Die Kommunikation in der Krise

Was hat ein Unternehmen im Ernstfall zu sagen?

Die Unternehmenskommunikation in den vier Krisenphasen
Empirische Befunde der Krisenkommunikation
Chancen und Grenzen von Frühwarnsystemen in der internen und externen Unternehmenskommunikation

Als „Kommunikation“ wird – im weitesten Sinne – der Austausch von Kommunikationsobjekten zwischen Kommunikationssubjekten mit Hilfe von Kommunikationsmitteln bezeichnet. In Anlehnung an die Formel von Lasswell „Who says what in which channel to whom with what effect?“ können die Kommunikationssubjekte als „Sender“ bzw. „Empfänger“, die Kommunikationsobjekte als „Botschaften“ und die Kommunikationsmittel als „Instrumente“ bezeichnet werden. Je nachdem wie diese Kernbestandteile des Kommunikationsprozesses strukturiert sind, werden zwei Formen der Kommunikation unterschieden: Bei der Individualkommunikation erfolgt der Informationsaustausch zwischen Sender und Empfänger einstufig und direkt (z.B. Telefongespräch, persönlicher Brief). Demgegenüber ist bei der Massenkommunikation zwischen Sender und Empfänger ein Kommunikationsmittler geschaltet (z.B. Tageszeitung, Rundfunksender). Dieser nimmt die Botschaft vom Sender auf (z.B. in Form einer Pressemitteilung) und leitet sie – ggf. modifiziert – an den eigentlichen Empfänger weiter (z.B. im Rahmen einer Nachrichtensendung). In diesem Fall vollzieht sich der Informationsaustausch zwischen Sender und Empfänger zweistufig und indirekt.

Die Unternehmenskommunikation in den vier Krisenphasen

Zur Strukturierung der internen und externen Unternehmenskommunikation bei Krisenfällen empfiehlt sich eine Orientierung am Modell der vier Krisenphasen.

In der potentiellen Krisenphase hat das Krisenmanagement vornehmlich antizipativen Charakter und dient der Krisenvermeidung. Hierzu werden in einem ersten Schritt potentielle Krisen gedanklich ermittelt (Antizipation). In einem zweiten Schritt erfolgt die Ableitung von Maßnahmen zur Absicherung gegen diese möglicherweise bald eintretenden Krisen (zukunftsorientierte Kompensation). Aufgabe der Unternehmenskommunikation in dieser Phase ist es, einerseits auf dem Wege der Massenkommunikation ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Unternehmen und den Kommunikationsmittlern (insbesondere den Medien) aufzubauen.

Hierdurch soll in der latenten und akuten Krisenphase die Aufrechterhaltung des direkten Kontaktes zwischen beiden Seiten gewährleistet und die Gefahr von Gerüchten und Spekulationen seitens der Kommunikationsmittler gemindert werden. Andererseits gilt es, auf dem Wege der Individualkommunikation dem Unternehmen einen möglichst großen Handlungsspielraum gegenüber seinen internen und externen Anspruchsgruppen zu verschaffen. Dieser soll ebenfalls in der latenten und akuten Krisenphase genutzt werden, um die Gefahr von (sofortigen) Sanktionen seitens der Anspruchsgruppen zu mindern (z.B. Boykottaufrufe durch Bürgerinitiativen, Kündigungen von Mitarbeitern)

Aufgabe des präventiven Krisenmanagements in der latenten Krisenphase ist es, zum einen durch geeignete Methoden der Früherkennung die rechtzeitige Identifikation einer latent vorhandenen Unternehmenskrise zu gewährleisten (Krisenerkennung). Zum anderen sollen – aufbauend auf diesen Früherkennungsinformationen – Maßnahmen zur Vermeidung einer akuten Krise eingeleitet werden (Krisenvermeidung). Im Bereich der Unternehmenskommunikation kommt hierzu im Regelfall das Konzept des Issues Managements zum Einsatz. Ein „issue“ wird dabei verstanden als ein Themenkomplex, der exogen an das Unternehmen herangetragen wird und in der Lage ist, die zukünftige Entwicklung des Unternehmens negativ zu beeinflussen. Ziel des Issues Managements ist es, Veränderungen in der Umwelt bereits zum Zeitpunkt ihres inhaltlich noch unstrukturierten Entstehens zu entdecken, ihre möglichen Entwicklungslinien und Auswirkungen auf das Unternehmen zu prognostizieren und geeignete Reaktionsstrategien – abgestuft nach dem jeweiligen Informationsstand über die betreffende Entwicklung – zu realisieren.

