„Der beste Weg sich Native Advertising zu nähern ist, weder Native noch Werbung zu wählen“

Rob Rose, Content Marketing Institute, erwartet, dass künftig immer mehr Unternehmen große Redaktionsteams aufbauen, um damit Storytelling für die Kunden zu betreiben. Die Verlage, die nicht zügig reagieren, schauen in die Röhre. Marketer müssen lernen, sich nicht mehr als Werber zu sehen. Und sie müssen auf die richtigen Partnerschaften setzen.
Rob Rose verlangt vom Marketer, dass er aufhört über Werbung nachzudenken

Obwohl seit zwei, drei Jahren das Zeitalter des ContentMarketing ausgerufen wird, tun sich viele schwer damit. Warum eigentlich?

ROB ROSE: Den Marketern wird dieser Tage gesagt, sie sollten sich so verhalten wie Medienhäuser. Wenn man aber die Medienhäuser anschaut, dann machen die eben eine ganz andere Form von Marketing. Sie gehen nicht raus und erzählen überall, wie toll ihr Produkt ist, sondern sie nehmen Teile des Produkts und zeigen diese. Sie lassen das Produkt für sich selbst sprechen. Es geht nicht darum wie Medienhäuser sich vermarkten, sondern wie sie Content als strategisches Instrument einsetzen. Das können Marketer bislang nur sehr selten.

Denken Sie zum Beispiel an die Anfangssequenz oder gar nur –musik einer berühmten Serie oder Gameshow. Die Medienhäuser haben uns dahin trainiert, dass wir sofort etwas Interessantes, Spannendes erwarten. Das ist wie ein „Pawlowscher Reflex“. In der Anfangssequenz steckt ja gar kein Inhalt. Und nun muss man sich als Marketer eben die Frage stellen: Kann ich das auch. Ist das möglich?

Und, geht das?

kraftKlar geht das. Es gibt Menschen die sogar Geld für die Inhalte bezahlen, die ihnen von Firmen geliefert werden, etwa beim RedBulletin oder beim Kraft Food & Family Magazin. Die Menschen bestellen sich da ein Abo. Sie bezahlen für Marketingmaterial. Oder denken Sie an den Lego-Film. Die Menschen gehen ins Kino für eineinhalb Stunden Werbung. Und übrigens war die Werbung keineswegs versteckt oder subtil inszeniert. Das Ding hieß recht deutlich: Der Lego-Film.

Viele Marken bieten hier aber beliebigen Inhalt an, der gar nichts mit der Marke zu tun hat.

Das muss er auch nicht unbedingt. Er kann entweder nahe an der Marke bleiben, wie bei Lego, oder er kann unterhaltsam, lehrreich oder interessant sein. Dummerweise bleiben viele Versuche in diesem Niemandsland in der Mitte hängen. Sie transportieren die Marke nicht, weil sie „subtil“ sein wollen, bleiben aber so subtil, dass sie auch nicht mehr interessant sind. Ohne Mehrwert geht es nicht.

Das ist doch alter Wein in neuen Schläuchen. Oder steckt da etwas Neues darin?

Beides. Es bleibt das gleiche Paradigma wie in den letzten 100 Jahren. Aber der Unterschied ist, dass die sich die Veröffentlichung und Verbreitung der Inhalte demokratisiert hat. So kann jeder sein eigenes Publikum auf andere Weise sammeln. Das verstärkte den Widerstand gegen Marketing. Die Leute, für die wir arbeiten wollen, sind eben keine anonyme Zielgruppe mehr, sondern zum Beispiel Abonnenten eines YouTube-Kanals. Das führt dazu, dass heute Unternehmen natürlich mit Verlagen in Konkurrenz treten können und zwar im Spielfeld der Verlage. Aber die Inhalte und die Mehrwerte sind die gleichen wie immer.

Sie betonten vorhin, dass Lego sich bei seinem Marketing-Film nicht versteckt. Haben die Amerikaner die gleiche Diskussion um Schleichwerbung, gerade im Umfeld Native Advertising wie wir?

Tatsächlich ist ja das Advertorial so etwas wie die Mutter des Content Marketing. Aber wenn der Inhalt tatsächlich gut ist, dann muss ich mich doch gar nicht verstecken. Im Gegenteil. Ich bin doch Marketer. Ich will, dass meine Botschaft aus dem redaktionellen Teil heraussticht. Mir ist es doch egal, ob die Leser auch die redaktionellen Seiten lesen. Hauptsache, sie haben meine Anzeige gesehen und besuchen meine Website. Mich interessiert diese ganze Diskussion auch nicht. Das sollen die Publisher für sich definieren. Und wenn sie mir eine Werbefläche einräumen, dann werde ich versuchen, diese zu nutzen. Und natürlich will ich die Nutzer von der Website des Verlags weglocken.

Schöne Theorie. In der Realität sehen wir traurige Versuche im Bereich Native Advertising, zum Beispiel die Veröffentlichung eines Teasers zu einer Pressemeldung.

