel einer Untersuchung sollte klar kommuniziert werden. Das Layout sollte in Übereinstimmung mit dem Untersuchungsziel stehen.


Aufmerksamkeit erzeugen und wachhalten


Aufbau einer kognitiv fordernden Frage-/Antwort-Situation


Anspruchsvolles Design verwenden und Usability-Kriterien umsetzen


Elemente einer hohen Bedienerfreundlichkeit sind ein wichtiges Hilfsmittel für eine erfolgreiche Realisierung.


Fragen in Matrizen-Darstellung


In Matrizen-Darstellungen sind mehrere Fragen aus derselben Antwortkategorie in einer Tabelle platziert. Es werden sog. Layout-Effekte beobachtet, das heisst Probanden neigen dazu, immer nur eine Spalte für ihre Antwort auszuwählen.


Fragebogen kurz halten


Je länger und ausführlicher der Fragen, desto höher ist in der Regel eine mögliche Abbruchquote und desto unzuverlässiger wird das Antwortverhalten.


Pretest durchführen


Pretests, in denen Personen der Zielgruppe probeweise teilnehmen, sind ein wichtiges Beurteilungskriterium für die Realisierbarkeit.



 



Quelle: Batinic / Werner / Gräf / Bandilla

Für Fragen in Matrizen-Darstellung (Abbildung 3), die nach den Ergebnissen von Batinic et al. insgesamt für den Einsatz im Online-Bereich weniger geeignet sind, konnte über die Durchführung von Pretests ein aus Probandensicht akzeptabler Maßstab ermittelt werden: Wenn nicht mehr als sechs Fragen in einer Tabelle platziert werden, fallen sogenannte Layouteffekte, d. h. die Neigung des Probanden, immer nur eine Spalte für seine Antwort auszuwählen, weniger ins Gewicht.

Es kann jedoch bestätigt werden, dass Matrizen-Darstellungen, die in kurzem Abstand aufeinander folgen, die Motivation des Teilnehmers im Allgemeinen deutlich schwächen. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass ein physisches Zusammentreffen zwischen Interviewer und Proband bei Online-Befragungen in der Regel entfällt. Der Befragte ist im Gegenzug aber nicht an Ort und Zeit gebunden, wenn er den Fragebogen ausfüllen möchte.
Um die Zahl der Abbrüche während der Befragung zu verringern, ist es ratsam, die Motivation der Teilnehmer während der Befragung zu steigern: Möglichkeiten sind hierbei schnelle Ladezeiten, eine hohe Usability insgesamt sowie ein übersichtliches Web-Design. So wurde die Möglichkeit zu scrollen, die der Übersichtlichkeit in der Regel schadet, in den Befragungsmasken der LBBW-Studie auf ein notwendiges Minimum beschränkt.

Abbildung 3: Fragebogen

Grenzen der Online-Forschung

Mit der „unbekannten Grundgesamtheit“ und den sogenannten „Selbstselektionseffekten“ werden in der Literatur zwei wesentliche Kritikpunkte bezüglich Internet-Befragungen und ihrer Repräsentativität angeführt. Nach wie vor kann zwar nicht von Repräsentativität für die Gesamtbevölkerung gesprochen werden, jedoch nähert sich die Struktur der Internet-Nutzer unter soziodemografischen Gesichtspunkten dem Bevölkerungsdurchschnitt immer weiter an. So wurden in der LBBW-Studie bewußt Kunden befragt, die ihren Weg zur Bank über die Filiale oder im Internet je nach Geschäftsvorfall wählen. Prognosen sprechen diesen multikanalorientierten Zielgruppen, die in ihrem soziodemografischen Profil dem Bevölkerungs-durchschnitt ebenfalls gleichen, im Online-Brokerage in den nächsten Jahren das größte Wachstumspotenzial zu.

