Faszinieren statt Rabattieren – durch Marken mit Identität den Kunden begeistern

Seit einigen Jahren begegnen Unternehmen unterschiedlichster Branchen stagnierenden Märkten und austauschbaren Produkten durch aggressive Preiskampagnen und ausgeklügelte Rabattaktionen. Kaum ein Käufer widersteht den leuchtenden Prozentzeichen und kostenlosen Produktzugaben. Wer die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers wirklich zahlt, ist selber schuld, Schnäppchenjagen ist zum Nationalsport Nummer 1 geworden. Während in diesem Umfeld der Preis zum primären Differenzierungskriterium im Wettbewerb wird, verkommen ehemals starke Marken zum bloßen Herkunftsnachweis der jeweiligen Produkte. Erleben wir also die Reversion des in der Vergangenheit häufig postulierten Wandels vom Transaktions- zum Beziehungsmarketing?

Um es vorweg zu nehmen: Der Aufbau einer langfristigen Beziehung zum Kunden ist nach wie vor zentrales Anliegen der meisten Hersteller- und Handelsunternehmen. Dennoch sei die Frage gestellt, ob die kurzfristige Gewinnung von Kunden durch fantasievoll gestaltete Preisnachlässe zielführend ist und die Markentreue der Konsumenten nachhaltig unterstützt. Domizlaff definierte einst die Marke als „eine Fertigware, die mittels eines Zeichens markiert ist und die dem Konsumenten mit konstantem Auftritt und Preis in einem größeren Verbreitungsraum dargeboten wird.“ Demnach dürften sich heute nur noch wenige Markenartikelhersteller auch als solche bezeichnen. Zwar hat sich seit Domizlaff die Markenwelt erheblich verändert und ist längst nicht mehr auf Fertigwaren von Herstellern beschränkt. Dennoch signalisieren Marken mehr als Preisgünstigkeit. Sie sind und bleiben letztlich Vertrauensanker für das Leistungsangebot.

Für siebzig Prozent der unter 30-Jährigen stellt heute der Preis den zentralen kaufentscheidenden Faktor bei der Beurteilung von alternativen Produkten dar, so eine Allensbacher Studie. Die „Magie des Billigen“ (Stern) übt offensichtlich eine stärkere präferenzbildende Wirkung auf die relevanten Anspruchsgruppen aus als die Marke. Wenn aber Unternehmen weiterhin den Preis in den Mittelpunkt kommunikationspolitischer Maßnahmen stellen, leidet nicht nur die Marge, sondern auch die Beziehung des Kunden zur Marke.

Um die Marke, verstanden als Nutzenbündel mit spezifischen Merkmalen, die diese von anderen Marken differenziert, wieder in den Mittelpunkt des Kaufentscheidungsprozesses zu rücken, ist eine Besinnung auf die zentralen Funktionen der Marke erforderlich. Nur durch den von der Marke erzeugten rationalen und emotionalen Nutzen ist der Kunde bereit, beim Kauf eines Markenproduktes ein Preispremium zu zahlen. Eine stärkere Ausrichtung der Markenführung an der Markenidentität als strategischem Kern der Marke kann dazu beitragen, die bei vielen Marken in den letzten Jahren erodierende Beziehung zum Kunden wieder zu stärken. Darüber hinaus zeichnen sich starke Marken durch hohes Innovationspotenzial aus.

Angesichts der zunehmenden technisch-funktionalen Austauschbarkeit vieler Markenprodukte kommt der emotional-symbolischen Sinnstiftung von Marken eine besonders hohe Bedeutung zu. Der Mangel an objektiv-technischen Differenzierungskriterien (zum Beispiel bei Waschmittel, Bier, Kaffee, Fluglinien) kann in diesem Zusammenhang durch den Aufbau markenspezifischer Erlebniswelten (zum Beispiel VW-Autostadt, Red-Bull Flugtag) oder Schlüsselbilder (zum Beispiel Beck’s Schiff, Marlboro Cowboy) im Rahmen der Identitätsbildung ausgeglichen werden.

Preis- und Promotionaktionismus führt auf Dauer zu Markenerosion und schadet sowohl Herstellern als auch dem Handel. Markenmanager sollten sich daher wieder auf alte Tugenden besinnen und den Kunden faszinieren, anstatt zu rabattieren.

Prof. Dr. Dr. hc. Heribert Meffert ist Vorsitzender des Präsidiums der Bertelsmann Stiftung.