Goldjunge Fabian Hambüchen im Exklusiv-Interview: „An seinen Zielen festzuhalten, das ist die große Kunst“

In unserer aktuellen Ausgabe dreht sich alles ums Thema „Durchhalten“. Dabei haben wir nicht nur die Arbeitswelt im Blick, sondern auch Bereiche wie den Sport. Ein guter Anlass, um unseren Goldjungen Fabian Hambüchen in einem exklusiven Interview nach seinen Durchhalte-Strategien zu fragen.

Fabian Hambüchen beendete nach dem Sieg in Rio seine internationale Turnkarriere und feierte beim Finale der Deutschen Turnliga auch seinen nationalen Abschied. Das, was der 30-Jährige bis dahin erreicht hat, ist hollywoodreif. Im Interview erzählt der „Goldjunge“, wie er den steinigen Weg zum Goldsieg trotz Niederlage in Peking durchgehalten hat.

Herr Hambüchen, insgesamt haben Sie mehr als 20 internationale Medaillen gewonnen. Ihre größten internationalen Erfolge waren der Weltmeistertitel 2007, der Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking und der Silbermedaille 2012 in London. Vor einem Jahr dann der Goldsieg am Reck in Rio. Das ist eine beispiellose Karriere. Was bedeuten Ihnen diese Siege, und vor allem die Goldmedaille?

FABIAN HAMBÜCHEN: Mit dem Goldsieg habe ich ganz klar mein größtes Lebensziel erreicht, für das ich 25 Jahre gekämpft hatte. Der Sieg ist mehr, als ich mir je hätte erträumen können, und war der schönste, emotionalste und erfüllendste Moment in meinem Leben. Vor allem auch deswegen, weil ich schon immer Olympiasieger werden wollte und somit auch mein Kindheitstraum in Erfüllung ging. Mit acht Jahren habe ich zum ersten Mal die Olympischen Spiele, damals  1996 in Atlanta, gesehen und seitdem den Traum, selbst daran teilzunehmen und natürlich auch zu gewinnen. Das war von klein auf in mir und daher sicher auch meine intrinsische Motivation, aus der ich – neben dem Spaß an der Freude – vorrangig meine Kraft geschöpft habe. Als ich dann endlich auf einem Niveau war, Gold überhaupt als Ziel in Erwägung zu ziehen, war von höchster Priorität, wie ich den Weg dahin gestalte. Denn wenn du ein Ziel hast, vergisst du schnell, was du für dessen Erreichung zu tun hast. Neben dem körperlichen Part, dem Training, ist das auch eine Kopfsache. Du musst verstehen, wie du dich mental auf diesen langen Weg vorbereitest, wie du es schaffst, mit den Gedanken voll und ganz bei dir zu bleiben.

Sie sprechen gerade die mentale Komponente an. Hat Ihnen hier das Mentaltraining mit Ihrem Onkel, der Diplom-Pädagoge mit Fokus auf Mental-Coaching ist, dabei geholfen?
Wie muss man sich ein Mentaltraining mit Ihrem Onkel vorstellen?

Grundsätzlich geht es bei dem Mentaltraining in erster Linie darum, die eigene Nervosität in den Griff zu bekommen, was vor allem in jungen Jahren wichtig war. Als ich mit 15 Jahren mit dem Coaching angefangen habe, zielte mein Onkel vor allem darauf ab, mit mir die Stärke zu entwickeln, sich an Tagen zu motivieren, an denen man beispielsweise müde ist oder sich einfach nicht in Form fühlt. Mit dem Training lernt man, wie man sich quasi austrickst und trotz seiner „Wehwechen
100 Prozent Leistung erbringen kann. Später haben mein Onkel und ich dann an meiner Einstellung gearbeitet, die im Leistungssport immer von Optimismus geprägt sein sollte. Sprich, du solltest nicht ans Reck gehen und dir ausmalen, was jetzt alles schiefgehen könnte. Solche negativen Gedanken belasten, bremsen dich aus und rauben dir deine Kraft. Man sollte seine Energie daher immer zum Positiven lenken und sich nur auf das konzentrieren, was man selbst in der Hand hat. Es bringt mir nichts, wenn ich mich über die Konstellation der Kampfrichter aufrege, denn das habe ich nicht in der Hand, ich kann es nicht beeinflussen. Das ist übrigens etwas, was sich gut aufs alltägliche Leben übertragen lässt: Es bringt nichts, sich in Dinge hineinzusteigern, auf die man keinen Einfluss hat. Sich in solchen Fällen den Kopf zu zerbrechen wäre reinste Zeitverschwendung. Andere Dinge, die ich gelernt habe, sind, mich auf mich selbst zu verlassen, die Konkurrenz nicht zu fixieren und immer die beste Version von mir selbst zu sein. Nur dann schaust du abends in den Spiegel und kannst dir sagen: Ich habe alles gegeben und kannst dann auch mit dem Ergebnis leben.