Problem der Selbstselektion

Wenn die Probanden nicht explizit ausgewählt werden, sondern deren eigene Aktivität für die Teilnahme nötig ist und die Bereitschaft zur Partizipation unter Umständen mit den abhängigen Variablen der Untersuchung zusammenhängt, dann kann vom Problem der Selbstselektion ausgegangen werden. Dieser Problematik kann mit einer gezielten schriftlichen, telefonischen oder elektronischen Ansprache von Auskunftspersonen, die z. B. mit Hilfe des Database-Marketings ermittelt wurden, begegnet werden. Damit geht allerdings der Vorteil einer einfachen Rekrutierung bei jenen Online-Befragungen verloren, die den Kontakt zum Probanden z. B. über eine Homepage herstellen. Es muss indes berücksichtigt werden, dass im Rahmen dieser noch jungen wissenschaftlichen Methode bestimmte Verzerrungseffekte nicht ausgeschlossen werden können. Diese resultieren z. B. aus der überproportionalen Teilnahme von Kundengruppen, die ein höheres Produktinteresse aufweisen und zur Themenstellung eine bestimmte Meinung haben. Insgesamt gibt es daher für Fragestellungen z. B. zur Validität von Online-Befragungen künftig noch weiteren Forschungsbedarf.

Erkenntnisse aus der Online-Studie

Da es sich bei der angesprochenen Online-Befragung für die LBBW um ein Pilotprojekt handelt, lagen keine Erfahrungswerte bezüglich der Teilnahmebereitschaft ihrer Kunden vor: Konventionelle Studien der LBBW erreichten bisher Response-Quoten von 13-15 Prozent. Um sicher zu stellen, dass eine für statistische Zwecke ausreichend grosse Stichprobe erreicht würde, wurde zusätzlich ein Gewinnspiel für die Teilnehmer durchgeführt. Das Gewinnspiel via E-mail war allerdings nicht an eine Teilnahme an der Befragung geknüpft, um die Anonymität der Befragung zu gewährleisten. Auf die Auslobung verschiedener hochpreisiger Gewinnchancen wurde in diesem Zusammenhang verzichtet.

Daher werden mögliche Abweichungen durch Personen, die nur auf Grund z. B. finanzieller Anreize an der Erhebung teilnehmen, als gering eingeschätzt.
Von den insgesamt 2.165 angeschriebenen Kunden haben 246 Kunden die entsprechende Website aufgerufen – dies entspricht einer Rücklaufquote von 11,4 Prozent. Es wurden allerdings auch 39 Abbrüche während der Befragung aufgezeichnet, wobei vier Probanden erst nach Beendigung des Conjoint-Teils abgebrochen haben und somit noch in die Stichprobe der insgesamt 211 Kunden aufgenommen werden konnten. Die Rate der abgeschickten und auswertbaren Fragebögen lag damit bei 9,7 Prozent. Mit Blick auf die medienspezifischen Eigenschaften von Online-Befragungen und der gewählten Teilnehmeransprache müssen daher verschiedene Rücklaufquoten definiert und interpretiert werden.

Befragungsdauer begrenzt

Die Abbruchrate von fast 16 Prozent unterstreicht die These von Batinic et al., nach der die Internet-Nutzer für die Online-Zeit während der Interviewphase zahlen und folglich nur eine begrenzte Befragungsdauer akzeptieren. Es wurde im Vorfeld zwar genau geprüft, welche Sachverhalte für eine kundenorientierte Marketingstrategie in Erfahrung gebracht werden müssen, gleichwohl wurden 46 Stellungnahmen in den Fragebogen integriert, um der komplexen Themenstellung gerecht zu werden. Hieraus resultierte eine durchschnittliche Interviewdauer der Probanden von 22,7 Minuten – allerdings mit einer hohen Streuung der Werte von 10 bis 45 Minuten. In den ersten fünf Tagen nach Versand der Kundenanschreiben konnten bereits über 60 Prozent der insgesamt 247 Zugriffe protokolliert werden (siehe Abbildung 4). Nach 18 Tagen wurde der Fragebogen aus dem Netz genommen, da die Zugriffszahlen gegen Null konvergierten. Um generell zu einer stabilen Schätzung der Rücklaufquote zu gelangen, müssen die jeweiligen Rahmenbedingungen und der Forschungsgegenstand berücksichtigt werden: Handelt es sich z. B. um High- oder Low-Involvement-Produkte, die getestet werden sollen?