Das Krisenmanagement in der akuten Krisenphase hat repulsiven Charakter und dient der Krisenbewältigung. Wesentliches Element sind Repulsivplanungen – hier verstanden als die Ex-ante-Planung von Zielen und Maßnahmen zur raschen Überwindung akuter Krisensituationen. Dazu gehören beispielsweise Krisenhandbücher und Dark-Sites – also vorbereitete Internet-Seiten, die im Krisenfall binnen weniger Minuten freigeschaltet werden. Alle diese Maßnahmen können für gewöhnlich schon in der potentiellen Krisenphase vorbereitet werden. In der akuten Krisenphase mindert der Rückgriff auf diese Planungen den extremen Zeitdruck und ermöglicht den Entscheidungsträgern ein rasches aber trotzdem überlegtes Handeln. Der Unternehmenskommunikation kommt dabei die Aufgabe zu, eine „offene Informationspolitik“ zu betreiben. Zu diesem Zweck sollten die Anspruchsgruppen des Unternehmens kontinuierlich über eingeleitete Krisenbewältigungsmaßnahmen, bereits ermittelte Krisenursachen und schon absehbare Krisenwirkungen informiert werden. Eine solche rückhaltlose Informationspolitik wird als Teil der gesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens betrachtet. Nimmt ein Unternehmen diese Verantwortung nicht wahr, so sind Sanktionen von den Anspruchsgruppen gegen das Unternehmen zu erwarten.

In der Nach-Krisenphase trägt das Krisenmanagement regenerative Züge und dient der Krisennachbereitung. Einerseits gilt es, die destruktiven Wirkungen der Krise zu beseitigen. Hierbei kommt Maßnahmen zur Wiedergewinnung des Vertrauens der internen und externen Anspruchsgruppen in das Unternehmen eine besondere Bedeutung zu. Andererseits können die konstruktiven Wirkungen der Krise genutzt werden, indem die Krise als „Chance zum Wandel“ begriffen wird. Zu diesem Zweck sollten – durch eine kritische Analyse der zurückliegenden Krise – „Lehren“ für die Erkennung, Vermeidung und Bewältigung zukünftiger Krisen abgeleitet werden. Die Unternehmenskommunikation hat dabei die Aufgabe, den Dialog mit den Anspruchsgruppen herzustellen und diesen zu moderieren. Hierzu können beispielsweise Symposien veranstaltet werden, um gemeinsam mit den Anspruchsgruppen Konzepte für eine zukünftige Krisenvermeidung zu erarbeiten. Dokumentiert werden die Ergebnisse dieser Veranstaltungen häufig in der Einführung oder Modifikation von Verhaltenskodizes – beispielsweise in Form von Unternehmens- und Führungsgrundsätzen.

Empirische Befunde der Krisenkommunikation

Wiederum liefern die empirischen Befunde interessante Einblicke in die unternehmerische Praxis der Krisenkommunikation. Die 96 Krisenfälle des Unternehmens wurden begleitet von 480 Kommunikationsvorgängen (z.B. Versand von Pressemitteilungen, Durchführung von Betriebsversammlungen, persönliche Briefe des Vorstandsvorsitzenden an Politiker). Für jeden Kommunikationsvorgang wurden jeweils erhoben „Sender“, „Empfänger“ und „Instrument“ sowie die dazugehörige Krisenphase.

