Euronics: Wie man dezentrale Händlerstrukturen bändigt

Die Marke Euronics Deutschland war lange gekennzeichnet durch große regionale Unterschiede im Markenauftritt. Mit dem Einsatz eines webbasierten Marketingportals gelang die Harmonisierung und damit die Entwicklung einer starken Dachmarke
Mit seinem Marketingportal kann Euronics dem Händlern vor Ort Bildmaterial, Vorlagen und die Markenregeln online zur Verfügung stellen

„Kannst Du mir mal eben das Logo schicken?“ – Wer bei Euronics Deutschland Corporate-Design-Elemente wie das Logo brauchte, der musste lange Zeit den umständlichen Weg über die Zentrale per Telefon gehen. Ein erheblicher Arbeitsaufwand mit mäßigem Erfolg, denn die Umsetzung der markengerechten Kommunikation vor Ort unterschied sich stark von Händler zu Händler. Doch dann brachte eine Software für Marketing-Resource-Management die Lösung.

Die Ausgangslage

Mit mehr als 1 700 Mitgliedern und 1 900 Märkten ist Euronics Deutschland eine der größten Ketten für Haushaltsgeräte und Consumer Electronics. Hervorgegangen ist sie im Jahr 2004 aus der Fusion der Fachhandelskooperationen Interfunk eG und Ruefach GmbH & Co. KG. In den beiden Verbänden organisierten sich selbstständige Händler, die mit den Marken Masters, Mega Company und Red Zac auf dem deutschen Markt vertreten waren. Doch nach dem Zusammenschluss unter der Dachmarke Euronics Deutschland blieb der Markenauftritt uneinheitlich: Zwar firmierten die einzelnen Händler unter dem neuen Schriftzug, oftmals aber in Kombination mit den alten Markensymbolen. Auch in der Erstellung von Werbemitteln fehlten konkrete Markenregeln und Anleitungen für die Händler. Von einer starken Dachmarke war die Kooperation weit entfernt.

Die Aufgabenstellung

2008 begann Euronics die Arbeit an einem einheitlichen Markenauftritt. Zusammen mit der Leadagentur Jung von Matt Brand Identity unter der Leitung von Design Director Stefan Gruenert wurde das neue Corporate Design entwickelt, das verbindlich für alle Marketingmaßnahmen gelten sollte. Doch Euronics Deutschland ist ein Zusammenschluss selbstständiger Händler, das Franchise-Prinzip „Zentrale entscheidet, Händler muss umsetzen“ funktioniert hier nicht. Jedes Mitglied entscheidet selbst, wie es nach außen kommuniziert. „Es war zudem für die einzelnen Händler sehr aufwendig, an die entsprechenden Vorlagen für Werbemaßnahmen heranzukommen“, sagt der Marketingchef von Euronics Deutschland Jochen Mauch. Eine zentrale Markensteuerung kann nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, die einzelnen Mitglieder von der Sinnhaftigkeit einer starken Dachmarke zu überzeugen. Mit den Fachmärkten Euronics XXL, dem Fachhandel Euronics, Euronics-Hausgeräte, Euronics Mobile und dem Premiumkonzept media@home vereint Euronics Deutschland zudem eine Vielzahl an unterschiedlichen Einzelhandelskonzepten, die verschiedene Anforderungen an Marketingmaßnahmen stellen.

Die Umsetzung

Um das zu erreichen, entschied sich Euronics 2011 für den Aufbau eines Marketingportals, mit dem die Zentrale den Händlern vor Ort Bildmaterial, Vorlagen und die Markenregeln online zur Verfügung stellen sollte. Marketingchef Mauch erstellte eine Bedarfsanalyse und verglich hierzu verschiedene Anbieter im Bereich Marketing-Resource-Management. Die Wahl fiel schließlich auf den Softwareanbieter Brandmaker mit seiner Lösung „Marketing Efficiency Cloud“. Nach der Konzeption eines modularen Systemaufbaus entwickelten Euronics und Brandmaker zunächst ein Rechte- und Rollenkonzept. Daraus entstanden vier Zielgruppen mit unterschiedlichen Rechten, die den jeweiligen Bedürfnissen und Systemanforderungen entsprechen sollten: die Händler, die internen Mitarbeiter von Euronics, externe Dienstleister und Industriepartner.

Es folgen die Implementierung und die Suche nach dem richtigen Content für das neu zu schaffende Marketingportal. Zusammen mit Stefan Gruenert und seinem Team entwickelte Euronics Deutschland markengerechte Inhalte für die Händler vor Ort: von Laden- bis Fahrzeugbeschriftung über PoS-Material bis hin zu Werbematerialien für die unterschiedlichen Kanäle.

Innerhalb der modularen Systemstruktur wurde der Bereich „Markenwelt“ aufgesetzt: Hier werden die Nutzer über die Corporate-Design-Spezifikationen informiert. Anleitungen, Downloads und Beispiele sollen die Adaption vor Ort erleichtern: „Die Nutzer werden von den Brandguidelines direkt in die entsprechenden Vorlagen verlinkt“, sagt Marketingchef Mauch. Ein weiteres Modul ist die Mediadatenbank. Diese wird von der Zentrale und den Industriepartnern mit Medienobjekten wie Bildern, Grafiken, Videos oder Dokumenten befüllt. Der Nutzer kann hier das entsprechende Objekt herunterladen, das System überträgt die Datei für den jeweiligen Verwendungszweck in das dafür vorgesehene Format. Das Herzstück des Marketingportals soll das Modul „Virtuelle Agentur“ bilden. Hier können die Händler aus einer Vielzahl von Vorlagen an Marketingmaterialien auswählen und diese individuell an ihre Bedürfnisse anpassen. Die jeweilige Händleradresse, aber auch Produktinformationen, Labels, Logos oder Fotos werden automatisch – passend zum ausgewählten Produkt – vom System übernommen und in das entsprechende Werbemittel eingefügt.