Sie können beruhigt sein, so einen Quatsch gibt es auch in den USA. Einerseits ist es natürlich sehr neu. Da lastet ein verdammter Druck auf den Marketern, weil sie es gewohnt sind, Reichweiten zu erzielen und weil Ihnen zum Teil die Bewertungsmaßstäbe für wenige aber hochwertige Kontakte fehlen. Der beste Weg, sich Native Advertising zu nähern ist, keine der beiden Seiten zu wählen. Weder Native noch Werbung. Sobald es als Werbung betrachtet wird, soll es verkaufen. Sobald es Native sein soll, möchte man den Absender verstecken. Es geht nur um gute Inhalte, aber diese Forderung ist keineswegs geringer. Die Kunst sich vom Produkt oder vom Verkaufen zu lösen ist die eigentliche Aufgabe.

Kurzer Exkurs: Was halten Sie von der soeben in Deutschland veröffentlichten Entscheidung des Patentamtes in Sachen Google gegen Verlage?

Das ist mir nicht bekannt.

Eine Schlichtungsinstanz hat grundsätzlich eingeräumt, dass Google Lizenzgebühren zahlen sollte, wenn der in Google News angezeigte Text eine Länge von sieben Worten überschreitet.

Das ist spannend. In den USA gibt es das Zitierrecht unter dem Namen Fair Use. Das ist aber ziemlich unscharf. Keiner weiß genau, wie viel er zitieren darf. Wenn das einmal klar definiert wäre, würde das den Weg frei machen für Kooperationsverhandlungen, denn dann wäre das Spielfeld bereitet. Ähnlich wie bei der Kennzeichnungspflicht von Native Advertising, über das wir bereits sprachen.

Zurück zum Kernthema: Was macht es auf Dauer mit der Medienlandschaft, wenn mehr und mehr RedBulls große Redaktionen aufbauen?

Es geht schon los: Die Medien werden im Gegenzug mehr und mehr Produkte verkaufen. Die müssen nicht in direkter Verbindung zu den Artikeln stehen. Es genügt, wenn die Leute einfach da sind und der Marke vertrauen. Aber natürlich können Verlage ihre Stärken ausspielen, wenn Sie zum Beispiel Produkte unabhängig testen und dann den Testbesten zum Verkauf anbieten. Das reicht von Mode über Spielzeuge bis hin zu Lebensmitteln.

Handelsware also. Was ist mit Produkten, die näher am Verlagswesen liegen, etwa kostenpflichtige Beratung?

Das ist sogar der kurzfristigere Weg. Wall Street Journal hat ein eigenes Content Studio, der Guardian auch. Je mehr die für die Werbungtreibenden produzieren, umso dünner wird die Luft für die Werbeagenturen. Und nicht nur das. Die Verlage sind auch die besseren Ratgeber, die Unternehmen darin schulen können, wie man guten redaktionellen Content macht. Auch solche Schulungen lassen sich vermarkten. Es überrascht mich schon, dass keines der großen Agenturnetzwerke einen namhaften Verlag übernommen hat. Das wäre doch sehr passend. Stattdessen haben die Agenturen ebenfalls angefangen das selbst aufzubauen. Und die Unternehmen beginnen jetzt damit, gute Journalisten anzuwerben. Starbucks hat soeben Rajiv Chandrasekaran von der Washington Post abgeworben. Der war zwanzig Jahre dort. Die Journalisten nehmen eine immer wichtigere, strategische Rolle in den Unternehmen ein.

In Deutschland hat die Chefredakteurin von Cosmopolitan das Unternehmen verlassen und bei einem Modeportal angeheuert.

Tatsächlich? Und dort verkauft sie mit ihren Geschichten Mode. Das hat sie vorher vermutlich auch getan, aber über den Umweg der Anzeigen.

Wenn Sie heute die Außendarstellung eines Unternehmens völlig neu definieren dürften. Wo würden Sie anfangen. Bei der Suche nach guten Redakteuren?

Auf jeden Fall. Ich würde das machen wie Marriott. Ich würde ein eigenes Content Studio aufbauen. Und dann würde ich drum herum die Leute anstellen, die ich brauche, also Redakteure, Kommunikationsexperten, Designer. Den ganzen Marketingkram würde ich von einer Agentur machen lassen. Aber die Geschichten bilden den Kern aller Strategien. Es ist allerdings brutal schwierig, da wirklich gute Leute zu finden und natürlich auch zu halten.

Man könnte aber die Herstellung der Inhalte auch Dritten überlassen.

Das könnte man und sollte man an bestimmten Stellen. Denken Sie zum Beispiel an Blogger oder YouTuber. Die kann man nicht anstellen und das will man auch nicht. Aber der Standardinhalt wie eigene Blogposts zum Beispiel ist nur teilweise auszulagern. Und was unbedingt inhouse bleibt ist die Strategie des Geschichtenerzählens. Das ist heute eine Kernkompetenz.

Rob Rose spricht auf der ContentWorld am 12. und 13. Oktober in Frankfurt. Die absatzwirtschaft und der Veranstalter Management Forum verlosen zwei Tickets für das Event rund um Content Marketing. Senden Sie einfach eine E-Mail mit dem Betreff „Rob Rose auf der ContentWorld“ an: fuhrmann@managementforum.com. Einsendeschluss ist der 5. Oktober. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.