Fast 70 Prozent der Kommunikationsvorgänge wurden in der akuten Krisenphase – also zum Zwecke der Krisenbewältigung – durchgeführt (69,2 Prozent). Lediglich jeder vierte Kommunikationsvorgang diente der Krisennachbereitung in der Nach-Krisenphase (22,5 Prozent) und nur jeder zwölfte der Krisenerkennung und Krisenvermeidung in der latenten Krisenphase (8,3 Prozent). Bezogen auf Frühwarnsysteme in der Unternehmenskommunikation könnte dieser Befund drei Erklärungen nahelegen: Erstens hat das Unternehmen möglicherweise die Früherkennungsmaßnahmen in der latenten Krisenphase zu wenig kommunikativ begleitet. So wurde zwar von jedem sechsten Krisenfall die latente Krisenphase durchlaufen (15,6 Prozent), dennoch fand nur jeder zwölfte Kommunikationsvorgang in dieser Phase statt (8,3 Prozent). Zweitens muß die geringe Quantität der Frühwarnung nicht auf eine mangelnde Qualität derselben hindeuten. Vielleicht hat das Unternehmen mit nur wenigen Kommunikationsvorgängen gleich die richtigen Empfänger erreicht. Drittens wurden Krisenerkennung und Krisenvermeidung in der latenten Krisenphase möglicherweise eher passiv – im Sinne eines Monitoring – als aktiv – im Sinne eines Dialoges mit den Anspruchsgruppen – betrieben.

Bezüglich der Sender der Krisenkommunikation zeigt sich, daß gut die Hälfte aller Kommunikationsvorgänge durch die Abteilung „Unternehmenskommunikation“ initiiert wurde (57,5 Prozent). Knapp ein Drittel der Krisenkommunikation ist über Spitzenkräfte des Unternehmens erfolgt – also über die Mitglieder des Vorstands und des Direktoriums (29,5 Prozent). Nur an jedem achten Kommunikationsvorgang waren Führungskräfte (z.B. Niederlassungs- und Produktionsleiter) als Sender beteiligt (12,9 Prozent). Die Häufigkeit der Kommunikationsvorgänge in den einzelnen Krisenphasen liefert interessante Erkenntnisse zur „Arbeitsteilung“ zwischen den Sendern.

In der latenten Krisenphase sind die Spitzenkräfte deutlich häufiger an Kommunikationsvorgängen beteiligt gewesen (34,9 Prozent) als in der akuten Krisenphase (30,1 Prozent) und in der Nach-Krisenphase (25,8 Prozent). Die Führungskräfte engagierten sich dagegen stärker in der akuten Krisenphase (15,1 Prozent) – verglichen mit 9,6 Prozent in der latenten und 7,6 Prozent in der Nach-Krisenphase. Demgegenüber wurde die Krisennachbereitung in der Nach-Krisenphase klar von der Abteilung „Unternehmenskommunikation“ als Sender dominiert (66,7 Prozent gegenüber 55,4 Prozent in der latenten und 54,8 Prozent in der akuten Krisenphase).

Bezogen auf den Einsatz von Frühwarnsystemen in der latenten Krisenphase könnte dieser Befund implizieren, daß Spitzenkräften bei der kommunikativen Reaktion auf „schwache Signale“ eine besonders hohe Glaubwürdigkeit bei den Anspruchsgruppen des Unternehmens zukommt. Die Glaubwürdigkeit des Senders wird dabei zum einen geprägt durch das wahrgenommene Expertentum (z.B. besondere Erfahrung, spezielle Fachkenntnisse) und zum anderen durch die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit (z.B. sozialer Status, legitime Macht, physische Erscheinung). Möglicherweise glauben die Bürgerinitiativen und Politiker, daß die Vorstände und Direktoren – aufgrund ihrer hierarchischen Position („sozialer Status“) und durch ihre umfangreichen Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse („legitime Macht“) – über genügend Handlungsspielraum im Unternehmen verfügen. Hierdurch können sie die zugesicherten Änderungen bei einer umstrittenen Industrieanlage oder bei einem in die Diskussion geratenen Produkt auch tatsächlich realisieren.

Bei den Instrumenten der Krisenkommunikation wird zunächst das Verhältnis von Individual- zu Massenkommunikation analysiert. Dabei zeigt sich, daß gut die Hälfte aller Kommunikationsvorgänge durch Instrumente der Individualkommunikation abgewickelt wurden (57,1 Prozent). Über alle Krisenphasen betrachtet dominierten der „persönliche Brief“ (16,7 Prozent) und das „persönliche Gespräch“ (12,1 Prozent). Bei der Massenkommunikation kamen besonders häufig „Pressemitteilungen“ (23,2 Prozent) und – mit deutlichem Abstand – „Interviews“ (9,6 Prozent) zum Einsatz. In der akuten Krisenphase stieg die Anwendung von Instrumenten der Massenkommunikation gegenüber der latenten Krisenphase leicht an (46,4 gegenüber 45,2 Prozent).

