Der Hype um Apps ist berechtigt

Die Preistransparenz im Internet ist in den Läden angekommen. Mit neuen Anwendungen werden Smartphones und Tablet-PCs zu einer klügeren Einkaufshilfe als stationäre PCs.

Von Sandra Fösken

Die nervigsten Fragen an der Kasse „Haben Sie es passend?“, „Haben Sie eine Payback-Karte?“, „Sammeln Sie Treuepunkte?“ verbannt das deutsche Start-up Contigua GmbH mit der digitalen Anwendung (App) „10stamps“. Das Prinzip „Kauf zehn Kaffee, bekomm den elften gratis“ wird durch eine digitale Bonuskarte als App auf dem Smartphone ersetzt. Der Kunde lädt die 10stamps-App herunter und fotografiert mit seiner Smartphone-Kamera einen QR-Code im Geschäft. Wenn er zehn Stempel gesammelt hat, erhält er einen Bonus, etwa einen Extrakaffee oder einen günstigeren Haarschnitt beim Friseur. Dafür werden Unternehmen wie Nordsee und Coffee Fellows in ein Partner-Netzwerk aufgenommen und von dem Berliner Start-up mit QR-Codes und Informationsmaterialien versorgt. Für die Nutzung von 10stamps zahlen die Unternehmen eine monatliche Gebühr.

Ein Markt, der Gründer lockt

Mehr als 15 Millionen Deutsche nutzen inzwischen Apps auf ihren Smartphones, wie eine Umfrage des Hightechverbands Bitkom belegt. Im Durchschnitt haben sie 17 der kleinen Programme installiert – ein Markt, der Gründer lockt. Die Anwendung Shopkick zählt in den USA zu den meistgenutzten Apps. Über vier Millionen Konsumenten nutzen das mobile digitale Belohnungsprogramm, das jüngst Mastercard mit ins Boot geholt hat. Mit der App sammelt der Nutzer Treuepunkte, wenn er einen Laden der Partner-Händler betritt. Die Anwendung arbeitet nicht mit GPS. Stattdessen wird in den kooperierenden Stores ein Sender installiert, der registriert, wenn der Kunde den Laden betritt und wo er sich befindet. Die App offeriert dem Kunden vorab Angebote. 2011 setzten Kunden mit Shopkick bei den beteiligten Händlern einen Warenwertvon über 110 Millionen US-Dollar um. Tendenz steigend.

Shopkick zählt laut der amerikanischen Zeitschrift „Shopsmart“ zu den fünf nützlichsten Apps in den Vereinigten Staaten. Auch die Ebay-Tochter „Red-Laser“ gehört mit ihrer App dazu. Der „RedLaser“-Barcodescanner hilft dem Nutzer, die preisgünstigsten Angebote für das gesuchte Produkt sowohl online als auch im stationären Handel zu finden. Dafür müssen die Nutzer nur den Produkt-Barcode scannen, gleichzeitig arrangiert die App auch die Abholung bei dem Händler vor Ort. Einen Nachteil hat die App: nicht jedes Produkt ist dort erfasst.

Je mehr Alltagshelfer eine App anbietet, desto besser

Walmart-Konkurrent Walgreens offeriert seinen Kunden Coupons, einen Bestellservice für druckreife persönliche Fotos sowie eine Terminerinnerungsfunktion für die Medikamenten-Rezeptbestellung. Sehr bekannt unter den Internetnutzern in Deutschland ist Foursquare: Nutzer können ihren Freunden mithilfe sogenannter Check-ins mitteilen, wo sie gerade sind. Dafür bekommen sie Punkte. Das Unternehmen verkauft an mehr als 500 000 Unternehmen vorgefertigte Marketingkampagnen, um Nutzer der App zum Einkauf zu verleiten. Wer etwa besonders oft an einem Ort ist, bekommt dort Rabatte. Location-based-Services sind zwar weiter im Kommen, berichtet Thorsten Linz, Director Emerging Media und Technologies bei der Spezialagentur für CRM-Strategien Draftfcb in München, allerdings seien sie noch längst kein Massenphänomen. Ihr Mehrwert für das Marketing bestehe aktuell darin, dass die Nutzergemeinde sehr einflussreich sei, und ihr wird die Funktion einer Markenbotschafterin zugeschrieben.

