Die Marke Köln: Silvesterereignisse knacksen das Image der Karnevalshochburg an

Die Ereignisse von Köln zur Silvesternacht werfen einen Schatten auf diese lebenslustige Rhein-Stadt, erste Touristen brechen ihre Reise ab – und das ausgerechnet zur Karnevalssaison. Was jetzt zu tun ist, damit das Image der Stadt keinen bleibenden Schaden davon trägt, erläutern drei Experten
Handyvideo der Krawalle am Kölner Hauptbahnhof an Silvester

Nach den sexuellen Übergriffen am Silvesterabend in Köln haben die ersten Touristen ihre Reisen in die Karnevalshochburg abgesagt. „Das Image Kölns hat einen Knacks erlitten“, sagte der Geschäftsführer von Köln-Tourismus, Josef Sommer, gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zahlreiche Touristen und Reiseveranstalter würden sich nun bei ihm melden, weil sie nicht mehr wüssten, ob sie ihre Kölnreise antreten sollen oder nicht. Und das zur Hochzeit der Karnevalssaison.

Ob Berlin, New York oder Köln

Peter Pirck, Mitbegründer und Gesellschafter der Brandmeyer Markenberatung sieht einen Schaden für die Marke Köln: „Das Image von Köln hat sicherlich einen Knacks bekommen. Die Silvester-Übergriffe haben national aber auch international hohe mediale Aufmerksamkeit bekommen. Das schadet dem Bild der Stadt fraglos.“ Dabei sollten Stadt-Marken eigentlich sehr krisenresistent sein, meint zumindest Andreas Heim, Geschäftsführer Markenstrategie bei Brandoffice. „Es gibt ja immer wieder Städte, die mit sehr schwierigen Situationen konfrontiert werden. Denken Sie an New York mit 9/11 oder aktuell an Paris.“ Oder Berlin, das seinen neuen Flughafen einfach nicht in den Griff bekommen will. Trotzdem besuchen jährlich Hunderttausende Touristen die Städte. Der Grund dafür ist schnell gefunden: Menschen vergessen. „Ob die Marke Köln nachhaltigen Schaden nimmt, ist zum heutigen Zeitpunkt offen – klar ist, dass die Öffentlichkeit schnell vergisst. Entscheidend wird sein, dass sich Vorfälle dieser Art nicht wiederholen“, meint Pirck.

Das Image der Narrenstadt hat einen Knacks bekommen, das ist klar. Hochgekocht ist die Situation auch durch Fehlkommunikation der Medien. Bei der Berichterstattung haben vor allem die überregionalen Sender anfänglich versagt.

Die verzögerte überregionale Berichterstattung

Vier Tage dauerte es, bis bundesweite Medien flächendeckend über die Vorfälle berichtet haben. In ihrem Faktencheck schreibt die Redaktion der „Tagesschau“: „Am Neujahrstag hatte die Polizei zunächst von einer ruhigen Silvesternacht gesprochen. Zwar gab es einzelne Schilderungen auf Facebook, doch die Polizei hatte am Neujahrstag zunächst noch keine Anzeige. Erst am Abend des 2. Januar wurde bekannt, dass bei der Polizei mittlerweile 30 Anzeigen eingingen und ein eigenes Team für diese Fälle gegründet wurde.

Die „Tagesschau“-Redaktion hatte die Kommentare auf Facebook schon bemerkt, hat sich dann aber entschlossen, dies nicht weiter zu verfolgen. Erst in der Polizei-Pressekonferenz am Montag, 4. Januar kam dann alles heraus und die „Tagesschau“ berichtete. Vor allem die regionalen Medien in Köln waren schon komplett in die Berichterstattung eingetaucht – hatten den überregionalen einiges voraus.

Auch die Hauptausgabe der ZDF-„heute“-Nachrichten informierte nicht über die Ereignisse. Der stellvertretende Chefredakteur des ZDF, Elmar Theveßen, bezeichnete das rückblickend als Fehleinschätzung: „Die Nachrichtenlage war klar genug. Es war ein Versäumnis, dass die 19-Uhr-Heute-Sendung die Vorfälle nicht wenigstens gemeldet hat. Die Heute-Redaktion entschied sich jedoch, den geplanten Beitrag auf den heutigen Tag des Krisentreffens zu verschieben, um Zeit für ergänzende Interviews zu gewinnen. Dies war jedoch eine klare Fehleinschätzung.“

Bleibender Schaden?

In den vergangenen Tagen wurde umso mehr über die Ereignisse in der Silvesternacht diskutiert, über sogenannte „No-Go-Areas“ in deutschen Städten und Parallelgesellschaften. Der Marke Köln wird das keinen Abbruch tun, ist sich Christoph Engl sicher. Der Experte für Destinationsmarken und Mitglied der Geschäftsleitung der Managementberatung Brand Trust sagt: „Der Schaden wird nicht langfristig anhalten“. Er erklärt sich die Situation so: „Wir kennen solche Vorfälle schon von anderen kriminellen Ereignissen, die sich in anderen Großstädten abgespielt haben. Man kann damit rechnen, das Ereignisse nicht zu einem langfristigen Schaden für Köln führen. Vor allem nicht bei dieser Stadt – die für Lebenslust steht.“ Städte scheinen sich also wieder zu erholen. „Köln hat sich in den letzten Jahrhunderten eine starke Marke aufgebaut. Die ist nicht so einfach zu zerstören“, sagt Engl weiter.

Trotzdem muss die Stadt handeln, und zwar sofort. „Mit klassischem Stadtmarketing – im Sinne von Kampagnen-Denken – ist hier wenig zu erreichen“, so Pirck. Brandoffice-Chef Heim mahnt: „Der Grundwert, den jede Stadtmarke ihren Bürgern und Besuchern vermitteln muss, ist Vertrauen in die öffentliche Sicherheit.“ Laut der polizeilichen Kriminalstatistik aus dem Jahr 2013 liegt Köln im Kriminalitätsranking deutscher Städte auf Platz zwei und hinter Frankfurt am Main. Das zeigt auch, dass Köln allgemein nicht das sicherste Pflaster ist. Heim erklärt drei Dinge, die nun eingeleitet werden müssen, um die Unsicherheit in der Bevölkerung nicht weiter zu schüren und den Imageschaden Kölns einzudämmen:

Erstens müssen die Behörden den Sicherheitsstandard allgemein und speziell rund um Großveranstaltungen konsequent anheben (klare Führungsstruktur, gegebenenfalls mehr Personal, Verhaltens- und Führungsleitlinien).

Zweitens müssen alle konkreten Massnahmen für mehr Sicherheit genauso konsequent kommuniziert werden, um neues Vertrauen zu schaffen. Das sollte man jedoch nicht als kurzfristige Kampagne begreifen, sondern als strategisch vernetzte Kommunikation, die Offenheit, Transparenz und den Dialog mit den Bürgern fördert (Info-Veranstaltungen, Facebook, Twitter, Website der Stadt Köln, vielleicht eine Notrufe-App).

Drittens müssen die Menschen, die zu Problemfällen werden könnten, bestmöglich in die Gesellschaft integriert werden – das sei ein kommunaler Kraftakt auf allen Ebenen, nicht nur auf Ebene der Behörden.

„Das wichtigste“, so Engl, „Köln hatte keine Mitverantwortung an den Taten“. Und das scheint der wichtigste Punkt in dieser Geschichte zu sein: Keine Mitverantwortung.