Feinkost beim Discounter: Muss das sein?

Von Meersalzbutter bis zu karamellisierten Chips, die Discounter haben die Feinkost für sich entdeckt. Aber gehören die Lebensmittelspezialitäten wirklich zwischen die verbilligten Produkte im Discounter-Regal? Ein Streitgespräch

Ein Kommentar von Johannes Steger und Linda Gondorf

Pro: Eine gelungene Sortimentserweiterung

Trüffelleberwurst, Wildkräuterwildscheinsalami und Macarons – das steht schon lange nicht mehr nur in den sorgfältig sortierten Regalen der Delikatess- und Feinkosthändler, sondern findet sich auch in der Aktionsware bei Penny, Aldi, Lidl oder Netto.

Die Discounter haben die Gourmets für sich entdeckt und aktionsweise oder dauerhaft Lebensmittel von der exotischeren Sorte in ihre Regale aufgenommen. Darüber kann man sich durchaus freuen, auch wenn manch eine(r) da leicht versnobt die Nase rümpft und findet, dass Feinkost nun mal gar nichts zwischen No-Name-Käse und 2-Euro-Wein zu suchen hätte.

Dem kann man nur widersprechen, schließlich ist der Discounter schon lang nicht mehr das, was er einmal war. Da gibt es nicht mehr nur günstig Dosentomaten und Toilettenpapier. Beim Aldi des Vertrauens findet sich mittlerweile auch Focaccia oder unterschiedlich gefüllte Ravioli. Bei Lidl stehen Weine außerhalb von jeder Discounter-Preisrange in den Regalen und Penny wartet neben fertigen Bagels und Salaten, auch manchmal mit französischen Wochen auf. Schmoddrig und herunter gekommen sind (die meisten) Discounter auch nicht mehr, sondern können sich längst mit den (vermeindlich) teureren Konkurrenten messen.

Deutsche Supermärkte holen auf

Denn Deutschlands Supermärkte haben etwas entdeckt, was im Rest der Welt bereits erkannt wurde: Der Lebensmitteleinkauf ist zwar eine Notwendigkeit, kann aber durchaus mehr sein als „Schnell-mal-eben-rein-und-dabei-Augen-zu“. Wer zum Beispiel schon einmal andächtig vor der Auslage eines französischen Supermarkts gestanden hat, der erkannte, welchen Reiz es haben kann, zwischen mehr als vier Sorten Käse auswählen zu können. Der Lebensmitteleinkauf kann dann fast so viel Spaß machen wie der Aufenthalt in einer Boutique (für die einen) oder einem Elektrofachhandel (für die anderen). Man muss nur die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Die Aufnahme von Feinkostartikeln ist solch eine Maßnahme.

Zudem dürfen auch Menschen mit geringerem Geldbeutel in den Genuss von Trüffeln kommen, auch wenn es nur die billigere Variante aus China ist. Ebenfalls muss bedacht werden, dass sich Deutschland kulinarisch weiterentwickelt hat. Wenn sich auch in irgendeiner Dorfschenke Süßkartoffelpüree und Spinatsalat mit Ziegenkäse auf der Speisekarte finden, dann ist es nur konsequent, wenn die Zutaten dafür auch beim Discounter um die Ecke im Regal zu finden sind. jos

Contra: Alles Schall und Rauch

Deluxe Caramelised Onion & Sweet Balsamico Chips, Moro Blutorange-Saft, Meersalzbutter aus Guérande, Black Tiger Riesengarnelen: Discounter wie Aldi, Lidl, Penny und Norma bieten schon seit Jahren Feinkost an – und das zu Preisen, wo jeder Feinkosthändler die Hände über den Kopf zusammenschlägt. Denn Discounter packen einfach ihre besten Stücke in schwarze oder schwarzweiße Schachteln mit silbernen oder goldenen Lettern ein, um die Ware dann gewinnbringend zu verkaufen. Wenn schon nichts gutes drin ist, kann es ja wenigstens nach Mehr aussehen.

Luxus und Discounter, passt das zusammen?

Stefan Krämer von Penny beantwortete diese Frage schon vor einem Jahr: „Das ist die Gratwanderung, die ein Discounter heute leisten muss“. Natürlich möchte auch der Otto Normalverbraucher mal etwas Besonderes kosten, sich dabei aber nicht auf fremdes Terrain begeben und auch nicht ein Zehntel seines Monatslohns hinlegen. All das bieten die Discount-Marken wie „Gourmet“ (Aldi), „Deluxe“ (Lidl), „Feine Kost“ (Penny-Markt) oder „Finest“ (Norma): Feinkost für alle.

Doch wie passt das zusammen? Gehobene Ware in den Regalen, der einst natürlichen Feinde gehobener Esskultur? Irgendwie komische Konstellation. Und dazu auch noch eine reine Marketing-Strategie, die gerade zum Weihnachtsgeschäft super aufgeht. Kurt Meier beobachtet die Branche seit Jahren und betreibt zusammen mit Uwe Glinka das Portal „Die Sparratgeber“. Meier sagte MDR INFO: „Der Verbraucher möchte sich was Gutes gönnen. Vielleicht kommen die Eltern oder Schwiegereltern und denen will man was Besonderes hinstellen. Dass es in Wirklichkeit die normalen Produkte sind, nur anders eingepackt, das weiß der Verbraucher nicht.“ Nur der Preisunterschied lässt auf bessere Qualität hoffen. Eine reine Farce. Der Deluxe-Parmesan von Lidl kostet im Vergleich zum No-Name-Produkt um 48 Prozent mehr, ein Bergblütenhonig sogar um 240 Prozent. Das Wort „Betrug“ nimmt hier keiner in den Mund. Und auch die Verbraucher-Täuschung wird seit Jahren von den Discounter vehement zurückgewiesen. Fakt ist: Da die Billigmärkte die Produkte bundesweit in großen Mengen verkaufen, kann von Handarbeit keine Rede sein.

Natürlich weiß der Kunde des kleinen Feinkost-Ladens um die Ecke, dass die „Luxus“-Artikel der Discounter nichts mit Feinkost zu tun haben. Und auch der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass ein Discounter nicht Tag für Tag handwerklich hergestellte Feinkost in 2000 Filialen liefern kann. Trotzdem kaufen am Ende des Tages viele Kunden die Deluxe Caramelised Onion & Sweet Balsamico Chips – für das gute gesunde Gefühl von ein wenig Luxus. Oder so ähnlich. lig