Ein Vorzeigebeispiel repräsentiert für Linz American Express. Der Finanzdienstleister setzt in den Vereinigten Staaten Foursquare ein, um das Einkaufsverhalten seiner Kunden zu erfahren. Bei jedem Einsatz der Amex-Karte erhält der Karteninhaber daher Vorteile wie Coupons, Rabatte, Shopangebote. „Für solche Leistungen stellen die Kunden ihre Daten gerne zur Verfügung“, meint Linz, schränkt aber gleichwohl ein, dass Amerikaner im Vergleich zu den Deutschen in der Regel leichtfertiger mit ihren persönlichen Daten umgehen.

Die internationale Untersuchung mit dem Titel „Bearingpoint: Who will be the winners in the mobile payments battle?“ bestätigt: Für die Konsumenten spielen der Umgang mit Sicherheitsund Datenschutzfragen, die Einfachheit der Benutzung, die Zeitersparnis sowie die Loyalitätsprogramme eine wichtige Rolle. „Besonders wenn die Eingabe von Bankverbindungen und Kreditkartendaten notwendig ist, brechen die Nutzer den Vorgang ab“, sagt Draftfcb-Manager Linz. Stringente Regelungen, die die Authentifizierung und Autorisierung betreffen, klare Opt-in-Prozesse, eine Erlaubnis der Datennutzung zu Marketingzwecken seien notwendige Voraussetzungen, damit Unternehmen die gewonnenen Informationen auch für spätere Marketingmaßnahmen rechtskonform einsetzen können, betont Linz.

Eindeutiger Nutzen

Bei Apps muss der Nutzen eindeutig sein. „Cardstar“ ist in den USA eine App, die digital sämtliche Kundenkarten erfasst. Der Nutzer scannt den Barcode der Karte oder er erstellt manuell eine digitale Benutzerkarte, die bei Bedarf an der Kasse, im Mitgliedsverein, in der Leihbücherei auf dem Smartphone vorgezeigt wird. Bereits 2,5 Millionen Konsumenten installierten Cardstar nach Angaben des US-Unternehmens auf ihrem Handy. US-Anbieter Punchd, der von Google gekauft wurde, hat ebenfalls eine Anwendung entwickelt, die verschiedene Bonussysteme vereinigt. Allerdings wird sie Ende 2013 eingestellt. Medienberichten zufolge sind für Google nur Anwendungen für den Massenmarkt relevant. Das ist bei diesem digitalen Helfer wohl nicht der Fall.

Noch gibt es in Deutschland keine „Cardstar“-App, aber „Passbook“ – eine Anwendung für iPhone-Nutzer. Lufthansa nutzt das digitale Archiv, um Bordkarten digital auszuspielen, und das Hotelbuchungsportal HRS ist dort präsent. Der heterogene Handel hierzulande bevorzugt originäre eigene digitale Mitgliedschaften. Sportartikelhändler Sportscheck hat von Adesso mobile und Defacto.x eine App entwickeln lassen, die Bonuspunkte namens „dots“ für die Kunden sammelt. Bezahlfunktionen in Apps sind der nächste Schritt. Starbucks ist das erste Gastronomieunternehmen in Deutschland, das die Bezahlung über eine Kundenkarte, die als App auf dem Handy zur Verfügung steht, anbietet. Kartenlose mobile Bezahlmöglichkeiten stellen für die Anbieter eine attraktive Möglichkeit dar, das „Kassieren“ zu beschleunigen, sie erfahren auch mehr über ihre Kunden. Denn Unternehmen können anhand der in den Kundenkonten gespeicherten Bezahlvorgänge Informationen über Präferenzen der Käufer sammeln und Angebote darauf ausrichten.

