Digitalisierung und Live-Erlebnis: Eine fruchtbare Arbeitsteilung

Digitales verändert Messen oft auf ganz praktische Weise. Es erweitert das Potenzial von Messen, spricht Veranstalter, Aussteller und Publikum flankierend auf Onlineplattformen an und ermöglicht Dialoge sowie Kontakte mit der Community vor und nach der eigentlichen Messe
Als regionale Sportmesse gestartet, hat sich die Ispo zur Leitmesse für das internationale Sport Business entwickelt – und zu einem globalen Markt- und Kommunikationsplatz (© ISPO Munich 2016)

Den Messebesuch komfortabler machen auch Services wie etwa Messe-Apps fürs Mobiltelefon, die vielerorts schon als Standard gelten. Sie sind platzsparender als ein Katalog, zudem leistungsfähiger, individueller und günstiger.

„Ispo ist das ganze Jahr“

Die Messe München beispielsweise hat den Auftritt der Ispo, der Leitmesse für das internationale Sport Business, ins Netz verlängert. Einst als regionale Sportmesse gestartet, ist sie heute ein globaler Markt- und Kommunikationsplatz für die Branche. Ende vergangenen Jahres wurde die Content-Marketing-Agentur The Digitale beauftragt, die Website einem Relaunch zu unterziehen. Ziel ist, eine stärkere und permanente Präsenz zu schaffen. Das wird umgesetzt durch kreative redaktionelle Formate und aktuelle Informationen für die Branche. Den dadurch erzeugten Wandel beschreibt Klaus Dittrich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München, in einem Satz: „Ispo ist das ganze Jahr.“

Die Messe bleibt im Gespräch

Ähnliches gilt für die „Heimtextil“ in Frankfurt. Vor vier Jahren begann man mit Aktivitäten auf Facebook & Co. Zunächst etwas verhalten, weil die Frage im Raum stand: Ist Messekommunikation im Social Web für eine B-to-B-Veranstaltung sinnvoll? Inzwischen ist die Community rund 40 000 Personen stark, und die Interaktion nimmt zu. Im Dreieck zwischen Veranstalter, Aussteller und Besucher entfaltet sich ein lebhafter Austausch.

Ein eigener Heimtextil-Blog ist Kernelement der Kommunikation, für den Dialog werden hauptsächlich Facebook, Twitter, Instagram, Xing und Linkedin bespielt, bewegte Bilder vor allem über Youtube und Facebook-Video verbreitet. Zwar sei erst rund ein Drittel der Aussteller im Social Web aktiv, die Zusammenarbeit zwischen ihnen und der Messe habe sich dadurch aber deutlich intensiviert.

„Mittlerweile sorgen die Aussteller zusammen mit den Besuchern und unseren eigenen Aktivitäten für einen gehörigen Buzz rund um unsere Veranstaltungen. Dabei spielen vor allem von Ausstellern produzierte Inhalte eine zentrale Rolle“, berichtet Thimo Schwenzfeier, Leiter Marketingkommunikation für Veranstaltungen der Messe Frankfurt, die mit „Connected“ einen eigenen Blog zur „Digitalisierung des Geschäftslebens“ betreibt. Die Hauptattraktion bleibt am Ende aber doch das Live-Erlebnis, die Messe selbst.

Verbindliche Verabredungen

Fürchtete so mancher vor Jahren, dass digitale Kommunikation an ihre Stelle treten könnte, so hat sich eine fruchtbare Arbeitsteilung ergeben. In Zeiten der Multioptionen, wo jeder überall und jederzeit mit jedem in Kontakt treten kann, wird die verbindliche Verabredung – zur festen Zeit am festen Ort – zu etwas Besonderem. Ein Video von Edward Snowden Verlinken! hätte jeder einzelne „it-sa“-Besucher in der Mediathek eines Fernsehsenders ansteuern und ihm zuhören können. Aber auf der Messe in Nürnberg, wo sich gerade die ganze Branche versammelte, fühlte sich sein Auftritt außergewöhnlich an.

Plattformen für Innovationen

Das hat sicher mit dem zu tun, was Sandra Schindlbeck, Messe-Projektleiterin des Anlagenbauers Krones AG, an Messen so schätzt, nämlich „die Möglichkeit, auf relativ kleinem Raum quasi alle Trends und News der Branche überblicken zu können, also viele Aussteller und bestehende sowie potenzielle Kunden an einem Ort zu treffen“.

Für Walter Mennekes, den Vorsitzenden des Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (AUMA), bleiben Messen vor allem „Plattformen für Innovationen“. Dort ihre Neuheiten zu zeigen, sei gerade für kleine und mittelständische Unternehmen unverändert relevant, ebenso für viele B-to-B-Größen.

Veranstalter haben erkannt, dass sie gut daran tun, großartige Leistungen und die Zukunftsfähigkeit ihrer Aussteller zu unterstützen, etwa durch Preise für innovative Technik und Design oder durch Sonderschauen zu Zukunftsthemen. Für Mennekes der absolut richtige Weg: „Wir brauchen Bühnen, auf denen man Produkte und Firmen auf den Prüfstand stellen kann und nicht nur in virtuellen Präsentationen bewundern darf.“

Roland Karle (rk, Jahrgang 1966) schreibt über Marken & Medien, Beruf & Sport. Hat BWL/Marketing an der Uni Mannheim studiert, bei einer Tageszeitung volontiert und arbeitet seit 1995 freiberuflich. Er porträtiert gerne Menschen in Zeilen und Märkte durch Zahlen. Hang zum Naschkater und Volltischler. Im früheren Leben ein fröhlicher Libero.