Diskussionsforen im Web – der blinde Fleck der Online-PR

Wer hip sein will, muss zurzeit mindestens zweimal täglich „Twitter“ oder „Facebook“ sagen und bei jeder Gelegenheit vom Social Web schwärmen. So wird aus einem „Phänomen“ nach und nach ein „Hype“, und diverse Berater versuchen, davon zu profitieren. Bei allem – mittlerweile auch schon seit 2006 andauernden – Gerede vom Web 2.0 wird gern einer der ältesten sozialen Kanäle im Internet übersehen: das Diskussionsforum.

von Rainer Bartel

Der Branchenverband Bitkom ermittelte im Rahmen seiner jährlichen Studie im Jahr 2008, dass 17 Prozent aller Internetnutzer an mindestens einem Forum beteiligt sind. Das entspricht immerhin um die zwölf Millionen Bundesbürger, bei steigender Tendenz. Dagegen nehmen sich die knapp vier Millionen Facebook-Konten hierzulande eher bescheiden aus; ganz zu schweigen von den angeblich 1,8 Millionen Twitter-Nutzern.

Keiner kennt die genaue Zahl, aber Experten schätzen, dass im deutschsprachigen Raum mindestens sechs, vielleicht sogar deutlich mehr als zehn Millionen solcher Plattformen betrieben werden. Am interessantesten sind aus Sicht der Online-PR Foren, in denen Hobby- und Konsumententhemen diskutiert werden. Die Palette reicht vom Hifi-Forum über Foren zu Reisezielen und -veranstaltern bis zu Foren, in denen die Teilnehmer über Automarken und -modelle oder gar Fertighausanbieter sprechen. Jedes Unternehmen, dessen Produkte oder Dienstleistungen so verhandelt werden, sind gut beraten, diese Kanäle sorgfältig zu monitoren.

Leider haben die Clipping-Dienstleister in diesem Sektor einen blinden Fleck. Deshalb sollte das Monitoring von Foren sinnvollerweise intern erledigt werden. Systematische Google-Suchen nach dem Unternehmensnamen, den Produktbezeichnungen und für die Firma relevante Begriffe werden eine Liste interessanter Diskussionsforen ergeben. Wer sich die Zeit nimmt und sich vergleichsweise oberflächlich in diesen Foren umsieht, wird rasch ein Gefühl dafür bekommen, welche Plattformen relevant sind und welche nicht. In der Regel werden dabei kaum mehr als drei, vier oder fünf, maximal aber zehn oder zwölf Foren herauskommen, die regelmäßig zu beobachten sind.

Am einfachsten gestaltet sich die Beobachtung für registrierte Teilnehmer. Wer sich als Unternehmensvertreter in einem Forum anmeldet, sollte zuvor entscheiden, ob er sich hinter einem Nickname verbirgt oder ob er von vornherein mit offenen Karten spielt. Unter einem Pseudonym zu agieren, empfiehlt sich nur, wenn an die aktive Beteiligung an Debatten nicht gedacht ist. Wer ganz offiziell als Sprecher eines Unternehmens mitreden will, sollte vorher mit den Betreibern abklären, ob dies erwünscht ist. In der Regel werden Administratoren wenig dagegen einzuwenden haben, aber den Interessenten sofort mit den Regularien vertraut machen. Gerade in Konsumentenforen, in denen es um Hobbys geht, herrscht oft ein striktes Werbeverbot. Das sollten Unternehmensvertreter auf jeden Fall beachten.

Ganz ähnlich wie am Stammtisch der realen Welt dauert es eine Weile, bis ein neuer Teilnehmer von den anderen wahrgenommen und in Debatten einbezogen wird. Ist diese Schwelle aber überwunden, können Firmensprecher sich durchaus als geschätzte Experten profilieren und an der Meinungsbildung im Forum teilnehmen. Allein das regelmäßige Mitlesen der Debatten führt aber schon dazu, die Stimmung einschätzen zu können. Damit lassen sich mögliche Kommunikationskrisen erahnen, bevor sie Schaden anrichten können.

Über den Autor:
Rainer Bartel ist Journalist, Publizist und PR-Berater, der sich auf den Online-Bereich spezialisiert hat. Zuletzt erschien bei Data Becker sein Buch „Erfolgreiche Online-PR“ (ISBN 978-3815829653), das als pragmatischer Leitfaden zum Thema für Selbstständige, Freiberufler und KMUs dienen soll.

www.rainerbartel.de