In den USA werden Apps zum mobilen Bezahlen bereits von vielen Konsumenten eingesetzt: „Square Wallet“ beispielsweise ist kostenlos im App-Store erhältlich. In Deutschland ist im Bereich mobiles Bezahlen die App „iZettle“ vor Kurzem gestartet. Auch Paypal arbeitet mit „Paypal Here“ aneiner eigenen Lösung, die derzeit schon vereinzelt genutzt werden kann.

Mobile-Advertising-Maßnahmen

„Eine eigene App eines Markenartiklers kann eine sehr effektive Lösung sein, um die Bekanntheit und Verankerung der jeweiligen Marke innerhalb bestimmter Zielgruppen zu fördern“, skizziert Oliver von Wersch, Geschäftsführer Gruner + Jahr Electronic Media Sales (G+J Ems) und Vorstandsmitglied in der Fachgruppe Mobile im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), die Vorteile solcher Angebote. Am nachhaltigsten
gelinge dies in Kombination mit Mobile-Advertising-Maßnahmen. Probleme liegen derzeit noch beim Tracking von Ads in Apps. Hier können
aktuell nur Klicks aus den Apps heraus auf Landingpages gemessen werden. Impressions sowie Klicks, die von einer App zum Kauf einer anderen führen, sind nicht messbar, da die App-Märkte der Softwarehersteller, wie Google mit dem Android-App-Markt oder Apple mit dem iTunes-App-Store, kein Conversion-Tracking von Dritten erlauben.

Von Wersch beobachtet, dass mittlerweile fast jede Marke, die die mobile Werbeklaviatur beherrscht, auch mit eigenen Apps vertreten ist. Fast alle Automobilhersteller, Finanzdienstleister, IT-Unternehmen und Telekommunikationsanbieter und inzwischen auch eine beachtliche Zahl von Fast-Moving- Consumer-Goods-Unternehmen fahren zweigleisig. Von Wersch warnt aber davor, die Bedeutung von Apps zu überschätzen. Mobile Browsing sei langfristig betrachtet die relevantere Plattform beim Zugang zu mobilen Inhalten.

Laut dem Marin Software Online Advertising Report vom dritten Quartal 2012 hat der begrenzte Platz auf dem Bildschirm von Smartphones und Tablets allerdings zur Folge, dass die Anzahl der Impressions auf den mobilen Geräten niedriger ist als bei PCs. Bei den Klicks auf Suchwortanzeigen erreichen Tablets mit durchschnittlich 3,01 Prozent die höchsten Click-Through-Raten (CTR).

Smartphones schneiden mit 2,42 Prozent knapp hinter den PCs (2,52 Prozent) etwas schlechter ab. Andererseits sind Smartphones für Suchmaschinenmarketing auf den ersten Blick am günstigsten: Der Cost-per-Click (CPC) beträgt der Studie zufolge lediglich 0,20 Euro; bei PCs und Tablets sind es 0,27 Euro. Bei der Gestaltung, der Platzierung und den Inhalten von Suchanzeigen sind die Erwartungen der mobilen Smartphone-Nutzer entscheidend.

„Wir sehen auf unserer Plattform beispielsweise, dass unsere Kunden gute Erfolge erzielen, wenn sie einige Regeln beim Bid-Management (Anm. d. Redaktion: Steuerung der Suchbegriffe im Suchmaschinenmarketing) beachten und spezielle Anzeigeninhalte wie Click-to-Call oder Standortinformationen anbieten“, so Jens Bargmann, Country Director DACH bei Marin Software.

