Gespür für Kunden

Christoph Möltgen, der Chief Transformation Officer in der Otto Group versteht sich als Moderator zwischen Abteilungen und Leistungsbereichen im Konzern. Er verantwortet gerade einen gewaltigen Wandlungsprozess, der alle Kontaktpunkte zwischen Kunden und Konzern mit IT intelligenter machen soll.
Bei der Otto Group ist ein Wandlungsprozess zu spüren, der alle Kontaktpunkte zwischen Kunden und Konzern mit IT intelligenter machen soll (© Otto Group 2014)

Herr Möltgen, Sie treiben für die Otto Gruppe einen Veränderungsprozess in der IT voran. Welche besonderen Change-Aufgaben resultieren aus einer Dezentralisierung sowie der Technisierung des Marketing?

Möltgen: Neben einem guten Gespür für unsere Kunden und den Markt, sind im Marketing schon immer verschiedenste Methoden und Werkzeuge zur Analyse und Vorhersage eingesetzt worden. Die moderne IT soll das Marketing unterstützen und im Idealfall, beispielsweise durch neue oder schnellere Auswertungsmöglichkeiten, zu einem Wettbewerbsvorteil führen. In der Vergangenheit haben wir hier unter anderem die Integration von Web 2.0-Technologien vorangetrieben und unsere Business Intelligence-Werkzeuge fit für Big Data gemacht. So ist die Integration von fortschrittlichen Analyse- und Vorhersage-Methoden (-Stichwort: Next-Best-Activity) – in unsere Webshops eine der wichtigsten Anforderungen. Darüber hinaus modernisieren wir unsere IT-Infrastruktur in Richtung Cloud Computing, um so IT-Leistungen deutlich flexibler und skalierbarer dem Anwender zur Verfügung stellen zu können.

Welche Rolle spielt der „Human Factor“ bei solchen Vorhaben?

Unsere Mitarbeiter müssen in diesem Kontext mit der neuen Technik vertraut gemacht werden, in den Einsatzmöglichkeiten geschult, aber auch bezüglich derer Grenzen aufmerksam gemacht werden. Nur wenn sie die Technik verstehen und Vertrauen in sie haben, werden sie diese auch einsetzen. Ein besonderer Aspekt ist, dass diese neue Technologien vermehrt zu Änderungen an den Prozessen oder sogar zur Einführung gänzlich neuer Geschäftsmodelle führen. Dies erfordert auf kultureller Seite eine grundsätzlich höhere Veränderungsbereitschaft und Flexibilität. Denken Sie beispielsweise an den Firmenauftritt unserer Konzernunternehmen auf Facebook. Die Integration solcher sozialen Plattformen ins Marketing fördert auf der einen Seite die Kundennähe, führt aber auf der anderen Seite zu einem deutlich schnelleren Kommunikationskanal, der auch entsprechend schnell und zielgruppengerecht bedient werden muss.

Wie kann es gelingen, Strukturen aufzubauen, die es dem Marketingleiter schneller erlauben auf interne IT-Ressourcen zuzugreifen, um Trends aufzunehmen, statt – wie derzeit häufig üblich – solche Leistungen von außen zuzukaufen?

Möltgen: Der Zukauf von externen Leistungen ist nicht per se schlecht. Es wird immer Anwendungsfälle geben, für die es zweckmäßiger und auch wirtschaftlicher ist, auf externes Know-how zurückzugreifen. Gerade bei technologischen Trends besteht ein Risiko von Fehlinvestitionen, welches durch externe Partner abgeschwächt werden kann.

Durch die Dezentralisierung der IT wird es jeder einzelnen Konzerngesellschaft ermöglicht, sich ihre internen IT-Ressourcen so aufzubauen, wie sie es für strategisch und wirtschaftlich sinnvoll hält. Die IT rückt somit wieder näher ans Business und damit insbesondere auch an die Marketing-Abteilung. Wir entkoppeln dabei individuelle, sich schnell verändernde IT-Leistungen der marktdifferenzierenden Wertschöpfungsprozesse von deutlich stabileren und standardisierten Supportleistungen wie beispielsweise der Abrechnung.

Wie wird man da mit den gewachsenen Strukturen im Haus fertig?

Möltgen: Die Otto Group ist ein Unternehmen mit einer mehr als 60-jährigen Geschichte. Trotzdem sind wir innovativ: Schauen Sie sich beispielsweise Yapital an, unsere Lösung für mobiles Bezahlen im Handel, oder Blue Yonder (Unternehmensbeteiligung der Otto Group), einem Anbieter für Predictive Analytics.
Das gleiche gilt auch für unsere internen Strukturen: Diese haben sich parallel zum Aufbau neuer Geschäftsfeldern über die Jahre weiterentwickelt. Unser IT-Transformationsprojekt zeigt, dass auch in einem großen Konzern richtungsweisende Veränderungen – anders kann man den Wechsel auf eine dezentralisierte IT nicht bezeichnen – möglich sind. Die Transformation der IT ist eine der Schlüsselinitiativen innerhalb der Otto Group und hat damit höchste Priorität. Natürlich sind Entscheidungsprozesse nicht immer einfach, aber die Zusammenarbeit funktioniert insgesamt sehr gut, vom Top-Management bis in die Fachbereiche.

Benötigt ein solcher Wandel neues Personal?

Möltgen: In den vergangenen Monaten und Jahren haben wir mit der Einführung neuer Marketing-Technologien wie beispielsweise einem zentralen Business Intelligence-Systems oder der Weiterentwicklung unserer Web Shops entsprechendes Fachpersonal aufgebaut. Insofern sind wir bereits ganz gut aufgestellt. Gleiches gilt für die Umsetzung der Transformation der IT, für die wir ein schlagkräftiges Team aufgestellt haben. Lediglich für den Aufbau der dezentralen IT-Strukturen in den Gesellschaften werden voraussichtlich zusätzliche Ressourcen benötigt, um die technologische Kompetenz in den einzelnen Gesellschaften und damit die IT-Unterstützung sicherzustellen. Davon unabhängig suchen wir natürlich immer gute Leute, die durch ihre Kenntnisse in den neuesten Technologien neue Impulse setzen und mitgestalten wollen.

Herr Möltgen, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Gespräch führte Frank Puscher.

 

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