Fernsehapparat und TV-Programm verlieren an Bedeutung

Das Nutzungsverhalten von Fernsehinhalten ändert sich schneller und intensiver als bisher angenommen. Konsumenten nutzen Fernsehinhalte immer öfter fern des traditionellen Fernsehgerätes und des linearen Programmfernsehens. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Unternehmensberatung Accenture. Gleichwohl stieg die durchschnittliche Sehdauer nach Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGT) im Jahr 2011 auf ein neues Allzeithoch von 225 Minuten pro Tag. Abgesehen davon, dass diese Erhöhung zunächst auf Zuschauer im Alter von 50 bis 64 Jahren zurück zu führen ist , also eine Zielgruppe, die werbefinanzierte private Fernsehveranstalter gerne ausklammern, sagen diese Zahlen vor allem nichts über die Art der Fernsehnutzung.

Von Michael Ziesmann

Diese wandelt sich ganz erheblich. Fernsehen heißt längst nicht mehr vor dem Fernseher zu sitzen. Die Bedeutung des Fernsehapparates für die Menschen sinkt. Das „Familienlagerfeuer“ als Mittelpunkt des Wohnzimmers ist ebenso auf dem Rückzug wie die große Samstag-Abend-Unterhaltung.

Die Unternehmensberatung Accenture hat in 10 Ländern (darunter USA, Russland, Japan, China, Indien, Frankreich und Deutschland) jeweils 1 000 Menschen zu ihrem Mediennutzungsverhalten befragt. Die Studie „Always On, Always Connected“ kommt danach zu erstaunlichen Ergebnissen. In Deutschland sehen sich bereits 26 Prozent aller Befragten Sendungen und Videos auf dem Computer an. Vor zwei Jahren waren es lediglich 17 Prozent. Die Nutzung von Mediatheken und Live-Streams am Computer liegt in allen Studien-Ländern bei durchschnittlich 33 Prozent. In den USA schalten heute bereits 40 Prozent weniger Befragte ihren Fernsehapparat ein als noch 2009, wenn sie Sendungen und Filme sehen wollten. In Frankreich sind es 20 Prozent. Stattdessen kommen Computer, Laptop, Tablet-PC oder Smartphones zum Einsatz.

„Der Kampf um den Zuschauer hat sich auf das Internet ausgeweitet. Die Menschen verbringen viel Zeit online, an vernetzten Geräten, die in vielen Situationen die klassische Mattscheibe ersetzen“, beschreibt Prof. Dr. Nikolaus Mohr, Geschäftsführer im Bereich Communications, Media & Technology bei Accenture, die Situation. Konkurrenz machen dem Fernseher außerdem Smartphones. Zehn Prozent der Befragten sehen damit bereits Videos und Sendungen. Auch Tablet-PC´s lösen das Bewegtbild vom Fernsehgerät. 40 Prozent der Tablet-Besitzer in Deutschland sehen sich darauf Filme und Serien an.

„Das klassische Fernsehen hat sein Monopol für Unterhaltung und Information in bewegten Bildern verloren. Over-the-top-TV-Angebote drängen mit Macht auf den Markt“, sagt Nikolaus Mohr. „Die Zukunft ist hybrides Breitbandfernsehen“, so Mohr weiter, „also ein Angebot, das Inhalt und Elemente des klassischen Programmfernsehens mit Bewegtbild-Content aus dem Web verbindet. Das gilt sowohl für etablierte Sender, Gerätehersteller und Kabelanbieter als auch für Internetfirmen, Telekommunikationsanbieter und Medienunternehmen, die in den TV-Markt einsteigen wollen.“

Diese Ergebnisse stellen die Strategen der Unterhaltungsindustrie vor große Herausforderungen. 32 Prozent derjenigen, die Online-Unterhaltungsangebote nutzen, leihen oder kaufen so gut wie keine Filme auf DVD. Fernsehgeräte werden zu Hybridgeräten. Während 42 Prozent der Befragten ein hochauflösendes Bild (HD) wichtig ist, legen bereits 25 Prozent der Befragten großen Wert auf die Internetfähigkeit ihres Fernsehgerätes. Da die Konsumenten eine Art Hypermobilität erreichen, so die Studie, steigen die Ansprüche an mobile Endgeräte und schnellen Internetzugang erheblich.

Aber auch für die Folgen für die Wirkung von Fernsehwerbung sind erheblich. Da die mobile Nutzung von Fernsehinhalten mit dem vermehrten Online-Abruf von Sendungen zu individuellen Zeiten einher geht, und sich damit vom linearen Programmfernsehen entfernt, genügt eine klassische Planung nicht mehr um von der hohen Sehdauer vor allem in jungen Zielgruppen für Werbung zu profitieren. Mit der rasant zunehmenden Hypermobilität der Konsumenten verliert nicht nur das klassische Fernsehgerät an Bedeutung, sondern auch die Werbewirkung von Kampagnen, die nur im linearen Programmfernsehen stattfinden. Mediaplaner und Werbung treibende Unternehmen stehen vor der Herausforderung intelligente Kampagnen zu erarbeiten um mit der rasanten Veränderung der Nutzungsart von Fernsehinhalten mindestens Schritt halten zu können. Dazu gehören Werbeformen, die unterschiedliche Nutzungsarten von Fernsehinhalten abdecken.

Die Accenture-Studie „Always On, Always Connected“ können Sie hier downloaden.

www.accenture.com,
agf.de/daten/zuschauermarkt/sehdauer,
www.ip-deutschland.de/ipd/unternehmen/presse/pressemeldungen/archiv_2012/2011_beschert_tv_rekordzahlen.cfm