Bei der Auswahl der Mobile-Marketing-Instrumente sind die Ziele entscheidend: US-E-Mail-Dienstleister Strongmail wollte es genauer wissen und hatte im vergangenen Jahr über 1.000 Entscheider befragt. 44 Prozent nannten Kundenbindung, für 34 Prozent ist der Ausbau der Reichweite
wichtig, gefolgt von dem Bestreben, die Aufmerksamkeit des Nutzers auf Unternehmen, Marke und Produkt zu lenken (33 Prozent). So weist ein lokaler Einzelhändler mobil auf ein zeitlich begrenztes Sonderangebot für seine Kunden hin. Automobilhändler kündigen lokale Aktionen, beispielsweise einen kostenlosen Lichttest im Herbst, an. Personalabteilungen informieren Schulabgänger über Stellenausschreibungen und Job-Schnuppertage.

„Eines der Zukunftsthemen ist der Handel über mobile Endgeräte“, postulierte Vorstandssprecher Rainer Hillebrand einst im vergangenen Jahr auf einer Pressekonferenz. Versandhändler Otto erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2011/2012 bereits drei Viertel seines Umsatzes im Onlinehandel. Auch Deichmann oder Schmuckanbieter Christ setzen auf den direkten Shoppingkanal via Smartphone.
Nicht so gern von den Händlern gesehen, aber kaum vermeidbar, ist der Preisvergleich im Laden. Experten sprechen auch von Impulskäufen. Und
genau die wollen die Marketingabteilungen mit vielen ihrer Kampagnen auslösen.

Suche nach der idealen Werbeform

Noch experimentieren die meisten Werbetreibenden, suchen nach der idealen Werbeform. So sollten die Dienstleister nur hochrelevante Werbung ausliefern, die zum Inhalt passt. Besonders gefragt ist das sogenannte Geo-Targeting. Dabei bekommen die Nutzer nur dann eine Werbung zu sehen, wenn sie in der Nähe des Anbieters sind.

Zwar sind die Werbeausgaben in Mobile-Marketing-Lösungen in Relation zu anderen Medienkanälen absolut gesehen noch klein, aber sie wachsen mit hohen zweistelligen Wachstumszahlen in erheblich größerem Umfang als alle anderen Mediengattungen. Dennoch sind die Summen noch deutlich geringer als die Summen, die in andere digitale Kanäle gesteckt werden. Branding-Effekte können etwa über Werbeclips in oder vor Videos, per Pre-Rolls, die der App-Nutzung vorgeschaltet sind, mit üblichen Bannern in Apps oder auf mobilen Webseiten erzielt werden.

Laut dem Mobile Marketing Report von E-Marketer werden Direct-Response-Kampagnen in Zukunft die mobile Werbung dominieren. Im ersten Halbjahr 2012 haben die werbungtreibenden Unternehmen in Deutschland bereits 23 Millionen Euro brutto in mobile Displaywerbung investiert. Im direkten Vergleich zum Halbjahr 2011 erzielte die Branche einen Zuwachs von 76,5 Prozent in 2012, dokumentiert die Bruttowerbestatistik der Unit Mobile Advertising (MAC) im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) in Kooperation mit Nielsen Media Research. „Es hat bereits ein starker Budgetshift von traditionellen Medienkanälen in Richtung Mobile stattgefunden. Entsprechend gehen wir davon aus, dass das Medium Mobile in Kürze ein fester Bestandteil im Mediamix der Werbungtreibenden und Agenturen sein wird“, ist Dirk Freytag, CEO der Yoc AG, die zu Europas führenden Mobile-Marketing-Dienstleistern zählt, überzeugt.

Für die Mediaplaner sind Reichweiten- und Strukturdaten von elementarer Bedeutung. Die Reichweitenstudie „Mobile Facts“ bietet einen anerkannten Planungsstandard. Dort werden Mobileenabled-Webseiten, Angebote, die in Größe, Technologie und Usability für eine Darstellung auf mobilen Endgeräten optimiert sind, sowie mobile Applikationen erhoben und ausgewiesen. Enormes Werbepotenzial entfalten auch Video-Ads. Zum Ausbau der Reichweite wird vieles vom neuen LTE -Standard und den damit höheren Datenraten abhängen.