Firmen werben am Social-Media-Trend vorbei

Für die Konsumentscheidungen der Deutschen sind Informationen aus sozialen Medien inzwischen genauso wichtig wie Informationen aus dem Fernsehen und wichtiger als Informationen aus dem Radio. Im Durchschnitt lassen die Deutschen ihre Einkäufe zu knapp acht Prozent von sozialen Netzwerken beeinflussen, wie die Studie „German Social Media Consumer Report 2012/2013“ der Universität Münster und der Strategieberatung Roland Berger zeigt.

Der Untersuchung zufolge hat das Social Media-Nutzungsverhalten der Deutschen einen grundlegenden Wandel erfahren. Unabhängig von Alter, Bildung, Einkommen oder Wohnort werden soziale Netzwerke inzwischen intensiv und wie selbstverständlich von allen Teilen der deutschen Bevölkerung genutzt. So ist mittlerweile jeder Deutsche durchschnittlich bei drei sozialen Netzwerken registriert; nur sieben Prozent aller Internetnutzer verwenden gar keine sozialen Netzwerke.

Erstmals hat nun das Forscherteam der Universität Münster in Kooperation mit Roland Berger einen Social Media Index berechnet. Dieser analysiert, wie intensiv deutsche Verbraucher soziale Netzwerke verwenden, das heißt, wie viele soziale Netzwerke jeder Deutsche wie häufig nutzt. Demnach sind Norddeutsche mit einem Wert von 7,8 aktiver als Süddeutsche, die mit einem Wert von 7,2 schlechter abschneiden. Die aktivsten deutschen Social Media-Nutzer mit einem Indexwert von 8,4 leben in Nordrhein-Westfalen. Das Schlusslicht bildet Sachsen-Anhalt mit einem durchschnittlichen Wert von 6,7.

Xing-Mitglieder für Unternehmen besonders attraktiv

Erhebliche Unterschiede zeigen sich auch zwischen den verschiedenen sozialen Netzwerken. Twitter-Nutzer sind mit einem Indexwert von 17,9 mit Abstand die aktivsten User und weisen zusammen mit Xing-Usern das höchste Bildungsniveau auf. Das Abitur als höchster Schulabschluss ist unter den Nutzern dieser Netzwerke am häufigsten vertreten. Xing-User sind auch als potenzielle Kunden für Unternehmen sehr attraktiv, denn sie verfügen im Netzwerkvergleich über das höchste monatliche Nettoeinkommen von 2.000-3.000 Euro.

Die intensive Nutzung sozialer Medien ist auch in werblicher Hinsicht interessant für deutsche Unternehmen. Im Durchschnitt beeinflussen soziale Medien mit 7,6 Prozent Kaufentscheidungen inzwischen genauso stark wie etwa das Fernsehen mit 7,8 Prozent, Außenwerbung mit 7,4 Prozent oder klassische Postwurfsendungen mit 7,9 Prozent. Das Radio mit 5,6 Prozent haben soziale Netzwerke bereits überholt.

Neue Generation mündiger Medienkonsumenten

Dieser Trend in Richtung Social Media scheint jedoch in der deutschen Werbewirtschaft noch nicht angekommen zu sein. „Fasst man klassische Internetseiten und Social Media zusammen, so machen diese Kanäle fast ein Viertel (22 Prozent) der Kaufentscheidung aus“, sagt der Leiter der Studie, Jonas vor dem Esche. „Unternehmen haben in 2012 aber nur knapp zwölf Prozent ihrer Werbebudgets für Onlinewerbung ausgegeben.“ Im Vergleich: TV und Print beeinflussten die Kaufentscheidungen der Deutschen zu 16 Prozent. Hier investierten Unternehmen allerdings satte 82 Prozent ihrer Werbebudgets. „Auch wenn es nicht darum geht, den Einfluss der unterschiedlichen Medien auf die Kaufentscheidung eins zu eins in Werbeausgaben zu übersetzen, so sollten diese Zahlen doch zu einer Überprüfung der derzeitigen Budgetverteilung führen“, rät Roland Berger-Experte Egbert Wege.

Die Analyse des Mediennutzungsverhaltens der Deutschen brachte noch eine weitere spannende Erkenntnis: „Unsere Studie zeigt eine neue Generation mündiger Medienkonsumenten“, sagt Professor Hennig-Thurau. Klassische Konsumenten treffen Kaufentscheidungen auf Basis von wenigen Informationsquellen. Dazu gehören etwa Empfehlungen von Freunden, Informationen auf klassischen Webseiten oder die Beratung im Geschäft. Verbraucher, die viel Social Media verwenden, gewichten stattdessen gleichmäßiger Informationen aus mehreren Quellen. „Für Unternehmen wird es daher in Zukunft wichtiger, klar aufeinander abgestimmte Botschaften über eine Vielzahl von Kanälen zu senden“, erklärt Hennig-Thurau weiter. Empfehlungen von Freunden oder von Verkäufern im Ladenlokal würden in Zukunft an Bedeutung verlieren.