Die neue Lust an Offline

„Augmented Worlds“ haben in diesem Jahr endgültig den Durchbruch geschafft. So hat das Monster-Spiel Pokémon Go derzeit mehr aktive Nutzer als Facebook, Twitter und Instagram. Doch was sind die Gründe, die eine augmentierte, also digital erweiterte Realität so faszinierend macht? Vier Lehren lassen sich aus dem globalen Pokémon-Hype ziehen.
Anne M. Schüller

Das Nichtdigitale wird zunehmend kostbar

Im Internet suchen wir vorrangig Effizienz, Zeitersparnis und Preisvorteile. Natürlich auch nach Informationen, Kontakten und Zeitvertreib. Die physische Welt hält darüber hinaus soziale Aktivitäten parat, die all unsere Sinne in Anspruch nehmen. Sieben von zehn Konsumenten stimmen sogar der Aussage zu, Erlebnisse seien wichtiger als Besitz. Folgen wir dem, dann muss jede Art von Kundeninteraktion viel sinnlicher werden. Die multisensorische Kommunikation bietet hierzu reichhaltige Gelegenheit. In meinem neuen Buch Touch.Point.Sieg wird darüber ausführlich berichtet. „Was in einer hocheffizienten, daten- und algorithmengesteuerten Welt selten und kostbar wird, ist das Nichtmessbare, das Nichtkontrollierbare, das Analoge“, bekräftigt der Trendforscher Peter Wippermann im Werte-Index 2016.

Und er sagt auch: „Was stärker wird, ist die Sehnsucht nach einer Wirtschaft, die nicht nach einer rein quantitativen Logik funktioniert. Hier liegt die große und großartige Aufgabe für Unternehmensentwickler – und hier liegen, wenn sie es richtig machen, die Wachstumsmärkte von morgen.“

Sowohl-als-auch: digitaler, menschlicher, emotionaler

Selbst am digitalsten aller Orte, im Silicon Valley, steht physisches Miteinander hoch im Kurs. Und es wird sehr viel Wert auf ein Wohlfühlklima gelegt, das gemeinsame Siege ermöglicht. Alles hockt nah beieinander. Und jeder redet mit jedem, um Inspirationen zu sammeln und Innovationen anzukurbeln. Selbst Milliardär Marc Zuckerberg hat seinen Schreibtisch im Kreis seiner Leute – im größten Großraumbüro der Welt. Berührungshunger ist allgegenwärtig. Ganz ohne sexuellen Hintergrund liegen wir uns bei allen möglichen Anlässen in den Armen, busseln und klatschen ab. Komm näher, komm riechen und fühlen, dass ich es gut mit dir meine, ist die unbewusste Botschaft, die im Hintergrund läuft. Online geknüpfte Bande werden auf diese Weise offline verstärkt. Und Sicherheit, die ich online nicht habe, wird so überprüft. Multisensorische Offline-Geschehnisse bergen eine Intensität in sich, die wir online einfach nicht erreichen können. Auch in der Kommunikation gehört in den Vordergrund, was den Kunden im wahrsten Sinne des Wortes berührt. Und in einer zunehmend digitalisierten Umgebung stechen Eindrücke, die mit allen Sinnen hantieren und zudem gemeinsamen Spaß garantieren, besonders heraus.