Abbildung 4: Anzahl der Zugriffe auf den Fragebogen im Internet in den ersten 10 Tagen

Effizienz und Flexibilität der Online-Befragung

Ansatzpunkte einer finanziellen Einsparung haben sich gegenüber konventionellen Methoden aus der Kostenreduktion für den Prozess der Dateneingabe und -kontrolle ergeben: Es entstehen in diesem Zusammenhang lediglich die Kosten für die technische Infrastruktur, z. B. Serverkosten. Der Einsatz von persönlichen Interviews am Telefon oder im Studio entfiel bei der LBBW-Studie. Auch die Weiterverarbeitung der Daten selbst kann analog zu computergestützten Offline-Befragungen automatisiert werden, denn das Datenmaterial wird gespeichert und in das für die vorhandene Auswertungssoftware passende Dateiformat konvertiert. Für künftige Online-Befragungen der LBBW könnten zur Vermeidung von Medienbrüchen zudem die schriftlichen Kundenanschreiben unter Beachtung der datenschutzrechlichen Bestimmungen durch den Versand von E-mails ersetzt werden.

Flexibilität der Datenerhebung

Als weiterer Aspekt zur Beurteilung von Erhebungen im Internet sei die hohe Flexibilität der Datenerhebung genannt: Gerade über die Realisierung der verschiedenen Conjoint-Varianten – insbesondere der neueren Verfahren adaptive und Choice-Based-Conjoint-Analyse – wird eine hohe Komplexität in Programmablauf und -struktur erreicht, die flexible Möglichkeiten der Individualisierung und Interaktivität mit multimedialer Gestaltung vereint. Eine Integration spezifischer multimedialer Inhalte ist indes auf Grund der Immaterialität von Finanzdienstleistungen nur insoweit notwendig, wie erklärungsbedürftige Merkmalsausprägungen mit Hilfe eines entsprechenden Web-Designs transparenter dargestellt werden können. Generell trägt aber ein mediengerechtes Design der Befragungsmaske zur Unterstützung der hohen kognitiven Leistung bei, die ein Proband während einer Conjoint-Analyse erbringt.

Fazit

Bei allen genannten Vorteilen muss künftig allerdings noch stärker das Augenmerk auf die Qualität der gewonnen Daten gerichtet werden – insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von anspruchsvollen Methoden wie z. B. der Conjoint-Analyse im Internet. Die Studie der LBBW zeigt aber auch, dass die hohe Komplexität bestimmter Forschungsgegenstände und die kognitive Belastung insgesamt sowie eine mangelnde Bereitschaft zur Übernahme der Online-Gebühren zu höheren Abbruchraten führen kann, als sie die Online-Marktforschung bisher kennt. Es sollte daher insgesamt eine hohe Fallzahl an Probanden ausgewählt werden, damit auch bei geringerer Rücklaufquote bzw. höherer Abbruchrate für statistische Zwecke ausreichend viele Internet-Nutzer teilnehmen.

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Autoren
Prof. Dr. Heinz Rehkugler
ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft und Banken der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Lothar Weissenberger
ist externer Doktorand am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Banken der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Projektleiter im Marketing der
Landesbank Baden-Württemberg (LBBW)

Weitere Artikel zum Thema:

Literaturhinweise

Backhaus, K. / Erichson, B. / Plinke, W. / Weiber, R. (1996). Multivariate Analysemethoden: eine anwendungsorientierte Einführung. Berlin.

Batinic, B. / Werner, A. / Gräf, L. / Bandilla, W. (1999). Online research: Methoden, Anwendungen und Ergebnisse. Göttingen.

Bliemel, F. / Fassott, G. / Theobald, A. (2000). Electronic Commerce. Herausforderungen – Anwendungen – Perspektiven. Wiesbaden.

Böshenz, J. (1999). Möglichkeiten und Grenzen der Online-Marktforschung. Konzeptionelle Grundlagen und empirische Erkenntnisse. München.

Dialego Online Market Research GmbH (2000). Prognose zur Entwicklung des deutschen Online-Marktforschungs-Marktes. URL: www.dialego.de

Janetzko, D. (1999). Surfer im Visier. Beobachten, Befragen, Belauschen – ´Netizens´ werden zum Lieblingsopfer von Markt- und Sozialforschern. In c´t 20/99. URL: www.heise.de/ct/99/20/086/