Möglicherweise spiegelt sich hierin der zunehmende Zeitdruck und die Notwendigkeit zur schnellen Ansprache vieler Anspruchsgruppen in akuten Krisensituationen wieder. In der Nach-Krisenphase erlangte die Individualkommunikation überragende Bedeutung. In dieser Phase wurden fast 70 Prozent aller Kommunikationsvorgänge über Instrumente der Individualkommunikation abgewickelt (68,8 Prozent). Dieser Befund könnte auf eine intensive – lehrbuchgerechte – Krisennachbereitung im unmittelbaren, persönlichen Dialog mit den Anspruchsgruppen hindeuten (z.B. über persönliche Gespräche, Anwohner- und Mitarbeiterversammlungen).

Leider bestätigen die Befunde zur interpersonalen und kategorialen Kommunikation diese optimistische Vermutung jedoch nicht. Während bei der interpersonalen Kommunikation eine unmittelbare persönliche Beziehung zwischen Sender und Empfänger besteht (z.B. im Rahmen einer Pressekonferenz), trennt bei der kategorialen Kommunikation eine erhebliche räumliche Distanz die beiden Akteure (z.B. per Briefpost verschickte Pressemitteilung). Lediglich 7,1 Prozent der Kommunikation in der Nach-Krisenphase wurde auf dem Wege der interpersonalen Kommunikation abgewickelt. Statt das persönliche Gespräch zu suchen, hat das Unternehmen „Zeitschriften“ und „Pressemitteilungen“ (jeweils 5,8 Prozent), „Rundschreiben“ (3,8 Prozent) und „persönliche Briefe“ (2,9 Prozent) verschickt – also Instrumente der Brief- bzw. Tele-Kommunikation eingesetzt. Krisennachbereitung im interpersonalen Dialog – also über Face-to-Face-Kommunikation – hat somit kaum stattgefunden. Demgegenüber wurden in der akuten Krisenphase 40,9 Prozent und in der potentiellen Krisenphase sogar 50,0 Prozent aller Kommunikationsvorgänge in unmittelbarer räumlicher Interaktion abgewickelt.

Für die kommunikative Frühwarnung in der latenten Krisenphase kann dem Unternehmen somit ein relativ gutes Zeugnis ausgestellt werden. Das Unternehmen hat – lehrbuchgerecht – den unmittelbaren persönlichen Kontakt mit den Anspruchsgruppen gesucht, um diese von seinem Standpunkt zu überzeugen.

Die Befunde zu den Empfängern der Krisenkommunikation ergänzen die Befunde zu den Instrumenten in interessanter Weise. Knapp die Hälfte der untersuchten Kommunikationsvorgänge zielte auf Vertreter der Massenmedien – also Journalisten im Segment „Press Relations“ (44,1 Prozent). Zweitstärkstes Empfängersegment war mit knapp einem Viertel aller Kommunikationsvorgänge der Bereich „Human Relations“ (22,8 Prozent). Hierzu zählen beispielsweise Mitarbeiter und Pensionäre, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Schulen und Universitäten. Jeder achte Kommunikationsvorgang (12,5 Prozent) erreichte Empfänger im Bereich „Business Relations“ – wie Aktionäre, Kunden, Lieferanten und Branchenverbände, jeder neunte (11,3 Prozent) das Segment „Political Relations“ (z.B. Ämter und Behörden, Politiker und Parteien) und jeder elfte (9,1 Prozent) die Anwohner, Bürgerinitiativen und Religionsgemeinschaften im Bereich „Community Relations“. Erstaunliche Erkenntnisse bringt die Zuordnung der Empfänger zu den einzelnen Krisenphasen.

So ist in der Nach-Krisenphase jeder zweite Kommunikationsvorgang an das Segment „Human Relations“ gerichtet gewesen (49,8 Prozent) – verglichen mit jedem sechsten in der akuten und nur jedem zwanzigsten in der latenten Krisenphase (16,2 Prozent bzw. 4,9 Prozent). Die Krisennachbereitung hat somit zu einem erheblichen Teil unternehmensintern stattgefunden. Demgegenüber fällt in der potentiellen Krisenphase der hohe Anteil an Empfängern aus dem Bereich „Political Relations“ auf. Jeder dritte Kommunikationsvorgang richtete sich an dieses Segment (35,4 Prozent).