Doch bevor die Händler diese Funktion nutzen konnten, stand die Umsetzung. Und die stellte Mauch und das Team vor einige Herausforderungen, denn die einzelnen Templates mussten präzise auf die Bedürfnisse der einzelnen Händler angepasst werden: „Dahinter steckt eine außerordentliche Denk- und Konzeptionsarbeit“, betont der Marketingchef. Denn die Vorlagen müssen so konfiguriert sein, dass sie für jeden Anwender und seinen Bedarf funktionieren.

Die Hürden

Bei der Umsetzung des Marketingportals gilt es zudem, auch die Vorstellungen von Marketing und Möglichkeiten der IT unter einen Hut zu bekommen. Das beginnt schon mit den unterschiedlichen Kommunikationsebenen, die zwischen den beiden Bereichen bestehen. Mauch: „Emotionale Gestaltung kontra praktische Programmierung – das sind zwei unterschiedliche Standpunkte.“ Es ging darum, ein Verständnis für die Sichtweise des anderen zu entwickeln und eine gemeinsame Lösung für die Anforderung an das System zu finden. Für diese Zusammenarbeit wird oft auf externe Partner zurückgegriffen. Andreas Dürr, Chief Marketing Officer von Brandmaker , betont: „Brandmaker versteht sich in erster Linie als Technologieentwickler und -lieferant. Wir bieten auch Professional Services an, doch die bevorzugte Lösung ist die Einbeziehung eines unabhängigen Dienstleisters, der das Unternehmen und die Branche gut kennt und den Prozess begleitet.“

Für Euronics war das Stefan Gruenert, damals Design Director bei Jung von Matt Brand Identity, heute selbstständiger Berater, der auch das Corporate Design für Euronics entwickelte: „Mein Team und ich haben bei der Entwicklung des Marketingportals eine Schnittstelle zwischen Softwareanbieter und Kunden übernommen.“ 

Auf dem Euronics-Kongress im Februar 2012 ging das Marketingportal schließlich mit rund 5 000 Medienobjekten und zehn Web-to-Print-Templates live. Aber das stellte Marketingchef Jochen Mauch und sein Team vor die größte Herausforderung: die Überzeugung der Händlerschaft. „Viele Händler sind schon seit Jahren erfolgreich auf dem Markt vertreten – denen muss man erst einmal erklären, warum sie jetzt mit einem Marketingportal arbeiten sollen –, da muss Überzeugungsarbeit geleistet werden“, sagt Gruenert. In Regionalgruppen und Gremien wurde für das Portal und seine Vorteile geworben. „Da müssen auch Berührungsängste abgebaut werden, denn nicht jeder Händler ist ein Digital Native“, sagt Berater Gruenert, der die Schulungen leitet. Wenn diese aber einmal abgebaut seien, ist die Begeisterung über die Möglichkeiten meist groß.

Doch nicht nur die Befähigung der Nutzer entscheidet über den Erfolg eines solchen Systems. Auch eine einfache Handhabung sei essenziell, sagt Andreas Dürr von Brandmaker: „Die Akzeptanz eines solchen Systems hängt auch davon ab, wie benutzerfreundlich es gestaltet wird.“ Dies fange schon beim Log-in an: „Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass bei unterschiedlichen Systemen mit unterschiedlichen Passwörtern die Benutzer schon zu Anfang die Lust verlieren, sich damit auseinanderzusetzen“, so Dürr. Bei Euronics Deutschland wurde das Marketingportal deshalb in die bestehende Systemumgebung des Intranets integriert. Eine Startseite informiert den Benutzer über Neuigkeiten und die Möglichkeiten des Portals. Diese ist für jede der fünf Euronics-Marken individuell gestaltet und den Modulen vorgeschaltet. Dadurch wird der Nutzer nicht mit einer Fülle an Informationen überfordert.

Der Erfolg

Diese Großformatdrucker kamen zum Beispiel im September 2014 zum Einsatz, als Apple das iPhone 6 in den Markt einführte. Die Euronics-Zentrale hatte eine Kampagne mit fertigen Templates vorbereitet und diese nach der Produktfreigabe von Apple am Abend im Marketingportal zur Verfügung gestellt. „Morgens um 8 Uhr hingen bereits die iPhone-6-Plakate fix und fertig in den Läden und auf den Aufstellern“, erzählt Mauch. „Da waren wir die Ersten, und dazu hat uns selbst Apple beglückwünscht.“ Und obwohl noch längst nicht alle Händler auf das Marketingportal zugreifen, entfalten solche Erfolge mittlerweile eine erhebliche Strahlkraft. Die Nutzerzahlen belegen eine wachsende Akzeptanz innerhalb der Händlerschaft: Waren es 2012 durchschnittlich 700 Log-ins pro Monat und 2014 schon rund 3 500, sind es aktuell in diesem Jahr 3 700 Zugriffe monatlich. Mit der Zahl der Log-ins nahm auch die Zahl der Medienobjekte und Templates zu, nämlich auf 30 000 Objekte und mehr als 1 000 Vorlagen in 2015. Das Marketingportal wurde damit mehr und mehr zum integralen Bestandteil vieler Händler. Nach dem Erfolg soll das Projekt auch in anderen europäischen Ländern eingeführt werden. Den Anfang macht Belgien.