Ansonsten haben wir neben den Gesprächen auch Selbsthypnose angewandt, bei der man in sein Unterbewusstsein hineingeht und sich selbst die Antworten für seine Probleme holt, statt sich die Antworten, wie bei der normalen Hypnose, über Anweisungen von außen zu holen. Bei der Selbsthypnose tritt man vielmehr in einen Dialog mit sich selbst.

Insgesamt betrachtet gibt es aber keine Mustertechniken des Mental-Coachings,
die für jeden passen. Jeder muss seine persönlichen Techniken finden.

Ihre mentale Stärke hilft Ihnen sicher auch, Niederlagen oder Rückschläge besser zu verkraften. Ich denke da speziell an Olympia in Peking, wo der Erwartungsdruck sehr hoch war. Sie sind als großer Favorit angereist, jeder dachte, dass Sie „Goldjunge“ werden. War die Bronzemedaille da ein Trauma für Sie beziehungsweise war sie vielleicht auch Ihre größte Niederlage? Von außen betrachtet ist Bronze immer noch eine Glanzleistung, doch für Sie selbst auch?

Emotional war Peking mit Sicherheit meine größte Niederlage. Ich habe mich immer wieder geärgert, dass ich die größte Chance meines Lebens in Peking „verbockt“ habe. Von außen betrachtet stimmt es aber, Bronze ist immer noch super. Aber für mich selbst war es wegen des hohen Erwartungsdrucks schon ein echter Rückschlag. Später habe ich aber gelernt, dass ich mich auch über eine  Bronzemedaille freuen darf. Dennoch war es meine schmerzhafteste Niederlage, und ich habe auch erst nach dem Sieg in Rio damit abschließen können. Zum Glück hat alles noch ein tolles, positives Ende gefunden.

Zu meinem Onkel: Er hat mir sehr geholfen, das Thema Peking aufzuarbeiten. Im Nachhinein ist es ja auch egal, in welcher Branche man eine Niederlage erfährt. Wichtig ist immer, die Gründe dafür zu analysieren und sich zu überlegen: Woran hat es gelegen, was war wirklich das Problem, was kann ich für die Zukunft besser machen, kann ich aus den Fehlern lernen?

Und was war das Problem in Peking?

Das Problem war, dass ich zu selbstsicher und selbstbewusst war. Ich dachte kurz nach dem Weltmeistertitel in Stuttgart: Was soll dir nach dem ganzen Druck, der in Stuttgart auf dir lastete, jetzt schon in Peking passieren? Doch das war genau die falsche Einstellung. Das musste ich dann ja auch schmerzhaft erleben.

Das heißt, Demut ist besser als zu selbstbewusst zu sein?

Ja klar, Selbstbewusstsein ist zwar gut, jeder Sportler hat das in sich. Aber du brauchst immer den nötigen Respekt vor jedem Event oder Wettkampf und solltest dir nie zu sicher sein.

Was hat Sie angespornt, an all diesen Wettbewerben teilzunehmen? Das Messen mit den anderen Teilnehmern, das Gefühl, es sich selbst zu beweisen?

Ich war ja schon mit Pampers in der Turnhalle, mein Bruder hat geturnt, mein Vater war auch Turner. Die Turnhalle war und ist mein Spielplatz, Turnen ist so ein toller, motivierender und inspirierender Sport, der höchst anspruchsvoll ist, aber der einfach eine Menge Spaß macht. Klar, das Messen mit Mitstreitern gehörte immer dazu. Aber die Challenge und der Vergleich sind nichts, was ich für ein sinnerfülltes Leben brauche, sondern das Kunstturnen an sich ist das, was mich erfüllt und mir Spaß macht. Im Turnen gab es auch nie diese harte Konkurrenz, sondern es lief immer alles sehr fair und freundschaftlich ab.

In Rio haben Sie sich den Sieg mit einer abgerissenen Sehne in der Schulter erkämpft. Dass die Sehne gerissen war, wussten Sie während der Olympischen Spiele zwar nicht, Schmerzen hatten Sie aber sicher trotzdem. War das nicht eine Qual?

In Rio hatte ich glücklicherweise keine Schmerzen mehr, sondern nur während der Vorbereitung. Zu diesem Zeitpunkt stand ja auch die Frage im Raum, ob ich es überhaupt für eine Qualifizierung schaffe. Doch mithilfe
der Ärzte und Physiotherapeuten haben wir es dann so weit in den Griff bekommen, dass ich in Rio weitestgehend schmerzfrei war. Natürlich hat hier das Adrenalin im Wettkampf meine Schmerzen auch überdeckt.

… das ganze Interview können Sie in unseren aktuellen Ausgabe 03/18 lesen, das Sie hier abonnieren oder einmalig bestellen können.