Für die kommunikative Frühwarnung in der latenten Krisenphase implizieren diese Befunde zweierlei. Zum einen waren geplante Gesetzesänderungen und Verordnungen zum Nachteil des Unternehmens Gegenstand intensiver Kommunikation mit den betreffenden Zielgruppen (z.B. Politiker und Behördenvertreter). Zum anderen wurden bei Bürgerinitiativen, Mitarbeitern und Marktpartnern (wie Kunden und Lieferanten) Kommunikationschancen in der potentiellen Krisenphase vertan. So haben beispielsweise Bürgerinitiativen knapp 40 Prozent ihrer Aktionen vorher angekündigt (38,5 Prozent). Trotzdem wurden nur knapp 10 Prozent aller Kommunikationsvorgänge in der latenten Krisenphase mit diesem Segment abgewickelt (9,8 Prozent). Ähnliches gilt für die beiden anderen Zielgruppen. Sicherlich wurden diese Empfänger auch indirekt über die Massenmedien erreicht. Dennoch dürfte die Massenkommunikation den individuellen, persönlichen Kontakt mit den Zielgruppen kaum ersetzen können.

Chancen und Grenzen von Frühwarnsystemen in der internen und externen Unternehmenskommunikation

Die empirischen Befunde zu den 96 Krisenfällen und 480 Kommunikationsvorgängen haben deutlich gemacht, daß zumindest ein Teil der Unternehmenskrisen in der latenten Krisenphase durch Frühwarnsysteme erkannt werden konnte (15,6 Prozent). Bei immerhin 9,4 Prozent aller untersuchten Krisenfälle wurde der Übergang in die akute Krisenphase vermieden. Sicherlich kann dieser „Erfolg“ nicht zwangsläufig den Frühwarnsystemen des Unternehmens und der anschließenden Krisenvermeidung zugeschrieben werden. So haben möglicherweise Bürgerinitiativen angekündigte Aktionen von sich aus im letzten Moment doch nicht durchgeführt oder Politiker geplante Gesetzesänderungen aus Wahlkampfüberlegungen letztlich nicht realisiert. Dennoch unterstreichen die Befunde, auf welche Chancen Unternehmen in der latenten Krisenphase verzichten, wenn sie keine oder lediglich suboptimale Frühwarnsysteme im Einsatz haben.

Gleichwohl sollten auch die Grenzen der kommunikativen Frühwarnung nicht verkannt werden. Erstens haben die empirischen Befunde gezeigt, daß sich bei weitem nicht alle Unternehmenskrisen durch „schwache Signale“ ankündigen. Zweitens muß bezweifelt werden, daß die Entscheidungsträger – angesichts ihrer beschränkten Informationsaufnahme- und Informationsverarbeitungskapazität – die Vielzahl an „schwachen Signalen“ tatsächlich wahrnehmen und diese adäquat verarbeiten können. Drittens kann auch das umfassendste Frühwarnsystem nicht alle potentiellen „Krisenherde“ abdecken. Stets werden Diskontinuitäten auch in völlig neuen Bereichen entstehen, für die bisher keine Indikatoren formuliert wurden. Frühwarnsysteme in der internen und externen Unternehmenskommunikation können daher das Krisenmanagement zwar sinnvoll ergänzen, dieses aber keineswegs ersetzen. Auch das beste kommunikative Frühwarnsystem kann nicht immer verhindern, daß der Krisenprozeß in die akute Krisenphase übergeht und damit die Krisenbewältigung an die Stelle der Krisenerkennung und Krisenvermeidung tritt.

Autor:
Dipl.-Kfm. Frank Roselieb hat Betriebswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel studiert und promoviert zur Zeit bei Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Hauschildt. Außerdem ist er Initiator, Online-Redakteur und Webmaster von www.krisennavigator.de, einem deutschsprachigen Internet-Angebot für Krisenmanagement, Krisendiagnose, Krisenkommunikation, Risikomanagement und Katastrophenmanagement.